Es dauert nur noch wenige Monate, dann arbeitet Elmar Buchner 40 Jahre bei der Linde AG. Als Teenager begann er 1979 seine Ausbildung zum Kupferschmied – und noch immer kommen ihm seine Grundfertigkeiten, die er damals aufbaute, zugute. Durch eine Unachtsamkeit beim Fräsen verlor er in den 80er Jahren den kleinen Finger der rechten Hand. „Nach meinem Unfall hieß es ‚Du hast jetzt erfahren, was passiert, wenn man nicht aufpasst.‘ Und wenn ich jemanden auf sicheres Arbeiten hinweise, hat das durch meine Verletzung eine ganz andere Wirkung“, erzählt er.
Wechselnde Belegschaft
Inzwischen hat der Anlagenbauer verschiedene Fort- und Weiterbildungen besucht und ist unter anderem Schweißfachmann. Auch sein Arbeitgeber hat sich weiterentwickelt – Teilbereiche neu aufgebaut, andere ausgelagert – doch Elmar Buchner blieb. 1987 wurde er zum Sicherheitsbeauftragten bestellt. Und seit 2001 arbeitet er als Facharbeiter im Anlagenbau in der Werkstatt der Engineering-Abteilung im sogenannten Technikum bei der Engineering Division der Linde AG in Pullach. In diesem Gebäudekomplex werden Versuche für die Entwicklung der Anlagen aufgebaut. Das Team besteht derzeit aus vier Facharbeitern – hinzu kommen Wissenschaftler, Ingenieure, Doktoranden und Werkstudenten, die die Versuche im Technikum betreuen. „Da muss man schon ab und zu darauf schauen, dass sicher gearbeitet wird.“ Immer wieder aufs Neue muss der Sicherheitsbeauftragte zum Beispiel die wechselnden Kolleginnen und Kollegen dafür sensibilisieren, Helme zu tragen.
Zeit für Sicherheit
Neben den Sibe-Kursen I und II hat Elmar Buchner auch einen Sicherheitslehrgang besucht und verantwortet mittlerweile unter anderem die Sicherheit der Hebezeuge im Technikum. Er ist zudem bei der Prüfung der Stapler involviert und wenn der TÜV kommt. „Wenn man einmal in der Schublade ‚Sicherheit‘ ist, dann werden einem solche Aufgaben sehr schnell übertragen“, berichtet der Sicherheitsbeauftragte. So kam er beispielsweise auch dazu, an Regalen passenden Anfahrschutz für Stapler und Hubwagen anzubringen. Von Seiten des Arbeitgebers wird ihm die entsprechende Zeit dafür eingeräumt, was er sehr begrüßt.
In der Entwicklung wird mit unterschiedlichen – teils brennbaren – Gasen und mit hohem Druck gearbeitet. Daher ist die Grundvoraussetzung, dass sicherheitsrelevante Fragen bereits vorab geklärt sind, bevor die Testanlagen im Technikum in Betrieb gehen. Für die Anlagensicherheit ist eine eigene Abteilung zuständig. Elmar Buchners Verantwortung beginnt dann beim „normalen“ Arbeitsablauf. Das betrifft unter anderem die korrekte Nutzung der bereitgestellten Persönlichen Schutzausrüstung (PSA). Der Sicherheitsbeauftragte zählt auf: „Wir haben einen eigenen Schrank mit Sicherheitsmaterialien. Dort finden sich unter anderem Überschuhe mit Schutzkappen, Helme und Schutzbrillen.“ Und jeder, der Personen ins Technikum führt, ist angehalten, sie entsprechend auszustatten. Aber auch die Sicherheit bei Arbeiten in Höhen von sechs, acht oder zehn Metern verantwortet er. Wenn in solchen Höhen kein sicherer Stand garantiert ist, wird ein entsprechendes Geschirr zum Sichern eingesetzt.
Kein Arbeitsunfall seit langem
Im gleichen Gebäude wie Elmar Bucher arbeitet noch ein weiterer Sicherheitsbeauftragter, der überwiegend für die Labore zuständig ist. Die beiden klären – wo nötig – gemeinsam Fragestellungen und unterstützen sich kollegial. Zu jedem Versuchsaufbau gibt es ein entsprechendes Sicherheitsblatt und eine Gefährdungsbeurteilung. Als Sicherheitsbeauftragter berät er und kann Gefahren ansprechen – aber hat keine disziplinarische Handhabe oder Weisungsbefugnis. Insgesamt erscheint er aber sehr zufrieden mit der Sicherheit in seinem Bereich – so gab es schon seit vielen tausend Stunden keinen meldepflichtigen Unfall.
Unterstützung vom Top-Management
Von Seiten des Unternehmens, das unter anderem Auftraggeber aus dem Bereich Petrochemie betreut, wird Sicherheit großgeschrieben. Bei Besprechungen steht das Thema immer ganz oben auf der Tagesordnung. Der Sprecher der Geschäftsleitung der Linde Engineering Division, Jürgen Nowicki, informiert auf Betriebsversammlungen persönlich seine Belegschaft über aktuelle Sicherheitsthemen. „Das finde ich sehr positiv“, sagt der Sicherheitsbeauftragte und führt aus: „Wenn man von ganz oben unterstützt wird, hat das Wort in Sachen Sicherheit eine andere Gewichtung.“ Zudem hat er sich über die Jahrzehnte ein „Standing“ in Sachen Sicherheit im Haus aufgebaut. „Das macht mir das Arbeiten eigentlich leicht“, fügt er hinzu.
Auch die „Golden Rules of Safety“ des Unternehmens sind überall präsent – das Thema Arbeitssicherheit zieht sich durch alle Arbeitsbereiche. „Wenn ich zum Beispiel unterwegs bin und beim Autofahren einen Anruf erhalte, nehme ich ihn nicht an“, konkretisiert der Sicherheitsbeauftragte.
Routinierter Blick für Gefahren
Wenn Elmar Buchner bei Arbeitsbeginn durchs Technikum geht und ihm ein nicht ordnungsgemäßer Zustand – wie eine geöffnete Feuerschutztür – auffällt, packt er gleich selbst an. Und wenn im Winter der Zugang zu seinem Gebäude noch nicht geräumt wurde, streut Buchner auch mal schnell oder räumt kurz die Treppe frei, damit seine Kollegen sicher zur Arbeit kommen.
Auch Missstände oder unsicheres Verhalten spricht er direkt an – wenn beispielsweise ein Werkstudent ohne Helm das Technikum betritt. Ebenso macht er Verbesserungsvorschläge, etwa in Bezug auf die Absturzsicherung beim Arbeiten auf Gerüsten. „Das Thema Sicherheit läuft bei meiner Arbeit eigentlich immer mit“, sagt er. Daher kann er auch nicht berechnen, welchen Anteil seiner Arbeitszeit das Thema einnimmt.
Partnerschaftliche Zusammenarbeit
„Auf die Unterstützung der zuständigen Sicherheitsfachkraft kann ich mich verlassen“, sagt Buchner. Für einige Zeit war Elmar Buchner auch Teilnehmer im Arbeitssicherheitsausschuss (ASA). Heute wird versucht, diesen Ausschuss möglichst klein zu halten, aber der Sicherheitsbeauftragte kann Themen einspeisen und erhält alle Protokolle. Das entlastet ihn, da ja nicht alle besprochenen Punkte des ASA für ihn relevant sind. Viel wichtiger ist ihm, an Begehungen im eigenen Bereich teilzunehmen.
Für die Antwort auf die Frage, was ihn als Sicherheitsbeauftragten auszeichnet, muss er nicht lange nachdenken und sagt: „Verantwortungsbewusstsein. Und dass ich nicht mit einem Tunnelblick durch die Firma laufe, sondern mit offenen Augen – quasi mit Weitwinkel. Gleichzeitig ist es wichtig, klare Kante zu zeigen – wobei dies ja immer seltener nötig ist.“
Feuerwehrmann und Familienvater
Wie ein roter Faden zieht sich das Thema „Schutz vor Gefahren“ durch die Biografie des Sicherheitsbeauftragten. So zeigt sich seine Affinität zur Sicherheit auch in seiner Mitarbeit bei der Werksfeuerwehr. Dort setzt er sich unter anderem als Gruppenführer, Atemschutzausbilder, Maschinist und Ersthelfer ein. „Wir bilden landkreisweit Feuerwehrleute von Freiwilligen Feuerwehren aus und nehmen Prüfungen ab – da ist die Firma sehr positiv kooperativ“, freut er sich. Viele seiner Feuerwehr-Kameraden sind genau wie er bei seinem Arbeitgeber im Bereich Arbeitsschutz involviert, so dass er einiges auf dem kurzen Dienstweg erledigen kann.
Ebenfalls in seiner Heimatgemeinde Höhenrain im Landkreis Starnberg engagiert er sich bereits seit über 25 Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr: in der Vorstandschaft, als Gruppenführer und Maschinist. Und wenn sich Elmar Buchner einmal nicht um Familie, Haus, Garten und Feuerwehr kümmert, spielt er Theater, ist ehrenamtlich politisch aktiv oder dreht Filme.
Und auch nach Feierabend bleibt er den Themen Sicherheit und Gesundheit treu. So achtet er nicht nur beim Heimwerken auf Sicherheit, sondern auch darauf, dass er seine Kinder, die inzwischen beide eine handwerkliche Ausbildung absolvieren, entsprechend sensibilisiert. Elmar Buchner ist eben Sicherheitsbeauftragter durch und durch.
Steckbrief
- Elmar Buchner
- 54 Jahre
- Apparatebauer/Facharbeiter im Anlagenbau
- Branche: Anlagenbau
- Sicherheitsbeauftragter seit 1987
Linde Engineering Division
Die Engineering Division der Linde AG ist im internationalen Anlagenbau tätig. Ihr Angebot umfasst den gesamten Prozess von der Planung über Projektmanagement und Procurement bis zur schlüsselfertigen Industrieanlage. Das Unternehmen hat weltweit bereits mehr als 4.000 Anlagen errichtet, darunter petrochemische Anlagen, Luftzerleger, Anlagen zur Erdgasverarbeitung und ‑verflüssigung, Wasserstoff- und Synthesegasanlagen sowie CO2‑, Absorptions- und Membrananlagen.
- Rund 2.000 Beschäftigte am Standort Pullach bei München
- www.linde-engineering.com/de/