Um diese und andere technologische Eigenschaften sicherzuzustellen, sind die Kühlschmierstoffe oft bemerkenswert komplex in ihrer chemischen Zusammensetzung. Besonders die wassermischbaren Kühlschmierstoffe (wm-KSS, Konzentrat), aus denen im Betrieb durch Hinzugabe von Wasser die eigentlichen einsatzfertigen wassergemischten Kühlschmierstoffe (wg-KSS) hergestellt werden, sind hier zu nennen. Neben einer Schmier- und der Kühlkomponente Wasser werden diverse Chemikalien benötigt, um sicherzustellen, dass der wg-KSS über einen längeren Zeitraum stabil bleibt, bzw. dass die bearbeiteten Werkstücke nicht korrodieren. Hier sind zum Beispiel die Emulgatoren zu nennen, die dafür sorgen, dass sich das Gemisch aus Schmierkomponente (zum Beispiel ein Öl) und Kühlkomponente (Wasser) nicht wieder trennt, da Öl und Wasser ohne diese Zusätze nicht oder nur sehr begrenzt mischbar sind.
Metalle neigen aber in Verbindung mit Wasser zur Korrosion, was unter anderem durch basisch wirkende Chemikalien verhindert werden soll. Diese stellen einen pH-Wert (8,5 bis 10) des wg-KSS sicher, was noch durch weitere spezielle Korrosionsinhibitoren unterstützt werden kann. Andere Chemikalien sorgen für eine gute Benetzung, wirken der Schaumbildung entgegen oder schützen vor Alterung. Da es sich um wässrige Systeme handelt, muss selbstverständlich dafür gesorgt werden, dass sich die stets im Wasser vorhandenen Mikroorganismen (Bakterien, Schimmelpilze etc.) nicht ungehindert vermehren können, um technische und auch mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen zu verhindern. Dafür kommen Biozide zum Einsatz, die diese Vermehrung zuverlässig verhindern sollen. Einige davon sind in der Lage, über einen längeren Zeitraum gezielt eine geringe Menge biozides Formaldehyd abzuspalten. Ein wesentlicher Anteil der bioziden Wirkung dieser Formaldehyddepostoffe (FAD) beruht auf der keimabtötenden Wirkung des Formaldehyds.
Da hier nicht auf alle möglichen Inhaltsstoffe der KSS eingegangen werden kann, soll aber an dieser Stelle auf die „VKIS-VSI-IGM-BGHM Stoffliste für Kühlschmierstoffe nach DIN 51385“ hingewiesen werden, die einmal jährlich aktualisiert wird und in der die meisten der relevanten Stoffe aufgeführt sind. Das Studium dieser Schrift (s. Literaturliste), wird an dieser Stelle ausdrücklich empfohlen.
Gesundheitliche Auswirkungen
Viele der Inhaltsstoffe sind als Gefahrstoffe eingestuft und würden als konzentrierte Einzelstoffe die entsprechenden Gefahrstoffsymbole tragen. Einige sind ätzend oder reizend, andere gesundheitsschädlich, wieder andere können sensibilisierend wirken, also möglicherweise Allergien verursachen. Die Hautgefährdung steht dabei eindeutig im Vordergrund, aber auch das Einatmen kann zum Beispiel zu Atemwegsproblemen führen.
Schon allein der basische pH-Wert von bis zu 10 – die menschliche Haut ist in der Regel leicht sauer bei einem pH-Wert von 4,9 bis 5,9 – ist der Gesundheit der Haut alles andere als zuträglich, besonders, wenn der Kühlschmierstoff längere Zeit auf der Haut verbleibt.
Im wassermischbaren Kühlschmierstoff und damit natürlich auch im verdünnten wassergemischten KSS (circa 1:10 bis 1:20) sind die Gefahrstoffe aber so weit verdünnt, dass keine oder nur noch eine recht „harmlose“ Kennzeichnung nach den Regeln zur Kennzeichnung bei Verdünnung nach der EU-CLP-Verordnung erforderlich wäre. Nichtsdestotrotz bilden die Kühlschmierstoffe leider einen Schwerpunkt als Auslöser von Hauterkrankungen, die bevorzugt an den Händen auftreten.
Diese Hauterscheinungen (Ekzeme, Pusteln, Rötungen etc.) manifestieren sich zumeist erst nach jahrelangem ungeschützten Kontakt zum wg-KSS, wobei sich die Wirkungen des alkalischen pH-Wertes und anderer Gefahrstoffe im KSS auswirken und sich sogar verstärken können. Wichtig ist auch zu beachten, dass das Eintrocknen des KSS auf der Arbeitskleidung und auf der Haut natürlich zu einem Aufkonzentrieren der bis dahin stark verdünnten Gefahrstoffe führt, die dann – wenn nicht abgewaschen – eventuell sogar stundenlang auf der Haut „einwirken“ können. Dieses gilt natürlich in besonderem Maße für das Konzentrat.
Bezüglich der inhalativen Gefährdungen kann festgestellt werden, dass die bekannten krebserzeugenden Nitrosamine seit Jahren keine sehr große Rolle mehr spielen. Diese entstehen im ungünstigsten Fall als Ergebnis einer chemischen Reaktion. Die Verwendungsbeschränkung von Kühlschmierstoffen, die kritische Inhaltsstoffe enthalten, regelt schon seit mehr als zweieinhalb Jahrzehnten eine Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS 611), was dazu geführt hat, dass bestimmte Rezepturen in Deutschland keine Bedeutung mehr haben. Nichtsdestotrotz ist die Problematik nicht gänzlich verschwunden (zum Beispiel aufgrund von Einschleppungen), so dass die TRGS weiterhin in Kraft ist und beachtet werden muss. Insbesondere die regelmäßige Überwachung des Nitritgehalts leitet sich daraus ab.
Wie weiter oben beschrieben sind wässrige Systeme stets ein Lebensraum für Mikroorganismen, deren unkontrolliertes Wachstum (umgangssprachlich „Verkeimung“) zu möglichen gesundheitlichen Risiken wie Infektionen oder Atemwegsallergien führen kann. Nach vorliegenden Daten der Unfallversicherungsträger handelt es sich hierbei jedoch bislang weitestgehend um Einzelfälle.
Die in wg-KSS nachgewiesenen Bakterien und Schimmelpilze sind weitverbreitete Mikroorganismen aus der Umwelt (Wasser, Boden, Luft), die auch im außerberuflichen Bereich vorkommen können. Ein intaktes Immunsystem kommt mit diesen Mikroorganismen in der Regel gut zurecht. Beim Vorkommen von sehr hohen Konzentrationen an Mikroorganismen, vor allem über lange Zeiträume oder immer wiederkehrend, bei vorbestehenden Erkrankungen oder einer eingeschränkten Immunabwehr, können mögliche Erkrankungen jedoch nicht ausgeschlossen werden.
Informationen und Gefährdungsbeurteilung
Grundlage für die sichere Verwendung von KSS bildet das Wissen um die Risiken. In der Gefährdungsbeurteilung angewandt, führt dieses zur Ableitung von Schutzmaßnahmen. Der Arbeitgeber hat sich dafür die notwendigen Informationen zu beschaffen.
Zu beachten sind neben der Gefahrstoffverordnung und den ergänzenden technischen Regeln für Gefahrstoffe auch das Regelwerk der DGUV. Mit der DGUV Regel 109–003 „Tätigkeiten mit Kühlschmierstoffen“ steht außerdem eine Informationsquelle zur Verfügung, die den Arbeitgeber in die Lage versetzt, eine Gefährdungsbeurteilung vor dem Hintergrund des dort beschriebenen Standes der Technik durchzuführen und die entsprechenden Schutzmaßnahmen abzuleiten. Besonders in den Anhängen finden sich viele praxisbezogene Handlungshilfen. Auch sind in dieser DGUV Regel Expositions-Begrenzungswerte als Konzentrationen von Kühlschmierstoffen in der Luft definiert, an denen sich die Umsetzung vor dem Hintergrund des Standes der Technik bewerten lässt. Ergänzt wird diese DGUV Regel von der DGUV Information 209–051 „Keimbelastung wassergemischter Kühlschmierstoffe“. Diese und weitere Handlungshilfen sind auf der Internet-Seite des Themenfeldes „Kühlschmierstoffe, Gefahrstoffe in der Metallbranche“ der DGUV zu finden.
Natürlich ist es auch zwingend notwendig – wie immer bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen – die aktuellsten Sicherheitsdatenblätter der eingesetzten Kühlschmierstoffe vorzuhalten und die darin enthaltenden Informationen in der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen.
Schutzmaßnahmen
Bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen gilt das S‑T-O-P-Prinzip. Es gibt die Rangfolge der Schutzmaßnahmen vor. Zunächst muss geprüft werden, ob eine Substitution durchgeführt werden kann. Dies beinhaltet nicht nur, dass geprüft wird, ob der Gefahrstoff gegen einen ungefährlicheren ausgetauscht werden kann, es muss auch das Verfahren hinterfragt werden. Gibt es eventuell ein anderes Verfahren, das ohne Gefahrstoff auskommt? Oder mit weniger? Oder mit einem harmloseren? Im zweiten Fall sollte man beispielsweise über die Minimalmengenschmierung nachdenken. Auch hierzu gibt es eine DGUV Information 209–024.
Wird ein wg-Kühlschmierstoff eingesetzt, ist dieser regelmäßig fachkundig auf bestimmte Parameter (Konzentration, pH-Wert, Nitrit-Gehalt, wahrnehmbare Veränderungen) zu prüfen, wie in der DGUV Regel 109–003 beschrieben. Die Einhaltung der vorgegebenen Parameter und die Pflege des KSS sind Grundvoraussetzungen, damit der KSS nicht zu einem technischen oder gesundheitlichen Problem wird.
Bezüglich der technischen Maßnahmen stehen beispielsweise Kapselung und Absaugung zur Verfügung, die die Beschäftigten vor Spritzern, Aerosolen und Dämpfen schützen. Bei abgesaugten, gekapselten Maschinen sollte darauf geachtet werden, dass die Maschine nicht sofort nach der Beendigung des Bearbeitungsprozesses geöffnet wird, so dass die vorhandenen Dämpfe und Aerosole von der Absaugung noch aus dem Bearbeitungsraum entfernt werden können. Da sich gezeigt hat, dass KSS-Dämpfe von den oft eingesetzten Abscheidern (unter anderem elektrostatisch, filternd, Massenkraft) nicht wirksam abgeschieden werden, ist anzustreben, die Abluft als Fortluft ins Freie abzuleiten.
Vor diesem Hintergrund wird auch klar, warum das Abblasen mit Druckluft im Arbeitsraum ohne weitere Maßnahmen zu unterlassen ist. Werden nur wenige Milliliter abgeblasen und daraus ein Aerosol/Dampf-Gemisch erzeugt, gelangen unter Umständen mehrere 100 mg KSS in die Luft des Arbeitsraumes. Vor dem Hintergrund eines Beurteilungsmaßstabes von 10 mg/m3 wg-KSS (DGUV Regel 109–003) führt ein solches Verhalten unter Umständen zu einer Überschreitung des jeweiligen Grenzwertes.
Dieser Artikel hat zum Ziel, einen allgemeinen Überblick zu geben, durch eine gezielte Auswahl an Beispielen aus der Praxis zu sensibilisieren und zu einer weitergehenden Beschäftigung mit dem Thema Kühlschmierstoffe aufzufordern. Für weitere Schutzmaßnahmen, die der geforderten Umsetzung des Standes der Technik Rechnung tragen, wird es notwendig sein, unter anderem die schon erwähnten Quellen heranzuziehen. So wird sichergestellt, dass die Gefährdungsbeurteilung „KSS“ alle Gefährdungen berücksichtigt und die Risiken minimiert werden.
Weitere Informationen und Literatur
- DGUV Informationen und Regeln: www.bghm.de, Webcode 598
- VKIS-VSI-IGM-BGHM Stoffliste für Kühlschmierstoffe nach DIN 51385 (VKIS: Verbraucherkreis Industrieschmierstoffe; VSI: Verband der Schmierstoffindustrie e. V.; IGM: Industriegewerkschaft Metall; BGHM: Berufsgenossenschaft Holz und Metall):
- Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung,
Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 - Internet-Seite des Themenfeldes „Kühlschmierstoffe, Gefahrstoffe in der Metallbranche“ der DGUV: www.dguv.de, Webcode d545029