Die Arbeitgeberin und der örtlicher Betriebsrat streiten über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung für die Regelung von „Aufgaben und Einsatzzeiten der Fachkraft für Arbeitssicherheit und des Betriebsarztes nach DGUV-V2“ bzw. die Einsetzung einer Einigungsstelle hierzu.
Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs und unterhält in Hamburg und Schleswig-Holstein mehrere Betriebshöfe. In ihren jeweiligen Betrieben sind verschiedene örtliche Betriebsräte und es gibt einen Gesamtbetriebsrat. Die Betriebshöfe sind miteinander verzahnt. Es gibt einen gemeinsamen Fahrzeugpool. Insbesondere beim Fahrplanwechsel werden Busse des einen Betriebs in anderen Betrieben eingesetzt. Die Hauptuntersuchung der Busse findet in der Werkstatt eines Betriebshofs statt, während die Wartungen in der Werkstatt eines anderen Betriebs erfolgen. Die Busse sind unternehmenseinheitlich ausgestattet und es gibt einen gemeinsamen Werkstattleiter. An den Wende- und Parkplätzen befinden sich Sanitäranlagen, die von Arbeitnehmern verschiedener Betriebshöfe genutzt werden. Wegen kurzfristiger Bedarfe kommt es regelmäßig dazu, dass Werkstattarbeitnehmer wechselseitig in verschiedenen Betriebshöfen eingesetzt werden. Es gibt zudem einen überbetrieblichen Dienst, dessen Betriebsärztin für sämtliche Betriebe der Arbeitgeberin zuständig ist. Der Gesamtbetriebsrat der Arbeitgeberin hat dem Einsatz des überbetrieblichen Dienstes ausdrücklich zugestimmt. Deren Aufgaben und Einsatzzeiten sind dem Gesamtbetriebsrat bekannt.
Örtliche Zuständigkeit?
Im Juni 2019 beschloss der örtliche Betriebsrat des Betriebshofs S., die Arbeitgeberin zu Verhandlungen über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zu den Aufgaben und Einsatzzeiten der Fachkraft für Arbeitssicherheit und des Betriebsarztes aufzufordern. Dies lehnte die Arbeitgeberin im Juli 2019 ab und verwies darauf, dass hierfür der Gesamtbetriebsrat zuständig sei. Der örtliche Betriebsrat S. beantragte daraufhin beim Arbeitsgericht Elmshorn, eine Einigungsstelle einzusetzen, die nach den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes die Einigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber ersetzen sollte.
Für die Einsetzung einer Einigungsstelle reicht es nach den arbeitsgerichtlichen Vorschriften aus, dass der antragstellende Betriebsrat nicht offensichtlich unzuständig ist. Der Betriebsrat begründete seinen Antrag damit, dass für eine Vielzahl von Arbeitnehmern auf „seinem“ Betriebshof Arbeitsplätze eingerichtet sind, an denen diese auch tätig seien. Die Regelungen der DGUV Vorschrift 2 seien betriebsbezogen ausgestaltet. An den bisherigen Regelungen zum Einsatz der Fachkraft für Arbeitssicherheit und des Betriebsarztes sei er nicht beteiligt worden. Hierfür sei jedoch der örtliche Betriebsrat zuständig und nicht der Gesamtbetriebsrat. Daher sei der Abschluss einer Betriebsvereinbarung notwendig.
Die Arbeitgeberin hielt allerdings dagegen. Nach ihrem Verständnis sei für die Bestimmung nach der DGUV Vorschrift 2 zwingend der Gesamtbetriebsrat zuständig. Dies folge daraus, dass in ihrem Unternehmen Betriebsmittel, wie zum Beispiel Busse oder Toiletten, betriebsübergreifend genutzt und zahlreiche Arbeitnehmer aus verschiedenen Abteilungen und vor allem die Busfahrer betriebsübergreifend eingesetzt würden. Der Arbeitsplatz eines Busfahrers liege außerhalb des jeweiligen Einzelbetriebs und befinde sich im Bus, der je nach Linie andere Wege nehme. Die Fahrerkabinen müssten einheitlichen Standards genügen. Auch die Werkstätten arbeiteten nach den gleichen unternehmenseinheitlichen Vorschriften, um einen einheitlichen Sicherheitsstandard zu gewährleisten. Es sei mit immensen Folgen und Gefahren verbunden, wenn unterschiedliche Maßstäbe hinsichtlich der Prüf- und Überwachungsaufgaben durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit und die Betriebsärzte in den jeweiligen Betrieben gälten und diese unterschiedliche Maßnahmen träfen, die dann jeweils unterschiedlich in den Betrieben umgesetzt werden müssten.
Die erste und zweite Instanz
Das Arbeitsgericht Elmshorn hatte dem Betriebsrat in der ersten Instanz Recht gegeben und eine Einigungsstelle zur Regelung der Angelegenheit eingesetzt. Dies ließ der Arbeitgeber nicht auf sich sitzen und legte Beschwerde ein. Aber auch das LAG Schleswig-Holstein entschied – in zweiter Instanz – zugunsten des Betriebsrats. Das LAG hob in seinen Entscheidungsgründen zunächst hervor, dass zwischen den Beteiligten nicht streitig sei, dass die Festlegung der Aufgaben und Einsatzzeiten der Fachkraft für Arbeitssicherheit und des Betriebsarztes der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt. Die Richter verwiesen aber darauf, dass die Festlegung grundsätzlich dem von den Arbeitnehmern unmittelbar gewählten, also örtlichen Betriebsrat obläge. Der Gesamtbetriebsrat sei hingegen nur zuständig, wenn die Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes eine überbetriebliche Angelegenheit betreffen und diese durch die einzelnen Betriebsräte nicht geregelt werden könne. Eine derartige Ausnahme sah das Gericht nicht.
Bei der streitigen Festlegung der Einsatzzeiten geht es vorwiegend inhaltlich um die Ermittlung des betriebsspezifischen Betreuungsbedarfs im Rahmen der Gesamtbetreuung des Betriebs (vgl. Anlage 2 Nr. 1 DGUV Vorschrift 2). Der Umfang dieser Einsatzzeiten ergibt sich dabei aus den im Rahmen der Gesamtbetreuung des Betriebs anfallenden Aufgaben. Deren Umfang sei aber unabhängig davon, in welchem Umfang in anderen Betrieben Betreuungsbedarf durch den Betriebsarzt und die Fachkraft für Arbeitssicherheit besteht. Die organisatorische Eigenständigkeit werde auch dadurch deutlich, dass dem Betriebshof des antragstellenden Betriebsrats regelmäßig ca. 60 ständige Arbeitnehmer – neben den Busfahrern – zugeordnet sind. Die DGUV Vorschrift 2 sei betriebsbezogen ausgestaltet, nicht gesamtbetriebsbezogen. Die bloße Zweckmäßigkeit einer überbetrieblichen Regelung reiche nicht aus, um die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats zu begründen. Im Übrigen werde das Interesse der Arbeitgeberin an einheitlichem Arbeitsschutz und arbeitssicherheitsrechtlichen Standards durch die Themen der einzusetzenden Einigungsstelle nicht betroffen. Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit haben den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung in allen Fragen der Arbeitssicherheit einschließlich der menschengerechten Gestaltung der Arbeit zu unterstützen. Damit bleiben nach Ansicht des LAG Schleswig-Holstein die Gewährleistung des Arbeitsschutzes und auch etwaige konzeptionelle Überlegungen oder die Festlegung einheitlicher Standards des Arbeitsschutzes von der Aufgabenwahrnehmung durch die Betriebsärzte und die Fachkräfte für Arbeitssicherheit unberührt. Die Festlegung gewisser Standards, etwa die für die Fahrerkabinen im Bus oder die Ausstattung der Werkstätten, wie dies von der Arbeitgeberin vorgetragen wurde, könne vorgenommen werden, ohne dass diese Standards auf den Regelungsgegenstand der Einigungsstelle Einfluss nehmen. Die bereits in der Vergangenheit mit dem Gesamtbetriebsrat getroffenen Vereinbarungen über den Umfang der Einsatzzeiten und die Aufgaben der Fachkräfte für Arbeitssicherheit und des Betriebsarztes schließen das Mitbestimmungsrecht des örtlichen Betriebsrats nach Darstellung des Gerichts ebenfalls nicht aus.
Fazit
Die Begründung des LAG Schleswig-Holstein ist zutreffend. Unstreitig ist, dass Fragen zur Unfallverhütung und des Gesundheitsschutzes mitbestimmungspflichtig sind. Kommt eine Einigung hierüber zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nicht zustande, muss die Einigungsstelle entscheiden. Zu ihrer Einsetzung reicht es aus, dass der Betriebsrat nicht offensichtlich unzuständig ist. Dies hat das LAG Schleswig-Holstein zugunsten des antragstellenden örtlichen Betriebsrats bejaht. Reine Zweckmäßigkeitserwägungen des Arbeitgebers müssen dahinter zurückbleiben.