Ein Pilot darf fristlos kündigen, wenn sein Arbeitgeber ihm nahelegt, es mit den gesetzlichen Ruhezeiten nicht so genau zu nehmen. In einem solchen Fall hat er das Arbeitsverhältnis nicht aus einem „von ihm zu vertretenden Grund“ beendet. Der Arbeitgeber kann dann Ausbildungskosten aufgrund einer Klausel, die ein solches Vertretenmüssen vorsieht, nicht zurückfordern. Das hat das Landesarbeitsgericht Köln entschieden.
Rückzahlung von Fortbildungskosten und Entgeltansprüche nach Kündigung
Die Parteien stritten um die Rückzahlung von Fortbildungskosten und um Entgeltansprüche aus einem Arbeitsverhältnis, das aufgrund einer fristlosen Kündigung des Klägers sein Ende gefunden hat. Der Kläger ist Flugzeugführer und wechselte 2016 zur beklagten Fluggesellschaft. Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses verfügte er noch nicht über die Lizenz für den dort eingesetzten Flugzeugtyp. Die Parteien schlossen deshalb zusätzlich zum Arbeitsvertrag einen Ausbildungsvertrag, wonach der Pilot die für den Flugzeugtyp notwendige Schulung erhalten sollte. Die Kosten von mehr als 30.000 Euro übernahm der Arbeitgeber. Im Gegenzug verpflichtete sich der Pilot, ein Jahr ab Vertragsbeginn für die Fluggesellschaft tätig zu sein. In einer Rückzahlungsklausel wurde vereinbart, dass er die Ausbildungskosten zurückzahlen muss, wenn er das Arbeitsverhältnis aus von ihm zu vertretenden Gründen vorzeitig beendet.
Ruhezeit ist Sicherheitsvorschrift zum Schutz
Im März 2017 war der Kläger für einen Einsatz in Paris eingeplant. Dafür reiste er am Vortag mit dem Zug an. Weil es zu Verspätungen kam, war abzusehen, dass die vorgeschriebene Ruhezeit von zehn Stunden nicht mehr hätte gewährleistet werden können. Auf der Fahrt zum Flughafen rief der Pilot deswegen seinen Arbeitgeber an. Dieser soll ihn aufgefordert haben, die Einhaltung der Ruhezeit zu missachten. Gut eine Woche später kündigte der Pilot sein Arbeitsverhältnis fristlos. Der Arbeitgeber forderte daraufhin knapp 24.000 Euro Ausbildungskosten von ihm zurück. Zudem behielt er das letzte Gehalt des Mannes ein.
Das Landesarbeitsgericht hielt die Kündigung des Piloten für gerechtfertigt. Die Ruhezeit sei kein persönliches Vorrecht und Besitzstand des Flugpersonals. Vielmehr handele es sich um eine Sicherheitsvorschrift zum Schutz von Arbeitnehmern, Kunden und der Allgemeinheit. Die Vorschrift diene nicht nur dem technischen Arbeitsschutz zur Bewahrung von Leben und Gesundheit der betroffenen Arbeitnehmer, sondern gleichermaßen der Vorbeugung zur Verhinderung von Stör- und Katastrophenfällen.
Verstoß gegen fundamentale Sicherheitsvorkehrungen
Einem Piloten, der feststellen müsse, dass sein Arbeitgeber die fundamentalsten Sicherheitsvorkehrungen nicht ernst nimmt, sei die weitere Tätigkeit für das Unternehmen nicht zumutbar – auch nicht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Das Arbeitsverhältnis sei daher vom Kläger nicht aus „von ihm zu vertretenden Gründen“ beendet worden. Damit muss der Pilot auch die Ausbildungskosten nicht zurückzahlen. Zudem sah das Gericht die zugrunde liegende Klausel im Ausbildungsvertrag bereits als unwirksam an.
Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 04.04.2019, Az. 6 Sa 444/18