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Ist der (Lasten-)Aufzug noch sicher?

Überwachungsbedürftige Anlagen
Ist der (Lasten-)Aufzug noch sicher?

Ist der (Lasten-)Aufzug noch sicher?
Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind gut beraten, (Lasten-)Aufzüge in ihrem Betrieb genauer unter die Lupe zu nehmen. Foto: © TÜV SÜD
Jed­er Arbeit­ge­ber weiß, dass mit dem Betrieb von Aufzü­gen beson­dere Sorgfalt­spflicht­en ver­bun­den sind. Die im Juni 2015 über­ar­beit­ete Fas­sung der Betrieb­ssicher­heitsverord­nung warf jedoch Fra­gen dies­bezüglich auf: Müssen die Anla­gen nachgerüstet wer­den, damit sie dem aktuellen Stand der Tech­nik entsprechen? Manche Mark­t­teil­nehmer und Ver­bände behaupten das und ver­schweigen, dass es vor allem darauf ankommt, dass die Aufzüge sich­er ver­wen­det wer­den kön­nen. Eine Nachrüs­tung ist dafür nicht zwangsläu­fig nötig.

Nach wie vor ist es das Ziel der Betrieb­ssicher­heitsverord­nung (Betr­SichV), „die Sicher­heit und den Schutz der Gesund­heit von Beschäftigten bei der Ver­wen­dung von Arbeitsmit­teln zu gewährleisten.“

Dies bet­rifft auch die vie­len (Lasten-)Aufzüge, die in Werk­shallen, Kranken­häusern oder Büro­ge­bäu­den die Beschäftigten bei den vielfälti­gen Trans­portauf­gaben unter­stützen. Diese sehen meist nicht mehr als die Schacht­türen von außen und die Kabine von innen. Wie kann also bei dieser „Black Box“ fest­gestellt wer­den, ob das Schutzziel, die „sichere Ver­wen­dung“, auch tat­säch­lich erre­icht wird?

Wie in anderen sicher­heit­srel­e­van­ten Bere­ichen (zum Beispiel per­sön­liche Schutzaus­rüs­tung) ist zunächst eine Gefährdungs­beurteilung beziehungsweise Sicher­heit­s­analyse nötig. Sie dient dazu, die Anlage im konkreten Einzelfall zu unter­suchen, die von ihr aus­ge­hen­den Gefährdun­gen zu iden­ti­fizieren und das Sicher­heit­sniveau zu bew­erten. Doch dieser Aspekt kommt in den aktuellen Debat­ten häu­fig zu kurz. In Gremien und auf Kon­gressen disku­tieren die Teil­nehmer meist über den aktuellen „Stand der Tech­nik“. Beiträge in Fachzeitschriften rück­en diesen Aspekt eben­falls oft in den Fokus.

Aus alt mach neu?

Doch ein Aufzug aus den 1960er Jahren (damals Stand der Tech­nik) kann die Sicher­heit­san­forderun­gen nicht erfüllen, die an einen neuen Aufzug gestellt wer­den (heute Stand der Tech­nik, siehe Kas­ten oben). Doch fol­gt daraus nun zwangsläu­fig, dass der Aufzug stillge­set­zt oder aus­ge­tauscht wer­den muss? Und was ist mit einem mod­er­nen Aufzug, der erst seit etwa fünf Jahren in Betrieb ist? Muss dieser zwangsläu­fig nachgerüstet wer­den, damit er dem aktuellen Stand der Tech­nik entspricht? Die Antwort lautet „nein“, denn es kommt auf das Ergeb­nis der Gefährdungs­beurteilung beziehungsweise Sicher­heit­s­analyse im konkreten Einzelfall an.

Ein Beispiel: Bis 1972 waren für Trieb­w­erk­sräume Raumhöhen von 1,80 Meter aus­re­ichend. Das ist heute bei einem neu instal­lierten Aufzug nicht mehr akzept­abel. Die Raumhöhe bei älteren Anla­gen anzu­passen, wäre indes mit umfan­gre­ichen Bau­maß­nah­men ver­bun­den, die nicht ver­hält­nis­mäßig sind. Stattdessen kann es aus­re­ichen, durch Schilder auf die Gefährdun­gen hinzuweisen, die aus der niedri­gen Deck­en­höhe resultieren.

Diese Maß­nahme ist jedoch nicht immer anwend­bar, wie ein weit­eres Beispiel eines alten Las­te­naufzug (Bau­jahr vor 2000) zeigt. Damals durften die Anla­gen noch ohne Fahrko­rbtür gebaut und in Betrieb genom­men wer­den. Daraus resul­tieren in vie­len Fällen hohe Gefährdun­gen (Quetschen und Scheren an der offe­nen Fahrko­rb­seite) für mit­fahrende Per­so­n­en, ins­beson­dere dann, wenn gle­ichzeit­ig Las­ten trans­portiert wer­den. Schilder sind in diesem Fall nicht aus­re­ichend, um auf die beson­deren Gefährdun­gen hinzuweisen. Deshalb muss nachträglich eine Fahrko­rbtür instal­liert oder ggf. auf andere tech­nis­che Maß­nah­men (zum Beispiel ein „Lichtvorhang“) zurück­ge­grif­f­en werden.

Wer beurteilt das Sicherheitsniveau?

Die Her­aus­forderung für Arbeit­ge­ber liegt also darin, zu klären und zu doku­men­tieren, ob der Aufzug sich­er ver­wen­det wer­den kann oder Hand­lungs­be­darf beste­ht. Da in den wenig­sten Unternehmen Mitar­beit­er beschäftigt sind, die sämtliche Betrieb­ssi­t­u­a­tio­nen, bautech­nis­chen Merk­male, tech­nis­chen Eigen­schaften und Sicher­heits­funk­tio­nen des Aufzugs bew­erten, die Gefahren iden­ti­fizieren und geeignete Sicher­heits­maß­nah­men entwick­eln kön­nen, empfehlen die Sachver­ständi­gen von TÜV Süd, sich im Zweifels­fall an eine zuge­lassene Überwachungsstelle (ZÜS) zu wen­den. So erfahren Arbeit­ge­ber von neu­traler Stelle, ob über­haupt Hand­lungs­be­darf beste­ht und wie eine vorhan­dene Gefährdung einzustufen ist und welche Art von Maß­nahme erforder­lich beziehungsweise sin­nvoll ist.

Denn wer­den ver­schiedene, alter­na­tive Maß­nah­men erwogen, muss die Entschei­dung auch das TOP-Prinzip berück­sichti­gen: Zunächst sind tech­nis­che Maß­nah­men in Betra­cht zu ziehen. Erst wenn sich her­ausstellt, dass diese nicht ver­hält­nis­mäßig oder prak­tik­a­bel sind, kann auf organ­isatorische und zu aller­let­zt auf per­so­n­en­be­zo­gene Schutz­maß­nah­men zurück­ge­grif­f­en wer­den. Grund­sät­zlich ist der Arbeit­ge­ber oder die ihm gle­ichgestellte Per­son dafür ver­ant­wortlich, adäquate Maß­nah­men zu entwick­eln, umzuset­zen und so Gefährdun­gen auf ein akzept­a­bles Maß zu reduzieren. Wenn die ZÜS bei wiederkehren­den Prü­fun­gen fest­stellt, dass die Anlage nicht bis
zur näch­sten wiederkehren­den Prü­fung sich­er ver­wen­det wer­den kann, wird der Sachver­ständi­ge den Man­gel in der Prüf­bescheini­gung ver­merken. Die dann erforder­lichen und umge­set­zten Maß­nah­men wer­den seit­ens der ZÜS auch auf Eig­nung und Wirk­samkeit geprüft.

Verantwortung beim Arbeitgeber

Darüber hin­aus wird vielfach ange­merkt, dass die aktuelle Betr­SichV den Arbeit­ge­bern mehr Ver­ant­wor­tung überträgt und höhere Haf­tungsrisiken birgt. Doch grund­sät­zlich stellt die Forderung zur sicheren Ver­wen­dung von Arbeitsmit­teln keine Änderung dar. Neu ist lediglich, dass die ZÜS dem Aspekt der sicheren Ver­wen­dung nach dem Stand der Tech­nik mehr Aufmerk­samkeit ver­lei­hen müssen und ins­beson­dere durchge­führte Maß­nah­men auf Eig­nung und Wirk­samkeit prüfen müssen. Das ist sin­nvoll und notwendig, denn noch immer wer­den bun­desweit viele Aufzüge mit erhe­blichen Sicher­heitsmän­geln betrieben. Das zeigen die aktuellen Män­gel­sta­tis­tiken der Zuge­lasse­nen Überwachungsstellen, die der Ver­band der TÜV e.V. (VdTÜV) im diesjähri­gen Anla­gen­sicher­heit­sre­port veröf­fentlicht hat.

Fachkräfte für Arbeitssicher­heit sind also gut berat­en, die instal­lierten (Lasten-)Aufzüge in den Betrieben und Unternehmen genauer unter die Lupe zu nehmen. Einen ersten wichti­gen Hin­weis liefert die „Prüf­plakette“, die eben­falls von der aktuellen Betr­SichV vorgeschrieben wird und die let­zte Durch­führung der wiederkehren­den Prü­fung doku­men­tiert. Ist das länger als zwölf Monate her oder fehlt die Plakette sog­ar ganz, beste­ht Hand­lungs­be­darf – denn dann fährt bei jedem Trans­port ein Sicher­heit­srisiko mit.


Weitere Informationen

  • Erste Hin­weise und Infor­ma­tio­nen enthält der „Leit­faden zur sicheren Ver­wen­dung von Per­so­n­en- und Las­te­naufzü­gen nach dem Stand der Tech­nik“ vom Ver­band der TÜV e.V. (VdTÜV). Der Leit­faden und weit­ere Infor­ma­tio­nen zur Betr­SichV ist erhältlich unter
    www.tuev-sued.de/‧betriebssicherheit
  • Einen Beschluss des Erfahrungsaus­tauschkreis­es der Zuge­lasse­nen Überwachungsstellen (EK ZÜS) vom 26. April 2017 zum Arbeits­ge­bi­et Aufzugsan­la­gen kann auf der Home­page des VdTÜV herun­terge­laden wer­den unter ww.vdtuev.de The­men Anla­gen­sicher­heit Erfahrungsaus­tausch zuge­lassen­er Überwachungsstellen (ZÜS) EK ZÜS-Beschlüsse BA – Aufzugsanlagen
    Darin wer­den Schutz­maß­nah­men zur sicheren Ver­wen­dung von Aufzugsan­la­gen nach dem Stand der Tech­nik bewertet.

Wissenswertes zum Stand der Technik

Vom Tele­fon über das schnur­lose Tele­fon über das Mobil­tele­fon zum Smart­phone – der Stand der Tech­nik kann sich in kurzen Zeiträu­men ras­ant entwick­eln. Auch bei Aufzü­gen gab es in den ver­gan­genen Jahrzehn­ten enorme Fortschritte in der Sicher­heit­stech­nik, sodass die Aufzüge bis heute zu den sich­er­sten Verkehrsmit­teln der Welt zählen.

Der Stand der Tech­nik hat eine her­aus­ra­gende Bedeu­tung, wenn im europäis­chen Wirtschaft­sraum neue Aufzüge in Verkehr gebracht wer­den. Damit sie sich­er sind, ist es zwin­gend erforder­lich, dass sie dem aktuellen Stand der Tech­nik entsprechen. So fordert es das Pro­duk­t­sicher­heits­ge­setz, das in Deutsch­land durch zuge­hörige Verord­nun­gen die europäis­che Richtlin­ie über die all­ge­meine Pro­duk­t­sicher­heit in nationales Recht umsetzt.

Definiert ist der Stand der Tech­nik hin­sichtlich der Pro­duk­tbeschaf­fen­heit jew­eils in den aktuell­sten Ver­sio­nen von inter­na­tion­al har­mon­isierten Nor­men, tech­nis­chen Regel­w­erken und Richtlin­ien. Sie wer­den von diversen Nor­mungs­ge­sellschaften veröf­fentlicht und unter Mitar­beit aller Branchen­teil­nehmer über­ar­beit­et, abges­timmt und regelmäßig aktualisiert.

Für neue Aufzüge sind ins­beson­dere die bei­den Nor­men DIN EN 81–20 und DIN EN 81–50 entschei­dend. Ein neuer Aufzug kann in Europa nur in Betrieb genom­men wer­den, wenn er die Anforderun­gen dieser bei­den Nor­men und das darin beschriebene Schutzniveau erfüllt. Über­prüft wird das von einem „Noti­fied Body“, der die Ein­hal­tung der Beschaf­fen­heit­san­forderun­gen prüft (Inverkehrbrin­gen), und ein­er Zuge­lasse­nen Überwachungsstelle (ZÜS), die eine Prü­fung vor Inbe­trieb­nahme durch­führt. Damit wird sichergestellt, dass der Aufzug auch die betrieblichen Anforderun­gen erfüllt, die jew­eils nation­al geregelt sind.Bei Aufzü­gen, die schon einige Zeit in Betrieb sind, kön­nen diese Nor­men nicht rück­wirk­end angewen­det wer­den. Denn zum dama­li­gen Zeit­punkt des Inverkehrbrin­gens entsprachen sie bere­its dem damals gülti­gen und anerkan­nten Stand der Tech­nik. Daraus kann allerd­ings nicht abgeleit­et wer­den, dass keine weit­eren Maß­nah­men erforder­lich sind. Heute wird erwartet, dass jed­er Aufzug sich­er ver­wen­det wer­den kann. Das heißt: Die Anlage muss bezüglich der vorhan­de­nen Gefährdun­gen genau unter­sucht wer­den (Gefährdungs­beurteilung / Sicher­heit­s­analyse). Bei Defiziten muss dann für Abhil­fe gesorgt wer­den – auch dann, wenn der Betrieb­sstun­den­zäh­ler des „Old­timers“ schon einige Jahrzehnte anzeigt.


Dieter Roas

Leit­er Geschäfts­feld Fördertechnik,

TÜV Süd Indus­trie Service

Dieter.Roas@tuev-sued.de
www.tuev-sued.de/is

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