Schon seit fast zwei Jahren ist Carsten S. Sicherheitsbeauftragter. Mit Engagement hat er die Aufgabe übernommen und an der Schulung bei der Berufsgenossenschaft teilgenommen. Doch wenn er seinem Chef einen Vorschlag in Sachen Sicherheit macht oder auch nur mit ihm ins Gespräch kommen will, winkt dieser genervt ab. Dafür habe er jetzt keine Zeit, vielleicht nächsten Monat. Carsten S. hat immer mehr das Gefühl, dass er nur der Form halber zum Sicherheitsbeauftragten bestellt wurde. Nun schwankt er zwischen „Ich schmeiß alles hin“ und „Ich versuche noch einmal, mit dem Chef zu sprechen“. Doch ein gutes Gefühl hat er dabei nicht.
Kritische Fragen und Probleme anzusprechen erfordert Mut und Überwindung – insbesondere gegenüber dem Vorgesetzten. Doch wenn sich das Verhalten eines Chefs negativ auf den wirtschaftlichen Erfolg auswirkt oder die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter gefährdet, ist Kritik berechtigt und sogar gewünscht: Laut Betriebsverfassungsgesetz dürfen einem Mitarbeiter keine Nachteile entstehen, wenn er auf Missstände aufmerksam macht beziehungsweise sich beschwert (siehe auch Urteil “Gefährdungsanzeige nach § 16 Arbeitsschutzgesetz — War die Abmahnung rechtens?”). Doch viele Mitarbeiter – selbst die mit Zusatzaufgaben – schweigen lieber.
Auch Carsten S. schiebt das Gespräch mit seinem Vorgesetzten vor sich her. Doch je länger er davor zurückscheut, desto größer werden seine Zweifel. Widersprüchliche Gedanken und Befürchtungen führen dazu, dass er irgendwann denkt „Das kann doch nur schief gehen!“ Ein geschwächtes Selbstwertgefühl ist jedoch keine gute Ausganglage für ein schwieriges Gespräch.
Gespräche über schwierige oder belastende Themen erzeugen oft unangenehme Gefühle – und zwar auf beiden Seiten. Deshalb sollte man nie unvorbereitet in den Austausch gehen.
Die Gesprächsvorbereitung
- Überlegen Sie: Was ist Ihre Rolle und was sind Ihre Ziele?
- Welche Gefühle wie etwa Ärger, Abneigung, Angst et cetera haben Sie, wenn Sie an das Gespräch denken?
- Wie schätzen Sie die Möglichkeiten und Grenzen des Gesprächs ein?
- Was sind Sie selbst bereit zu tun und was erwarten Sie von Ihrem Gesprächspartner?
- Welche Fragen könnten Sie stellen?
- Welchen Lösungsweg sehen Sie selbst für das Problem?
Zunächst notiert Carsten S., welche Ideen, Befürchtungen und Ziele er im Zusammenhang mit dem Gespräch hat und strukturiert seine Gedanken. So kristallisiert sich heraus, was er erreichen will. Nun kann er entscheiden, was er dem Vorgesetzten sagen und was er auf keinen Fall erwähnen möchte.
In einem zweiten Schritt formuliert Carsten S. sachlich die wichtigsten Punkte. Dabei achtet er darauf, dass er auch konkrete Beispiele und konstruktive Lösungsvorschläge einbringt. Die kann sich sein Vorgesetzter wertfrei anhören und annehmen.
Einleitungen und Fragen lassen sich gut vorab formulieren. Unter Stress kann man dann darauf zurückgreifen und läuft keine Gefahr, in Vorwürfe abzugleiten (Beispiele: „Folgende Informationen aus Gesprächen mit den Mitarbeitern sprechen aus meiner Sicht dafür, dass …“. „Was bräuchten Sie von mir, damit Sicherheits- und Gesundheitsschutzthemen im betrieblichen Alltag mehr berücksichtigt werden können?“).
Planung und Gesprächsverlauf
- Vereinbaren Sie einen Termin, der für alle Beteiligten passend ist.
- Kündigen Sie an, worüber Sie sprechen wollen.
- Klären Sie vorab, welchen Zeitrahmen das Gespräch haben kann.
- Los geht‘s: Erscheinen Sie pünktlich zum Gespräch. So signalisieren Sie, dass Sie Ihren Partner ernst nehmen und respektieren.
- Schildern Sie die Situation, mit der Sie unzufrieden sind und wozu Sie sich eine Veränderung wünschen.
- Zeigen Sie auf, welche Vorteile eine Veränderung der Situation hätte.
- Nennen Sie gezielt Verbesserungsmöglichkeiten.
- Stellen Sie nicht das Problem, sondern die Lösung in den Mittelpunkt. Dann weist die Kritik in die richtige Richtung – nämlich nach vorn auf die Lösung zu (Beispiel: „Wenn wir die Arbeitseinsätze anders, zum Beispiel stadtteilbezogen planen, könnten wir den Termindruck reduzieren. Das würde die Mitarbeiter entlasten, sie wären mit ihrer Arbeit wieder zufriedener und bereit zu mehr Leistung. Im Endeffekt bringt das eine Erhöhung der Produktivität und der Arbeitssicherheit…“).
Welche Themen der Sicherheitsbeauftragte gegenüber dem Chef ansprechen will, ergibt sich unter anderem aus Mitarbeiterbefragungen zur Zufriedenheit oder durch ein anonymes Vorschlagswesen. Doch Vorsicht: Der sogenannte „Mecker-Kasten“ verliert schnell an Wirksamkeit, wenn Vorschläge oder Kritik zwar geäußert werden können, sich danach aber nichts verändert und auch nicht kommuniziert wird, warum dies so ist.
Grundlagen der Gesprächsführung
- Bleiben Sie stets respektvoll! Nehmen Sie Ihr Gegenüber, also Ihren Chef, ernst. Nur so können Sie auch für sich selbst Respekt erwarten.
- Denken Sie daran: Der Ton macht die Musik.
- Führen Sie das Gespräch nicht personenorientiert im „Beschuldigerstil“ („Ihre Meinung ist falsch …“, „Sie müssen…“), sondern sachlich, aufgabenbezogen und lösungsorientiert.
- Verwenden Sie „Ich- Botschaften“ anstelle von „Du-Botschaften“.
- Vermeiden Sie Verallgemeinerungen und unverbindliche Ausdrücke wie „immer“, „nie“ oder „man“.
- Haben Sie Geduld! Erwarten Sie nicht, dass ein Termin zu einer vollständigen Klärung und Lösung ausreicht. Planen Sie lieber kleine Ziele und gehen Sie schrittweise vor.
Wenn es unerwartet laut wird…
Sollte das Gespräch trotz guter Vorbereitung eine unangenehme Wendung nehmen, sollten Sie sich weder verteidigen noch zum Gegenangriff übergehen. Als Sofortmaßnahme hilft tief durchatmen. Das senkt den Blutdruck, der durch die Aufregung hochgeschossen ist. Auch die Ausschüttung des Stresshormons Adrenalin wird zurückgefahren. Danach lässt sich die Situation nüchterner betrachten. Eine Frage kann dann helfen, die Diskussion weniger emotional und weniger laut fortzusetzen. Oft reicht schon ein „Habe ich Sie richtig verstanden?“ Ansonsten empfiehlt es sich, eine Pause zu machen oder das Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen.
Carsten S. weiß, in welchen Bereichen sich seine Kollegen Verbesserungen wünschen. Seine Aufgabe ist es jedoch nicht, entsprechende Maßnahmen zu planen und umzusetzen. Als Mittler informiert er seinen Chef und überlegt eventuell gemeinsam mit ihm, was sinnvoll und möglich ist und wer was wann umsetzen könnte. Verantwortlich für den Arbeitsschutz ist immer der Arbeitgeber.
Verhaltenstipps für einen erfolgreichen Gesprächsverlauf
- Seien Sie offen und sehen Sie das Gespräch als Chance an.
- Der Gesprächsbeginn sollte positiv gestaltet werden.
- Das Gespräch sollte
– in Ruhe und am besten als Vier-Augen-Gespräch stattfinden. - – nicht emotional und persönlich, sondern fachlich und sach- beziehungsweise lösungsorientiert geführt werden.
- – möglichst zu einem Ergebnis führen und positiv beendet werden.
- Drohungen, Vorwürfe und persönliche Angriffe sind tabu.
- Kritikpunkte sind konkret anzusprechen und beispielhaft zu schildern.
- Die Sichtweise des Gegenübers sollte erfragt und auf dessen Argumente eingegangen werden.
- Innerhalb des Gesprächs ist es wichtig, Blickkontakt zu suchen beziehungsweise zu halten.
Weiterführende Informationen
- VBG-Internetseite www.vbg.de/wbt/gewaltpraevention/daten/html/001.htm Info-Box Kommunikation
- „Kommunikationstraining für Sicherheitsbeauftragte“ beim Theater Interaktiv unter www.theater-interaktiv.net (Suchbegriff Sicherheitsbeauftrage)