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Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats über Arbeitsunfälle von Fremdpersonal?

Urteil des Bundesarbeitsgerichts
Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats über Arbeitsunfälle von Fremdpersonal?

Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats über Arbeitsunfälle von Fremdpersonal?
Eine BAG-Entscheidung bestätigt den Anspruch des Betriebsrates, auch bei Unfällen von Fremdpersonal informiert zu werden. Dieser Informationsanspruch soll helfen, zukünftige Arbeitsunfälle zu verhüten. Foto: © alfa27 – stock.adobe.com
Matthias Klagge
Der Betrieb­srat kann vom Arbeit­ge­ber ver­lan­gen, über Arbeit­sun­fälle unter­richtet zu wer­den, welche Beschäftigte eines anderen Unternehmens (Fremd­per­son­al) im Zusam­men­hang mit der Nutzung der betrieblichen Infra­struk­tur des Arbeit­ge­bers erlei­den – allerd­ings nur in Gren­zen. Dies entsch­ied zulet­zt das Bun­de­sar­beits­gericht (BAG) in seinem Beschluss vom 12. März 2019 (Az. 1 ABR 48/17).

Der Fall: Die Arbeit­ge­berin erbringt an mehreren Stan­dorten deutsch­landweit Kuri­er- und Express­di­en­ste. Dort arbeit­en neben cir­ca 1.300 bei ihr angestell­ten Arbeit­nehmern etwa 2.500 Beschäftigte ander­er Unternehmen, im Wesentlichen als Kuri­er­fahrer und im Hal­len­di­enst (sog. Fremd­per­son­al). Mit diesen Unternehmen hat die Arbeit­ge­berin Ser­vi­cepart­nerverträge geschlossen.

Auf dem Betrieb­s­gelände ein­er Nieder­las­sung kam es zu zwei Arbeit­sun­fällen von Arbeit­nehmern eines Ser­vi­cepart­nerun­ternehmens. Die betrof­fe­nen Beschäftigten arbeit­eten in der Halle und nutzten Betrieb­smit­tel der Arbeit­ge­berin. Beim Beladen von Palet­ten mit einem Hand­hub­wa­gen rutschte das Über­lade­blech weg; ein Arbeit­nehmer geri­et dadurch in den entste­hen­den Spalt zwis­chen Halle und Trans­porter und schlug sich das Schien­bein auf; ein ander­er zog sich einen Muskelfaser­riss zu.

Nach­dem der Betrieb­srat die Arbeit­ge­berin aufge­fordert hat­te, ihm die entsprechen­den Unfal­lanzeigen vorzule­gen, lehnte dies die Arbeit­ge­berin ab. Sie teilte mit, dass sie die Unfälle nicht angezeigt habe, hier­für unfal­lver­sicherungsrechtlich nicht zuständig sei und ihr Ser­vi­cepart­nerun­ternehmen solche Anzeigen nicht zur Ver­fü­gung stelle. Der Betrieb­srat zog daraufhin vor das Arbeits­gericht und beantragte sinngemäß,

  1. die Vor­lage von Kopi­en der konkreten, an die Beruf­sgenossen­schaft gerichteten Unfallanzeigen,
  2. die Unter­rich­tung über jeden Arbeit­sun­fall von Fremd­per­son­al auf dem Betrieb­s­gelände der Arbeit­ge­berin, und zwar unter Angabe min­destens des Namens des betrof­fe­nen Arbeit­nehmers und der Ser­vi­cepart­ner­fir­ma, bei der er beschäftigt ist, und deren Anschrift, des Datums und der Uhrzeit des Unfalls, des genauen Orts des Unfalls auf dem Betrieb­s­gelände, des Unfall­her­gangs, der gegebe­nen­falls erlit­te­nen Ver­let­zun­gen und gegebe­nen­falls des Ein­tritts von Arbeit­sun­fähigkeit und der Namen von Unfal­lzeu­gen sowie die Vor­lage aller zum Unfall gegebe­nen­falls erstell­ten Unter­la­gen und
  3. die Vor­lage jed­er zukün­fti­gen (orig­i­nalen) Arbeit­sun­fal­lanzeige unter Beteili­gung von Fremd­per­son­al vor deren Erstat­tung zur Über­prü­fung, Ken­nt­nis­nahme und Mitun­terze­ich­nung durch den Betriebsrat.

Die Arbeit­ge­berin beantragte, die Anträge abzuweisen. Bei Arbeit­sun­fällen von Mitar­beit­ern eines Ser­vi­cepart­nerun­ternehmens sei sie wed­er verpflichtet, eine Unfal­lanzeige zu erstat­ten, noch sich diese in Kopie vom anzeigepflichti­gen Unternehmen zu beschaf­fen. Eben­so beste­he der gel­tend gemachte Unter­rich­tungsanspruch nicht. Das Arbeits­gericht Stuttgart wies die Anträge des Betrieb­srats in der ersten Instanz zurück und auch das Lan­desar­beits­gericht (LAG) Baden-Würt­tem­berg gab dem Arbeit­ge­ber Recht. Daraufhin legte der Betrieb­srat Beschw­erde beim Bun­de­sar­beits­gericht ein.

Die Entscheidung des BAG

Das Bun­de­sar­beits­gericht hält die Rechts­beschw­erde des Betrieb­srats für teil­weise begrün­det. Zurück­gewiesen hat es jedoch die Ansprüche zu 1. und 3.

Die Verpflich­tung zur Aushändi­gung von Unfal­lanzeigen beziehe sich nicht auf solche, welche die Arbeit­ge­berin nicht selb­st erstellt. Daher müsse die Arbeit­ge­berin keine Kopi­en jen­er Unfal­lanzeigen der Ser­vi­cepart­nerun­ternehmen zur Ver­fü­gung stellen. Auch ein Anspruch auf Vor­lage oder gar Mitze­ich­nung von zukün­fti­gen Arbeit­sun­fal­lanzeigen von Drit­tun­ternehmen beste­he nicht, da nicht die Arbeit­ge­berin, son­dern jene Unternehmen Arbeit­sun­fälle von Fremd­per­son­al anzeigen. Hinge­gen beste­ht nach Ansicht der Richter ein Anspruch des Betrieb­srats darauf, über Arbeit­sun­fälle von Fremd­per­son­al unter­richtet zu wer­den. Dies ergebe sich aus dem all­ge­meinen Anspruch des Betrieb­srats auf Infor­ma­tio­nen zur Wahrnehmung sein­er Auf­gaben. Dieser Anspruch sei jedoch auf bes­timmte Dat­en begren­zt. Im Einzel­nen sei zu prüfen, welche Infor­ma­tio­nen der Betrieb­srat zur Wahrnehmung sein­er Auf­gaben im Einzelfall für erforder­lich hal­ten darf. Das seien solche Infor­ma­tio­nen, die Erken­nt­nisse für die Verbesserung der Sicher­heit und des Gesund­heitss­chutzes auf dem Betrieb­s­gelände ins­beson­dere für die eigene Belegschaft ver­sprechen. Hierzu reicht­en jedoch das Datum und die Uhrzeit des Unfalls, der Unfal­lort und dessen Her­gangs sowie die erlit­te­nen Ver­let­zun­gen. Diese Infor­ma­tio­nen kön­nten bere­its hin­re­ichend Auf­schluss über tech­nis­che, organ­isatorische oder ver­hal­tens­be­d­ingte Unfal­lur­sachen geben. Der Unter­rich­tungsanspruch erstrecke sich allerd­ings nicht auf die vom Betrieb­srat darüber hin­aus beansprucht­en per­so­n­en­be­zo­ge­nen Dat­en wie den Namen des betrof­fe­nen Arbeit­nehmers, seinen Arbeit­ge­ber sowie dessen Anschrift und den Ein­tritt von Arbeit­sun­fähigkeit sowie Namen von möglichen Unfallzeugen.

Praxishinweis

Der Ein­satz soge­nan­nten „Fremd­per­son­als“, also von Arbeit­nehmern eines anderen Arbeit­ge­bers auf dem eige­nen Betrieb­s­gelände, hat in der Prax­is erhe­bliche Bedeu­tung. Die vor­liegende Entschei­dung bestätigt den Anspruch des Betrieb­srates, auch bei Unfällen von Fremd­per­son­al informiert zu wer­den. Sie gren­zt diesen Infor­ma­tion­sanspruch aber gle­ichzeit­ig auf diejeni­gen Infor­ma­tio­nen ein,

  • die zur Beurteilung der Gefährdungslage und
  • zur Ver­hü­tung zukün­ftiger Arbeit­sun­fälle auch für das eigene Per­son­al erforder­lich sind.

Der Betrieb­srat soll also nur die Infor­ma­tio­nen bekom­men, die für seine Arbeit tat­säch­lich notwendig sind. Arbeit­ge­ber und Betrieb­srat sind daher gehal­ten, genau zu prüfen, welche Infor­ma­tio­nen aus arbeitss­chutzrechtlich­er Sicht zur Ver­hü­tung von kün­fti­gen Unfällen nötig sind.

 
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