Als die REACH-Verordnung am 1. Juni 2007 in Kraft trat, war klar, dass mit der letzten Registrierungsfrist, die am 31. Mai 2018 abläuft, viele Unternehmen in der Chemiebranche sehr hart arbeiten müssen, um die REACH-Registrierungspflicht zu erfüllen. Zum Dezember 2010 mussten die Stoffe mit einem Herstellungs- beziehungsweise Importvolumen von über 1000 t/a als auch die Stoffe mit bestimmten gefährlichen Eigenschaften, wie zum Beispiel krebserzeugenden oder mutagenen, registriert werden. Zum Juni 2013 mussten wiederum alle Stoffe mit einem Volumen von über 100 t/a registriert werden. Jetzt besteht die Herausforderung, dass noch alle Stoffe mit einem Volumen zwischen 1 – 100 t/a registriert werden müssen.
Gerade bei der letzten Registrierungspflicht gibt es Hinweise darauf, dass sich Lieferanten für manche Stoffe eine Registrierung aus Kostengründen sparen und sie stattdessen aus dem Sortiment streichen. Dann könnten Verwender Probleme bekommen, sich Chemikalien zu beschaffen, die sie für ihre Produktion benötigen. Erst kürzlich hat die ECHA (Europäische Chemikalienagentur) neue Zahlen veröffentlicht, die zeigen, dass die Anzahl der bis jetzt eingereichten Registrierungen deutlich unter der erwarteten Anzahl liegt (s. Tabelle 1). Vielleicht liegt es daran, dass die Schätzungen auf Informationen aus den Jahren 2003/2004 beruhen.
Zudem erwartet die ECHA, dass die meisten Registrierungen kurz vor Ablauf der Frist eingereicht werden, so wie es bei den vergangenen beiden Fristen war. Es besteht also (noch) kein Grund zur Panik. Jedenfalls sollten Unternehmen ihre Entscheidungen, ob sie registrieren werden oder nicht, frühzeitig in der Lieferkette kommunizieren.
Vieles ist schon vorhanden
Ein positiver Aspekt ist schon vor Ablauf der letzten Registrierungsfrist zu beobachten: Die eingereichten Daten werden von der ECHA veröffentlicht und sind für alle Interessierten zugänglich. Diese Datenbank enthält Einträge zu 17.667 Stoffen und Informationen von 67.765 Dossiers (Stand: 9. Februar 2018). Auch zur Einstufung und Kennzeichnung stehen zusätzliche Stoffdaten über ein Inventar zur Verfügung. Unternehmen sind somit nicht mehr auf die Informationen der Lieferanten angewiesen und können sich ein Bild über die Eigenschaften und Risiken der für eigene Zwecke vorgesehenen Stoffe machen, beispielsweise wenn sie eine Gefährdungsbeurteilungen oder Sicherheitsdatenblätter erstellen.
Vom „R“ zum „E“
Mit dem Ablauf der Frist ist lediglich der Registrierungsprozess abgeschlossen. Anschließend wird sich der Fokus von der Registrierung hin zur Kommunikation von Sicherheitsinformationen in der Lieferkette sowie zur Entwicklung von Maßnahmen des Risikomanagements verlagern. Dabei ist das „E“ in der REACH-Abkürzung hervorzuheben. Es steht für die Evaluation, also die Bewertung der Dossiers und der Stoffe. Bei der Dossierbewertung prüft die ECHA die Qualität, also die Compliance, der eingegangenen Registrierungsdossiers.
Laut REACH müssen mindestens fünf Prozent aller eingegangenen Dossiers diese Prüfung durchlaufen. Hierbei steht
im Vordergrund, ob der Registrant alle Anforderungen von REACH erfüllt hat. Ausgewählt werden die Dossiers vorrangig, wenn der Verdacht besteht, dass von diesem Stoff ein Risiko ausgehen könnte, oder sehr große Datenlücken entdeckt werden. Falls über die Prüf- und Informationspflichten hinaus begründete Risikovermutungen für Mensch und Umwelt bestehen, ist eine Stoffbewertung vorgesehen. Diese wird von den Mitgliedsstaaten durchgeführt, die zwölf Monate Zeit haben, die möglichen Risiken zu klären.
Im Zuge dieser Bewertungsaktivitäten fordern die ECHA oder der bewertende Mitgliedsstaat immer wieder die Unternehmen dazu auf, ihr Dossier anzupassen und die Qualität der Informationen zu verbessern. Schließlich sollen die Informationen aus den vielen Registrierungsdossiers dazu beitragen, dass die Behörden besonders besorgniserregende Stoffe (SVHC – substances of very high concern) identifizieren und das Risikomanagement unter REACH forciert wird. Registranten sollten sich auch bewusst sein, dass entsprechende SVHC-Informationspflichten in der Lieferkette bestehen.
SVHC Roadmap 2020
Besonders wenn Stoffe in den REACH-Anhängen XIV (Zulassungspflicht) oder XVII (Beschränkungen) aufgeführt sind, hat das Konsequenzen. Dann kann es zum Beispiel sein, dass Zulassungsanträge für bestimmte Verwendungen gestellt oder aber Substitute entwickelt werden müssen, wenn der Stoff für eine spezifische Verwendung verboten ist. Das kann nicht nur Hersteller und Importeure betreffen, sondern die gesamte Lieferkette und damit insbesondere den nachgeschalteten Anwender sowie die Hersteller und Importeure von Erzeugnissen. Um die Identifizierung und das Risikomanagement besonders besorgniserregender Stoffe transparenter zu gestalten und auch die Industrieerfahrungen einbinden zu können, wurde die „SVHC Roadmap 2020“ entwickelt. Kernpunkt in dieser Roadmap ist die RMOA, eine Analyse der möglichen Risikomanagement-Optionen. In dieser werden mögliche regulatorische Maßnahmen für einen SVHC verglichen und die Regulierung ermittelt, die sich am besten eignet. Diese Analyse wird in Fachgremien mit der ECHA und der Europäischen Kommission besprochen und die Erkenntnisse ausgetauscht. Im Rahmen der RMOA-Erstellung haben die deutschen Behörden ein nationales Konsultationsverfahren angestoßen. Es ermöglicht der Industrie, zu bestimmten Fragestellungen Informationen zur Verfügung zu stellen und in einem Gespräch ihre Position zu erläutern. Dieses Konsultationsverfahren hat bereits in einigen Fällen zu sehr guten Ergebnissen geführt, da die Maßnahmen des Risikomanagements auf einer robusten und transparenten Datenbasis und
der Zusammenarbeit zwischen Behörden und Industrieunternehmen entwickelt wurden.
Arbeitsschutzniveau steigt
Auch im Zulassungsverfahren haben Industrie und Behörden positive Effekte erkannt. So betreffen die bisher eingereichten Zulassungsanträge hauptsächlich den Arbeitsschutz. Das bedeutet, dass die derzeit zulassungspflichtigen Stoffe vorwiegend ein Risiko für Beschäftigte darstellen, die mit ihnen arbeiten. Obwohl das Verfahren für die Industrie und die Behörden sehr aufwändig ist, funktioniert es: Viele Unternehmen haben SVHC bereits durch weniger bedenkliche oder unbedenkliche Stoffe ersetzt oder haben in ihrem Antrag angegeben, dass die Substitution innerhalb der kommenden Jahre erfolgen wird.
Zudem stellen Antragsteller immer wieder fest, dass der Arbeitsschutz noch weiter verbessert werden kann. Darüber hinaus fördert das Verfahren den freien Verkehr von Waren im Binnenmarkt und die Innovation. So hat sich beispielsweise der Chemiekonzern BASF zum Ziel gesetzt, möglichst alle zulassungspflichtigen SVHC zu ersetzen.
Trotz all dieser Entwicklungen und Aktivitäten, die die Behörden, die ECHA und die Europäische Kommission in den vergangenen zehn Jahren initiiert haben, besteht die Befürchtung, dass vielen Unternehmen immer noch nicht bewusst ist, dass REACH dieses Jahr nicht zu Ende ist. Darüber zu informieren gehört zu den Aufgaben der nationalen Auskunftsstelle in Deutschland, dem Helpdesk, der auch nach dem 31. Mai 2018 aktiv bleiben wird.
Der Vollzug beginnt …
Letztlich ist eine Verordnung auch immer nur so gut, wie sie vollzogen und umgesetzt wird. Um den Vollzug so weit wie möglich innerhalb der Mitgliedsstaaten in der EU zu harmonisieren, wurde in der ECHA das FORUM eingerichtet. In diesem Netzwerk der Vollzugsbehörden der 28 Mitgliedsstaaten werden die Vollzugsaktivitäten in spezifischen Projekten koordiniert und, so weit wie möglich, harmonisiert. Die Projekte mit der Abkürzung REF (REACH-EN-FORCE) beziehen sich auf bestimmte Regelungsbereiche (Beispiel siehe Kasten S. 31). In den vergangenen zehn Jahren wurden in den REF 1 – 6 Projekten einige Kernelemente der REACH-Verordnung als auch der CLP (Classification, Labelling and Packaging)-Verordnung adressiert, unter anderem hinsichtlich Registrierung, Sicherheitsdatenblätter und der Erzeugnisregeln.
Somit ist der Vollzug auch eine Aktivität, die nach dem 31. Mai 2018 relevant für die Unternehmen sein wird, und es wird auch immer Unternehmen geben, die die Anforderungen der Verordnung nicht erfüllen. Wenn Firmen entdeckt werden, in denen Inspektoren entsprechende Verstöße feststellen, werden diese wieder in Ordnung gebracht werden. Möglicherweise geschieht dies in den verschiedenen Mitgliedstaaten auf unterschiedlichen Wegen, wie durch Verbote, Ratschläge oder Anhörungen, aber das Ergebnis ist dasselbe: die Anforderungen sind zu erfüllen!
Zum Schluss … wird weitergemacht
Zusammenfassend wird REACH nach dem 31. Mai 2018 auf mehreren Ebenen fortgeführt:
- Zum einen werden die Bewertungsaktivitäten intensiviert werden. Das bedeutet, dass die Firmen aufgerufen werden, ihre Dossiers auf den neuesten Stand zu halten, damit die Datenqualität besser wird und damit auch für adäquate und angemessene Maßnahmen des Risikomanagements verwendet werden können.
- Zum anderen sollten sich Unternehmen auf weitergehende Zulassungen und Beschränkungen vorbereiten. Zudem sollte sie sich in die Konsultationsverfahren bei der Identifizierung von Risikostoffen auf nationaler Ebene in Deutschland als auch bei der ECHA aktiv beteiligen. Dabei ist es sehr wichtig, ihre Dossiers auf den neuesten Stand zu halten, insbesondere was die Verwendungen und die Exposition betrifft.
Häufig erhält der Helpdesk Hinweise, dass aufgrund von Personalwechsel die Zugangsdaten zu den Registrierungsdossiers verloren gegangen sind. Wir empfehlen daher, dass sich Unternehmen darum bemühen sollten, dieses Wissen aufrechtzuerhalten, denn REACH geht auch nach 2018 weiter! Und weiterhin können Unternehmen auch den Helpdesk anrufen beziehungsweise per Mail befragen.
Zudem hält der Helpdesk die wesentlichen Informationen zu Themen wie Registrierung, Zulassung, Beschränkung und Kommunikation in der Lieferkette in seinem Internetangebot bereit:
www.reach-clp-biozid-helpdesk.de
Autorin:
Dr. Suzanne Wiandt
leitet bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) im Fachbereich 5 „Bundesstelle für Chemikalien“ die Gruppe „REACH Helpdesk, Chemikalienprüfung“.
Verantwortlich ist sie weiterhin für den nationalen Helpdesk zu REACH‑, und auch zur CLP- und Biozid-Verordnung in Deutschland.
E‑Mail: wiandt.suzanne@baua.bund.de
Wie erreichen Sie das Helpdesk?
Internet: www.reach-clp-biozid-helpdesk.de
Twitter: https://twitter.com/BfC_Helpdesk
Telefonisch nimmt das Helpdesk gerne Fragen von Montag bis Freitag
zwischen 8:00 und 13:00 Uhr entgegen:
Tel. 0231 9071–2971 (Informationszentrum der BAuA)
Fax 0231 9071–2679
Schriftlichen Anfragen richten Sie bitte an die E‑Mail-Adresse:
reach-clp-biozid@baua.bund.de
Oder per Post an:
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
Fachbereich 5 „Bundesstelle für Chemikalien“
Friedrich-Henkel-Weg 1–25
44149 Dortmund
Die Zielvorgabe der Beantwortungszeit beträgt zwei Wochen. Sehr komplexe Anfragen müssen aber auf EU-Level oder im Behördennetzwerk abgestimmt werden, was entsprechend längere Bearbeitungszeit beansprucht.
REACH-EN-FORCE‑6 (REF‑6)
Dieses Projekt adressiert die Einstufung und Kennzeichnung von Gemischen, einschließlich der Überprüfung der entsprechenden Teile der Sicherheitsdatenblätter.
Das Projekt enthält auch Module, die es den nationalen Vollzugsbehörden erlaubt, noch weitere CLP-Verpflichtungen zu überprüfen. Dies betrifft Verpflichtungen bezüglich der Meldung in das Einstufungs- und Kennzeichnungsinventar, der Anwendung der harmonisierten Einstufung und Kennzeichnung als auch der Kennzeichnungs- und Verpackungsausnahmeregelungen sowie der neuen Regelungen für die Verpackung von flüssigen Waschmittelkapseln.
Der Umfang des REF‑6 Projekts wurde aufgrund von Vorschlägen der Mitgliedsstaaten, akkreditierten Interessensvertretungen, der Europäischen Kommission und der ECHA entwickelt. Das Projekt wurde 2017 vorbereitet und Inspektionen werden 2018 stattfinden. Die Veröffentlichung des Berichts wird Ende 2019 erwartet.