Für die hohe Zahl an Unfällen gibt es mehrere Ursachen. Die Gefahren bei diesen Tätigkeiten werden meist unterschätzt. Die räumliche Enge verbunden mit dem geringen Luftaustausch verstärken Gefahren, die an „normalen“ Arbeitsplätzen“ nicht oder in nur abgeschwächter Form auftreten. Gefahrstoffkonzentrationen, die sich an anderer Stelle „verriechen“, werden hier aufkonzentriert, Sauerstoffmangel, der in der Natur nicht vorkommt, tritt im engen Raum sehr häufig auf – zum Beispiel durch Eindringen von Stickgasen, die sonst durch die natürliche Lüftung zu keiner Gefahr führen. Aber auch die Gefahren durch Strom oder eine explosionsfähige Atmosphäre werden verstärkt.
Potenzierte Gefahren durch die Enge
Dafür ein einfaches Beispiel: Ein Schweißer schweißt in einem engen, circa 1,50 Meter tiefen Schacht mit Schutzgas Argon. Was er nicht bemerkt: Der Argon-Schlauch ist leicht undicht, sodass sich der Schacht langsam teilweise mit Argon füllt. Als er eine Schweißnaht im unteren Bereich des Schachtes schweißen will und sich dazu bückt, wird er sofort bewusstlos.
An einem Arbeitsplatz außerhalb eines engen Raumes hätte diese Undichtigkeit zu keiner Gefahr geführt, es wäre zu keiner Aufkonzentration gekommen. Was das Beispiel auch deutlich macht und immer wieder unterschätzt wird: Wir haben kein Sinnesorgan für Sauerstoffmangel, das heißt, wir bemerken ihn nicht und haben keinerlei Schutzreaktion, wie bei den meisten Gefahrstoffen, die wir in der Regel durch den Geruch wahrnehmen können. Wir machen einfach zwei bis drei Atemzüge und werden ohne jede andere Reaktion bewusstlos. Und dann fallen wir nach unten, wo sich die Stickgase in noch höherer Konzentration befinden!
Rettungsmaßnahmen erschwert
Nicht zuletzt bereitet in vielen Fällen die Rettung einer verletzten Person Probleme. Dazu ein weiteres Beispiel: Steigt eine Person im normalen Arbeitsbereich auf eine Leiter und stürzt, ist das zwar unangenehm, aber die Rettung – sprich ihre Versorgung – bereitet kaum Probleme. Die Rettungskräfte kommen mit dem RTW, kümmern sich um den Patienten, legen ihn auf eine Trage und bringen ihn ohne Mühe in die nächste Klinik. Stürzt aber eine Person in einem Behälter, weil sie ungesichert über eine Leiter oder gar eine Strickleiter einsteigt, ist die Rettung durch die immer noch viel zu kleinen Behälteröffnungen äußerst schwierig und zeitaufwendig. Und bedenken Sie: Die meisten Absturzunfälle ereignen sich in Höhen unterhalb von drei Metern, also in den Bereichen, die üblicherweise bei sehr vielen Behältereinstiegen vorliegen.
Missachtung des Regelwerks
Es gibt aber noch eine andere, ganz wesentliche Ursache für die vielen Befahrunfälle: Das Regelwerk für diese Tätigkeiten wird bei sehr vielen (nach Meinung des Autors bei den meisten) Arbeiten nicht beachtet. Keine staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen Regeln werden so häufig ignoriert, wie die DGUV-Regel 112–004 „Arbeiten in Behältern, Silos und engen Räumen“, ergänzt durch die Technische Regel zur Gefahrstoff-Verordnung TRGS 507 „Oberflächenbehandlung in Räumen“. Hier werden genaue Festlegungen getroffen, wann und unter welchen Bedingungen, sprich bei welchen Schutzmaßnahmen, in engen Räumen gearbeitet werden darf. Und diese detaillierten Forderungen werden immer wieder ignoriert, selbst in Unternehmen, die ansonsten sicherheitstechnisch gut aufgestellt sind! Während zum Beispiel bei den Regeln zum Explosionsschutz auch die kleinsten Details umgesetzt werden, versäumt man beim Befahren die einfachsten Schutzmaßnahmen.
Autor: Dipl.-Ing. Rainer Schubert
Ehemaliger Technischer Aufsichtsbeamter der BG RCI
Ehemaliger Leiter des Sachgebietes
„Behälter, Silos und enge Räume“