In der täglichen Praxis kommt es immer noch zu vielen Arbeitsunfällen mit elektrischem Strom. Das Besondere an diesen Unfällen ist: Sie haben überdurchschnittlich oft einen tödlichen Verlauf. Insbesondere die elektrischen Anlagen auf Bau- und Montagestellen müssen sorgfältig geplant und installiert werden, um schwerwiegende Zwischenfälle zu vermeiden: Wechselnde Witterungseinflüsse, raue Umgebungsbedingungen und hohe mechanische Beanspruchung dürfen nicht zu erhöhten Gefährdungen der Beschäftigten führen.
Der Übergabepunkt
Die Anlage zur elektrischen Energieversorgung einer Bau- oder Montagestelle besteht aus dem Übergabepunkt, Verbindungsleitungen, Verteilern und Anschlusspunkten. Am Übergabepunkt wird die elektrische Energie für die Baustelle zur Verfügung gestellt. Der Netzanschluss und die Messeinrichtung sind dabei in fest verankerten Anschlussschränken oder Anschlussverteilerschränken zu installieren. Daneben ist auch ein Anschluss in trockenen und abschließbaren Räumen oder ortsfesten Schaltschränken zulässig.
Zu beachten ist:
- Die Energie am Übergabepunkt darf noch nicht für Bau- und Montagearbeiten genutzt werden, da in der Regel noch keine wirksamen Schutzeinrichtungen zum Personenschutz vorhanden sind!
- Der direkte Anschluss von elektrischen Verbrauchsmitteln an Steckdosen einer Gebäudeinstallation ist ebenfalls ohne Anwendung eines zusätzlichen Schutzes unzulässig, da der Zustand der vorgelagerten elektrischen Anlage meist nicht beurteilt werden kann: Es ist unklar, ob die erforderlichen Schutzeinrichtungen vorhanden und funktionsfähig sind.
Ortsveränderliche Schutzeinrichtung
Um die Steckdosen einer Gebäudeinstallation dennoch als Anschlusspunkt nutzen zu können, ist ein zusätzlicher Schutz erforderlich. Dieser kann durch eine ortsveränderliche Schutzeinrichtung realisiert werden. Im Sinne der DGUV Information 203–006 sind dies zum Beispiel PRCD‑S. Unter anderem muss die Schutzeinrichtung mit einer Unterspannungsauslösung ausgestattet sein und darf bei Spannungswiederkehr nicht selbstständig wieder einschalten. Zudem muss sie folgende Funktionen aufweisen:
- Die Schutzeinrichtung darf sich nicht einschalten lassen, wenn der Schutzleiter unterbrochen ist oder unter Spannung steht.
- Die Schutzeinrichtung muss abschalten, wenn während des Betriebes Spannung auf dem Schutzleiter auftritt oder der Schutzleiter unterbrochen wird.
- Beim Auftreten von Fremdspannung auf dem Schutzleiter, zum Beispiel durch die angebohrte Leitung eines anderen Stromkreises, darf die Schutzeinrichtung den Schutzleiter nicht abschalten.
Die ortsveränderliche Schutzeinrichtung (PRCD‑S) kann über eine genormte Steckvorrichtung zwischen ein Betriebsmittel und eine Steckdose geschaltet werden oder in Betriebsmitteln, zum Beispiel Leitungsrollern, integriert sein.
- Generell wird beim Einsatz handgeführter elektrischer Verbrauchsmittel empfohlen, Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD) mit einem Bemessungsdifferenzstrom IDN £ 30 mA zu verwenden, da diese Schutzeinrichtungen einen zuverlässigen Personenschutz bieten.
Leitungsroller
Bei den rauen Umgebungsbedingungen auf Bau- und Montagestellen dürfen nur Leitungsroller eingesetzt werden, die den Anforderungen nach Prüfgrundsatz GS-ET-35 entsprechen. Sie müssen dazu folgende Merkmale erfüllen:
- Ausführung in Schutzklasse II, das heißt schutzisoliertes Betriebsmittel mit doppelter oder verstärkter Isolierung,
- Ausrüstung mit Leitungen vom Typ H07RN‑F oder H07BQ‑F,
- Tragegriff, Kurbelgriff und Trommel müssen aus Isolierstoff bestehen oder mit Isolierstoff umhüllt sein, um zu verhindern, dass durch eine beschädigte Leitung eine gefährliche Berührungsspannung an großflächig berührbaren Konstruktionsteilen ansteht,
- Ausrüstung mit einer integrierten Schutzeinrichtung gegen übermäßige Erwärmung, zum Beispiel Thermoschutzschalter,
- Ausrüstung mit Schutzkontakt-Steckvorrichtungen für erschwerte Bedingungen,
- mindestens Schutzart IP 44,
- Eignung für Betrieb im Umgebungstemperaturbereich von –25 °C bis +40 °C
Zu beachten ist:
- Bei Anschluss von Betriebsmitteln mit einer elektrischen Leistung von zusammen mehr als 1.000 W ist der Leitungsroller im abgewickelten Zustand zu benutzen. Leitungsroller müssen in der vorgesehenen Gebrauchslage betrieben werden: aufrecht auf dem Tragegestell stehend.
Mobile Stromerzeuger
Fehlen ortsfeste Übergabepunkte, können mobile Stromerzeuger (ehemalige Bezeichnung Ersatzstromerzeuger) zur netzunabhängigen Stromversorgung von Bau- und Montagestellen diese Funktion übernehmen. Erfahrungsgemäß werden mobile Stromerzeuger häufig unsachgemäß eingesetzt, indem sie ohne zusätzliche Schutzeinrichtungen betrieben werden.
- Die erste Frage sollte deshalb immer lauten: Welche Schutzmaßnahme ist beim Betrieb des mobilen Stromerzeugers erforderlich? Dazu ist es erforderlich, die Bauart des Stromerzeugers zu kennen und dann die erforderlichen Schutzmaßnahmen nach DGUV Information 203–032 auszuwählen. Hier ist es empfehlenswert, auf die Hilfe einer Elektrofachkraft zurückzugreifen.
- Auf zusätzliche Schutzeinrichtungen darf nur dann verzichtet werden, wenn in der Betriebsanleitung ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass der Ersatzstromerzeuger nach dem Prinzip der Schutztrennung arbeitet und nur ein Betriebsmittel angeschlossen wird.
Sichere Leitungen
Als bewegliche Leitungen sind nur mehradrige Leitungen vom Typ H07RN‑F oder H07BQ‑F zu verwenden. In letzterem Fall ist die eingeschränkte thermische Belastbarkeit zu beachten, die ungeeignet für Schweißarbeiten ist. Bei besonders hoher mechanischer Beanspruchung sind Leitungen der Bauart NSSHöu einzusetzen.
An Stellen, an denen die Leitung mechanisch besonders beansprucht werden kann, ist diese geschützt zu verlegen – so zum Beispiel im öffentlichen Verkehrsraum. Dies wird erreicht durch:
- Verlegung im Erdreich
- hochgelegte Verlegung
- Verlegung in einer Kabelbrücke, einem Schutzrohr oder unter einer anderen tragfähigen Abdeckung
Zu beachten ist:
- Durch die Beschädigung einer Leitung kann ein Isolationsfehler auftreten – ein großes Risiko!
Baustromverteiler
Schaltanlagen und Verteiler dürfen auf Baustellen nur betrieben werden, wenn sie mindestens die Schutzart IP 43 aufweisen. Baustromverteiler müssen den Forderungen der VDE 0660–501 entsprechen und mindestens die Schutzart IP 44 aufweisen. Jeder Baustromverteiler muss eine zentrale Einrichtung zum Trennen haben, die während des Betriebes jederzeit frei zugänglich sein muss. Für Stromkreise mit Steckdosen sind folgende Schutzmaßnahmen anzuwenden:
- Stromkreise mit Bemessungsstrom In ≤ AC 32 A sind über Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) mit einem Bemessungsdifferenzstrom IΔn ≤ 30 mA zu betreiben,
- Stromkreise mit Bemessungsstrom In AC 32 A sind über Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) mit einem Bemessungsdifferenzstrom IΔn ≤ 500 mA zu betreiben.
- dabei sind mehrphasige Steckdosenstromkreise (Kraftstrom) bis einschließlich 63 A mit Fehlerstromschutzeinrichtungen vom Typ B zu schützen.
Beim Einsatz von Schutzverteilern, einer Kombination aus einer ortsveränderlichen Schutzeinrichtung und Steckdosen in einem Gehäuse, müssen folgende Anforderungen erfüllt sein:
- Schutzart IP 44
- schutzisoliert (Schutzklasse II), Netzanschlussleitung H07RN‑F oder H07BQ‑F, maximale Länge vor der Schutzeinrichtung zwei Meter
- ausreichende mechanische und thermische Beständigkeit
Als weitere wirksame Schutzmaßnahme ist der Einsatz eines Trenntransformators zum Betrieb eines einzelnen Verbrauchsmittels möglich.
Wiederkehrende Prüfungen
Elektrische Anlagen und Betriebsmittel auf Bau- und Montagestellen müssen regelmäßig auf ordnungsgemäßen Zustand geprüft werden. Nach den Forderungen der Betriebssicherheitsverordnung muss die Prüfung von einer befähigten Person durchgeführt werden. In der TRBS 1203 wird detailliert beschrieben, welche Anforderungen an eine „befähigte Person“ gestellt werden.
- „Elektrotechnisch unterwiesene Personen“ und „Elektrofachkräfte für festgelegte Tätigkeiten“ dürfen entgegen der weit verbreiteten Meinung nicht selbstständig Prüfungen an elektrischen Betriebsmitteln durchführen. Sie dürfen unter Aufsicht einer befähigten Person (Elektrofachkraft) Teil- oder Hilfstätigkeiten bei Prüfungen durchführen. Die Richtigkeit der Prüfung darf nur durch eine befähigte Person dokumentiert werden.
Die Prüffristen sind vom Unternehmer im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln. Folgende Fristen haben sich in der Praxis bewährt:
- Ortsfeste elektrische Anlagen und Betriebsmittel sind jährlich zu prüfen.
- Schutzmaßnahmen mit Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) bei nichtstationären Anlagen sind mindestens einmal im Monat auf Wirksamkeit zu prüfen.
- Zusätzlich muss bei nichtstationären Anlagen arbeitstäglich eine Prüfung der Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen auf einwandfreie Funktion durch Betätigen der Prüfeinrichtung durchgeführt werden. Die Prüfung darf von einem eingewiesenen Benutzer durchgeführt werden und sollte vor Arbeitsbeginn erfolgen.
- Ortsveränderliche elektrische Betriebsmittel auf Bau– und Montagestellen müssen von dem Benutzer vor jeder Benutzung einer Sichtprüfung auf äußerlich erkennbare Schäden und Mängel unterzogen werden.
Für die Prüffrist ortsveränderlicher elektrischer Betriebsmittel gilt ein Richtwert von drei Monaten. Bei besonders hohen Beanspruchungen muss die Frist deutlich verkürzt werden, gegebenenfalls auf wöchentlich oder täglich. Das Ergebnis der Prüfungen ist zu dokumentieren und bis zur nächsten Prüfung aufzubewahren. Es wird empfohlen, die geprüften und als mängelfrei beurteilten Betriebsmittel zu kennzeichnen, zum Beispiel mit einer Prüfplakette oder Banderole.
Autor: Dipl.-Ing. Hans-Joachim Kuhnsch
Leiter des Bereichs elektrische Gefährdung und Strahlung
Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft
Gefährliche Elektrizität
Die Gefährdung, die von der Elektrizität ausgeht, hängt vom Strom ab, der durch den Körper fließt. Seit vielen Jahren beschäftigen sich Wissenschaftler damit, die Wirkungen des elektrischen Stromes auf den menschlichen Körper zu analysieren und Grenzwerte festzulegen. Demnach kann Strom ab einer Stärke von 0,5 mA wahrgenommen werden. Die „Loslassschwelle“ liegt bei einem Wert von circa 10 mA. Netzübliche Wechselströme durch den menschlichen Körper ab 50 mA enden in der Regel tödlich.
Weiterführende Informationen
- Die DGUV Information 203–006 stellt die Anforderungen an elektrische Anlagen und Betriebsmittel auf Bau- und Montagestellen übersichtlich zusammen und enthält die für den Betrieb notwendigen Ergänzungen, um das erforderliche Schutzniveau sicherzustellen. Der Inhalt ist nach dem Energiefluss auf der Baustelle gegliedert, das heißt von der Stromeinspeisung bis hin zum Arbeitsmittel.
- Hinweise zur Organisation, Durchführung, Auswahl des Prüfpersonals und zur Dokumentation der Prüfungen sind in den DGUV Informationen 203–070 (BGI 5090) und 203–071 (BGI 5190) enthalten.