Der Fall: Die Arbeitgeberin erbringt an mehreren Standorten deutschlandweit Kurier- und Expressdienste. Dort arbeiten neben circa 1.300 bei ihr angestellten Arbeitnehmern etwa 2.500 Beschäftigte anderer Unternehmen, im Wesentlichen als Kurierfahrer und im Hallendienst (sog. Fremdpersonal). Mit diesen Unternehmen hat die Arbeitgeberin Servicepartnerverträge geschlossen.
Auf dem Betriebsgelände einer Niederlassung kam es zu zwei Arbeitsunfällen von Arbeitnehmern eines Servicepartnerunternehmens. Die betroffenen Beschäftigten arbeiteten in der Halle und nutzten Betriebsmittel der Arbeitgeberin. Beim Beladen von Paletten mit einem Handhubwagen rutschte das Überladeblech weg; ein Arbeitnehmer geriet dadurch in den entstehenden Spalt zwischen Halle und Transporter und schlug sich das Schienbein auf; ein anderer zog sich einen Muskelfaserriss zu.
Nachdem der Betriebsrat die Arbeitgeberin aufgefordert hatte, ihm die entsprechenden Unfallanzeigen vorzulegen, lehnte dies die Arbeitgeberin ab. Sie teilte mit, dass sie die Unfälle nicht angezeigt habe, hierfür unfallversicherungsrechtlich nicht zuständig sei und ihr Servicepartnerunternehmen solche Anzeigen nicht zur Verfügung stelle. Der Betriebsrat zog daraufhin vor das Arbeitsgericht und beantragte sinngemäß,
- die Vorlage von Kopien der konkreten, an die Berufsgenossenschaft gerichteten Unfallanzeigen,
- die Unterrichtung über jeden Arbeitsunfall von Fremdpersonal auf dem Betriebsgelände der Arbeitgeberin, und zwar unter Angabe mindestens des Namens des betroffenen Arbeitnehmers und der Servicepartnerfirma, bei der er beschäftigt ist, und deren Anschrift, des Datums und der Uhrzeit des Unfalls, des genauen Orts des Unfalls auf dem Betriebsgelände, des Unfallhergangs, der gegebenenfalls erlittenen Verletzungen und gegebenenfalls des Eintritts von Arbeitsunfähigkeit und der Namen von Unfallzeugen sowie die Vorlage aller zum Unfall gegebenenfalls erstellten Unterlagen und
- die Vorlage jeder zukünftigen (originalen) Arbeitsunfallanzeige unter Beteiligung von Fremdpersonal vor deren Erstattung zur Überprüfung, Kenntnisnahme und Mitunterzeichnung durch den Betriebsrat.
Die Arbeitgeberin beantragte, die Anträge abzuweisen. Bei Arbeitsunfällen von Mitarbeitern eines Servicepartnerunternehmens sei sie weder verpflichtet, eine Unfallanzeige zu erstatten, noch sich diese in Kopie vom anzeigepflichtigen Unternehmen zu beschaffen. Ebenso bestehe der geltend gemachte Unterrichtungsanspruch nicht. Das Arbeitsgericht Stuttgart wies die Anträge des Betriebsrats in der ersten Instanz zurück und auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg gab dem Arbeitgeber Recht. Daraufhin legte der Betriebsrat Beschwerde beim Bundesarbeitsgericht ein.
Die Entscheidung des BAG
Das Bundesarbeitsgericht hält die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats für teilweise begründet. Zurückgewiesen hat es jedoch die Ansprüche zu 1. und 3.
Die Verpflichtung zur Aushändigung von Unfallanzeigen beziehe sich nicht auf solche, welche die Arbeitgeberin nicht selbst erstellt. Daher müsse die Arbeitgeberin keine Kopien jener Unfallanzeigen der Servicepartnerunternehmen zur Verfügung stellen. Auch ein Anspruch auf Vorlage oder gar Mitzeichnung von zukünftigen Arbeitsunfallanzeigen von Drittunternehmen bestehe nicht, da nicht die Arbeitgeberin, sondern jene Unternehmen Arbeitsunfälle von Fremdpersonal anzeigen. Hingegen besteht nach Ansicht der Richter ein Anspruch des Betriebsrats darauf, über Arbeitsunfälle von Fremdpersonal unterrichtet zu werden. Dies ergebe sich aus dem allgemeinen Anspruch des Betriebsrats auf Informationen zur Wahrnehmung seiner Aufgaben. Dieser Anspruch sei jedoch auf bestimmte Daten begrenzt. Im Einzelnen sei zu prüfen, welche Informationen der Betriebsrat zur Wahrnehmung seiner Aufgaben im Einzelfall für erforderlich halten darf. Das seien solche Informationen, die Erkenntnisse für die Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes auf dem Betriebsgelände insbesondere für die eigene Belegschaft versprechen. Hierzu reichten jedoch das Datum und die Uhrzeit des Unfalls, der Unfallort und dessen Hergangs sowie die erlittenen Verletzungen. Diese Informationen könnten bereits hinreichend Aufschluss über technische, organisatorische oder verhaltensbedingte Unfallursachen geben. Der Unterrichtungsanspruch erstrecke sich allerdings nicht auf die vom Betriebsrat darüber hinaus beanspruchten personenbezogenen Daten wie den Namen des betroffenen Arbeitnehmers, seinen Arbeitgeber sowie dessen Anschrift und den Eintritt von Arbeitsunfähigkeit sowie Namen von möglichen Unfallzeugen.
Praxishinweis
Der Einsatz sogenannten „Fremdpersonals“, also von Arbeitnehmern eines anderen Arbeitgebers auf dem eigenen Betriebsgelände, hat in der Praxis erhebliche Bedeutung. Die vorliegende Entscheidung bestätigt den Anspruch des Betriebsrates, auch bei Unfällen von Fremdpersonal informiert zu werden. Sie grenzt diesen Informationsanspruch aber gleichzeitig auf diejenigen Informationen ein,
- die zur Beurteilung der Gefährdungslage und
- zur Verhütung zukünftiger Arbeitsunfälle auch für das eigene Personal erforderlich sind.
Der Betriebsrat soll also nur die Informationen bekommen, die für seine Arbeit tatsächlich notwendig sind. Arbeitgeber und Betriebsrat sind daher gehalten, genau zu prüfen, welche Informationen aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht zur Verhütung von künftigen Unfällen nötig sind.