Zur Erinnerung: am 23. Februar hatten wir in Italien die ersten beiden europäischen Todesfälle und am 11. März wurde die bisherige Epidemie zur Pandemie hochgestuft. Während ich vom 9. bis 11. März noch bei Kunden war und dort gearbeitet hatte, war ab 12. März alles anders, meine Termine wurden gecancelt. Am 13. März appellierte Bundeskanzlerin Angela Merkel an die Bürger, „alle nicht notwendigen Veranstaltungen abzusagen und auf Sozialkontakte zu verzichten“. An diesem Dienstag, den 17. März war ich also im Home-Office am Arbeiten.
Der Anfang — „Risikoberechnung Baustelle“
Nun wurde online die im Vorspann erwähnte Frage gestellt, und nach der Mittagspause war ein kleines Excel-Blatt entstanden: „Risikoberechnung Baustelle“.
Die Resonanz in der Community war gut und eigentlich dachte ich auch, das war es dann. Die Idee war ja, einem Kollegen einen nur Denkanstoß zu geben, wie eine Lösung aussehen könnte. An diesem Tag wurde vom RKI die Gefährdungslage auf „insgesamt hoch“ und „vereinzelt sehr hoch“ eingestuft. Am 18. März, nach einigen kleinen Änderungen, war das Excel Tool in der Version 1.0 im Umlauf.
Nun beschleunigten sich allerdings die Vorgänge, am 19. März meldete Italien mehr Todesopfer als bis dahin in China. Spätestens an diesem Punkt wurde klar, dass es sich um ein ernsthaftes Problem handelte. In allen Foren, sozialen Netzwerken, privaten Kontakten wurde fieberhaft nach Informationen und Lösungen gesucht.
In einem Forum wurde am 2. März ein Thread gestartet, um Informationen auszutauschen: „SARS CoV‑2 Austauschforum“. Während zu einem Thread normalerweise zwischen vier bis zwölf Kommentare zu finden sind, waren hier bis Anfang Juni mit mehr als 160 Beiträgen rekordverdächtige Dimensionen zu verzeichnen. In diesem Umfeld also wurde auch das kleine Excel-Tool als Antwort auf die eine oder andere Frage losgelassen. Das Tool bekam einen Namen („PandEx“) und ich als Autor erhielt viele Anregungen und Wünsche, denen ich versuchte Rechnung zu tragen. Die Nachfrage war groß und die Verbreitung entsprechend auch.
Acht Versionen waren im Umlauf
Insgesamt wurden nach und nach acht Versionen in Umlauf gesetzt. Dabei wurden, entsprechend den sich ändernden Umständen, auch die Inhalte des PandEx Tools angepasst. Dazu zählten das Kontaktverbot am 23. März und die Veröffentlichung des BMAS-Arbeitsschutzstandards am 16. April. Das PandEx Tool war mittlerweile auch mit Einstufung/Analyse zur Biostoffverordnung und einer Seite zu Gesundheitsrisiken gewachsen.
In der ganzen Zeit standen die Kollegen der Arbeitssicherheit und aus anderen Bereichen der betrieblichen Organisation unter ständiger medialer Überflutung mit Meldungen und einer Unmenge an Grafiken und Diagrammen. Nur beklagten sich im privaten Kontakt die gleichen Kollegen über den Mangel an „handfesten Informationen“.
Konkret einen Pfad zu finden, der in dieser Situation als angemessen bewertet werden konnte, erwies sich als extrem schwierig. Zwar gab es eine große Anzahl von Zahlenmaterial, jedoch konnte aus diesem nicht eine konkrete Handlung für den betreuten Betrieb abgeleitet werden. Zusätzlich wurden Maßnahmen in den Medien unterschiedlich bewertet, was zu Diskussionen in den Betrieben führte. In dieser Situation hätte ein Tool wie PandEx viel zur Lösung beitragen können. Dazu jedoch später mehr, zunächst: Was ist PandEx und wozu kann man es verwenden.
Das Tool PandEx
PandEx ist ein Tool zur numerischen Beurteilung von Risiken, hier vor allem denen der SARS-CoV2 Pandemie, so auch der Name, der aus Pan(demie) und Ex(cel) entstand. Das Tool ist lizenzfrei und war/ist als Hilfe und Denkanstoß gedacht.
Es wurde nach und nach in mehr als 100 Firmen eingesetzt. Als Plattform diente MS-Excel, da sie leicht verfügbar ist und eine breite Akzeptanz vorausgesetzt werden kann. Andere Umsetzungen wären natürlich genauso möglich. Aus Gründen der Transparenz wurden in dem Tool keine Makros verwendet. Alle Funktionen wurden mit Standard Funktionen des Programms realisiert. Das war allerdings in einigen Fällen nur mit etwas Anstrengung möglich. Die Funktionen des Tools basieren auf einer „Hands on“ Ausrichtung, das heißt, sie sind auch alle aus der Praxis und basierend auf echten Meldungen von Anwendern entstanden.
PandEx war und ist auch kein Produkt der Firma, für die ich zurzeit arbeite. Diese ist nicht in die Entwicklung eingebunden gewesen. Als einer der Anwender hat die Firmen-Gruppe aber in den einzelnen Firmen wesentliche Anstöße zur Entwicklung gegeben.
Die Hauptfunktionen des PandEx-Tools sind:
- Standort-Beurteilung (der Standort des Unternehmens, zum Beispiel für Produktionsbetriebe oder für ein Büro, bzw. der Standort des Kunden bei einem Service-Einsatz) der spezifische Risikolevel
- Mitarbeiter-Beurteilung (eine einfache Beurteilung und Zuordnung zu Risikogruppen – bei gleichzeitiger Wahrung der DSGVo) der individuelle Risikolevel
- SARS-CoV2 Arbeitsstandard (eine einfache Beurteilung der Umsetzung und des Umsetzungsgrades des Arbeitsschutzstandards) der Arbeitsschutzstandard–Risikolevel
- Einsatz-Beurteilung (hier werden die Informationen zusammengefasst und nur hier in diesem Bereich findet sich auch eine vergleichende Einstufung um einen Einsatz zu begründen/zu rechtfertigen) der Einsatz–Risikolevel.
- 7‑Tages-Inzidenz Berechnung (vor allem für Einsätze im Ausland) berechnet aus den Eckwerten den gewünschten Wert und vergleicht den berechneten Wert mit Grenzwerten.
Das Tool PandEx …
… kann von der Homepage www.pandex.disslin.de nach einer einfachen Registrierung kostenlos heruntergeladen werden. Auf Wunsch werden Interessierte auch (noch) in eine Mailingliste aufgenommen, die über Neuerungen und neue Versionen sowie über Anwenderfragen informiert. Über diese Homepage können sie auch Fragen und Anregungen stellen. Aktuell erfolgt die Übersetzung in die englische Sprache.
Zusätzlich gibt es noch eine Reihe von Hilfsfunktionen, zum Beispiel um die maximale Anzahl von Personen in einem Besprechungszimmer festzulegen, und eine große Anzahl von Anpassungsmöglichkeiten und Möglichkeiten eine gewisse Individualisierung zu erreichen.
Die Beurteilung gliedern sich immer in einen Bereich, der das aktuelle Risiko darstellt und in dem einige Fragen durch Auswahllisten beantwortet und mit einer Risikozahl bewertet werden, und in einen Lösungsansatzbereich mit Maßnahmen, die ebenso mit einer Kennzahl bewertet werden, zur Reduzierung des Risiko.
Es verbleibt ein Risikolevel, das als Maßstab für die Einstufung verwendet werden kann. Das Verfahren wird dem einen oder anderen bekannt vorkommen. Es wird in anderen Bereichen der Risikobewertung ähnlich verwendet. Wenn alle Werte im Formular bearbeitet wurden, kann das Ergebnis als Ausdruck oder PDF-Dokument zum Nachweis der Bewertung verwendet werden.
Klares Risiko-Maßnahmen-Bild
Das ist auch schon ein großer Vorteil gegenüber den „Checklisten“ die zurzeit im Umlauf sind. Die Anpassungen an den Verlauf der Pandemie sind genauso nachzuweisen, wie die Verbesserungen bei den Maßnahmen. Den Kunden gegenüber wird ein klares Bild von Risiken und Maßnahmen dargestellt und es wird ihm die Entscheidung erleichtert zum Beispiel einem Service-Einsatz zuzustimmen. Der Mitarbeiter sieht, wie sein Risikolevel in der Produktion ist. Außerdem hat eine Person, die zu einer bekannten Risikogruppe gehört, nicht nur den Nachweis, wie hoch der individuelle Risikolevel ist, sondern auch, weshalb er vom normalen Niveau abweicht und: Es können auch hier Maßnahmen festgelegt werden; in dieser Funktion also ein gutes Werkzeug auch für den Betriebsarzt.
Das Tool wird nun in der Version 5.02 auch eingesetzt, um Einsätze im Ausland – auch in den USA – zu bewerten. Diese Bewertung ist sicher eine gewisse Herausforderung. Auch entwickelt sich das kleine Tool immer noch; der neueste Teil dient zur Einschätzung von Reisen zum Einsatzort.
Keine Lösung für alle Fragen
Das Tool ist aber natürlich keine Lösung für alle Fragen. Es dient nur dazu, das Wesen des Risikos sichtbar zu machen. Weder ist es möglich auf einen Risikolevel von „0“ zu kommen, da wir nun alle ein gewisses Lebensrisiko tragen müssen, noch ist die Risikopunktezahl beim Maximum begrenzt. Wenn aus bestimmten Gründen der Risikolevel über den maximalen Level hinaus steigt, dann sind die Bewertungen nicht mehr gültig. Das kann zwar aktuell nach meiner Einschätzung nicht passieren, es muss aber die Möglichkeit geben.
Wir bewegen uns alle in einem Raum, in dem Risiken oder, wenn man will, auch Chancen mit einem bestimmten Maß an Wahrscheinlichkeit vorkommen. Leider neigen wir als Menschen dazu, Risiken falsch zu bewerten. Das Tool ist ein kleines Hilfsmittel, das lediglich eine verbesserte Bewertung eines Zustands ermöglichen soll.
Die vorgeschlagenen Szenarien und Lösungsansätze geben Vorschläge, die für viele Anwender direkt zu verwenden sind. Für alle anderen besteht die Möglichkeit, selber eine Bewertung zu bilden und auch die Maßnahmen und deren Einstufung zu besetzen.
Das Tool ist auch eine Einladung sich mit dem Wesen des Risikos zu beschäftigen. Mit Chancen, Wagnis und Wahrscheinlichkeit, mit bedingten und isolierten Konditionen und Abhängigkeiten. Ja, ich gebe zu, dass ich mich gerne in dieser Welt bewege und ich tue es schon viele Jahre.
Ich möchte aber auch betonen, dass man in diesem Raum der Bezüge kaum an ein Ende einer Lernphase gelangen wird. Trotzdem kann man nach einigem Üben schon sehr gute Ergebnisse erzielen – auch das zeigt das kleine Tool.
Das Projekt ist immer noch ein rein privates, und es wird auch immer noch kostenlos zur Verfügung gestellt. Das gilt zumindest noch bis zum 31. Dezember 2020. Wie dann die weitere Entwicklung laufen wird, das wird sich zeigen. Während ich am Anfang des kleinen Tools nur eine kurze Zeitspanne dafür plante, wird sich das Tool wohl noch eine ganze Zeit als nützlich erweisen.
Autor: Dipl.-Ing. (FH) Günter Dißlin
beschäftigt sich auch im Beruf mit Risikoabschätzungen, Wahrscheinlichkeiten und der Suche nach der besten Lösung für das Problem (seit mehr als 20 Jahren).
Das Tool PandEx …
… kann von der Homepage www.pandex.disslin.de nach einer einfachen Registrierung kostenlos heruntergeladen werden. Auf Wunsch werden Interessierte auch (noch) in eine Mailingliste aufgenommen, die über Neuerungen und neue Versionen sowie über Anwenderfragen informiert. Über diese Homepage können sie auch Fragen und Anregungen stellen. Aktuell erfolgt die Übersetzung in die englische Sprache.