Hier die Links zu den Beiträgen dieser vierteiligen Serie in der Zeitschrift “Sicherheitsingenieur” (Link zu kostenlosen Probeheften):
Wir, die Autoren dieses Beitrags, sind glühende Verfechter präventiver Maßnahmen zur Vermeidung von Unfällen an Maschinen und Anlagen. Daher liegt uns, um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen, die Klarstellung dieser wichtigen Punkte besonders am Herzen:
- Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Maschinen nur betrieben werden dürfen, wenn sie ausreichend sicher sind.
- Es wird in unserem Beitrag an keiner Stelle behauptet, dass eine nachträgliche Risikobeurteilung an einer bestehenden Maschine rechtlich nicht zulässig ist.
- Es wird ebenso nicht behauptet, dass sicherheitstechnische Verbesserungen an bestehenden Maschinen oder Anlagen nicht sinnvoll bzw. nicht möglich sind.
- Es wird an keiner Stelle nahe gelegt, dass Betreiber keine Dienstleister damit beauftragen sollen, eventuelle Gefährdungen an Maschinen aufzudecken und entsprechende Sicherheitsmaßnahmen umzusetzen.
V. Betreiberpflichten beziehen sich nicht auf formelle Hersteller- und Kennzeichnungspflichten
Abgesehen von den Fällen des Imports aus einem Drittland, der Herstellung für den Eigengebrauch und der wesentlichen Veränderung einer Maschine hat der Betreiber keine Pflichten gemäß Produktsicherheitsrecht und Maschinenrichtlinie. Der Blue Guide fasst zusammen1: „Sobald Produkte an den Endbenutzer übergehen, gelten sie nicht mehr als neue Produkte, und die Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union finden keine Anwendung mehr. Der Endbenutzer gehört nicht zu den Wirtschaftsakteuren, denen in den Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union Verantwortlichkeiten übertragen werden, das heißt, der Betrieb oder die Verwendung des Produkts durch den Endbenutzer unterliegen nicht den Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union.“ Endnutzer in diesem Sinne sind nicht nur Private, sondern auch Unternehmen, also Arbeitgeber.
Es wird zwar behauptet [2]: „Wenn eine Maschine zum Zeitpunkt des Bereitstellens bereits mit der CE-Kennzeichnung versehen worden sein müsste, darf sie nicht als Arbeitsmittel eingesetzt werden. Dann müsste entweder der Betrieb/Arbeitgeber oder ein anderer Dritter sich zum Hersteller dieser Maschine machen und das bereits genannte Konformitätsbewertungsverfahren nach der 9. ProdSV [3] durchführen“. Das halten wir für unzutreffend:
Da Betreiber nicht Wirtschaftsakteure im Sinne des Produktsicherheitsrechts sind (siehe II. in Teil 1), könnte eine CE-Kennzeichnungspflicht nur aus den für Betreiber geltenden Arbeitsschutzrecht- und Betriebsvorschriften folgen. Das kann in Deutschland nur § 5 BetrSichV sein (dazu 1.) und in Österreich nur § 33 Abs. 3 Nr. 2 ASchG und § 3 MSV 2010 (dazu 2).
1. § 5 Abs. 3 Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) in Deutschland
§ 5 Abs. 3 BetrSichV mit der Überschrift „Anforderungen an die zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel“ regelt in den Sätzen 1 und 2: „Der Arbeitgeber darf nur solche Arbeitsmittel zur Verfügung stellen und verwenden lassen, die den für sie geltenden Rechtsvorschriften über Sicherheit und Gesundheitsschutz entsprechen. Zu diesen Rechtsvorschriften gehören neben den Vorschriften dieser Verordnung insbesondere Rechtsvorschriften, mit denen Gemeinschaftsrichtlinien in deutsches Recht umgesetzt wurden und die für die Arbeitsmittel zum Zeitpunkt des Bereitstellens auf dem Markt gelten.“
a. Auslegung nach dem Gesetzestext (Wortlaut)
Mit den in Bezug genommenen Rechtsvorschriften sind insbesondere auch das ProdSG und die EG-Maschinenrichtlinie als einer der „Gemeinschaftsrichtlinien“ gemeint. Und in Bezug genommen werden könnten durch den Wortlaut (grammatikalische Auslegung) auch formelle Pflichten – also die Pflichten zur Erstellung einer EG-Konformitätserklärung und zur Anbringung einer CE-Kennzeichnung.
Aber es gibt noch den Satz 4 des § 5 Abs. 3 BetrSichV: „Den formalen Anforderungen dieser Richtlinien brauchen sie nicht zu entsprechen, es sei denn, es ist in der jeweiligen Richtlinie ausdrücklich anders bestimmt“. Mit „sie“ könnten zwar nur die für den Eigengebrauch hergestellten Maschinen gemäß Satz 3 des § 5 Abs. 3 BetrSichV gemeint sein (siehe IV.2. in Teil 1). Aber das ist nach grammatikalischer Auslegung – einerseits – nicht zwingend: es könnten auch alle Maschinen des § 5 Abs. 3 BetrSichV (also auch solche des Satzes 1) gemeint sein. Anders ausgedrückt: CE-Kennzeichnung und EG-Konformitätserklärung sind keine „Rechtsvorschriften über Sicherheit und Gesundheitsschutz“ gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 BetrSichV, denn sie tragen als formelle Anforderungen nichts hierzu bei. Für dieses Verständnis sprechen – andererseits – jedenfalls die Systematik und der Sinn und Zweck des Arbeitsschutzrechts.
b. Auslegung nach Gesetzeszusammenhang und Gesetzeszweck
Der gesetzliche Zusammenhang der Rechtsvorschriften (systematische Auslegung) und der Sinn und Zweck des § 5 Abs. 3 BetrSichV (teleologische Auslegung [4]) sprechen dagegen, vom Betreiber zu fordern, die versäumten Herstellerpflichten im Sinne der Maschinenrichtlinie nachzuholen – und die BetrSichV reicht aus, um das Ziel einer sicher verwendbaren Maschine zu erreichen (siehe hierzu noch im nächsten Heft).
§ 5 steht im Abschnitt 2 der BetrSichV mit der Überschrift „Gefährdungsbeurteilung und Schutzmaßnahmen“. Es geht der BetrSichV um die materielle Sicherheit der Arbeitsmittel – zu erreichen durch Abwägung und Bewertung und sodann Umsetzung von Sicherheit. Denn geregelt wird die Situation, dass der Arbeitgeber „verwenden lässt“ (§ 5 Abs. 3 Satz 1 und § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrSichV). „Ziel“ der BetrSichV „ist es, die Sicherheit und den Schutz der Gesundheit von Beschäftigten bei der Verwendung von Arbeitsmitteln zu gewährleisten. Dies soll insbesondere erreicht werden durch die Auswahl geeigneter Arbeitsmittel und deren sichere Verwendung“ (§ 1 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 1 BetrSichV). Dieses Ziel kann nur erreicht werden durch die Schaffung materieller Sicherheit; ob EG-Konformitätserklärung und CE-Kennzeichnung vorliegen, ist dagegen für die Erreichung des Arbeitsschutzziels nicht das Entscheidende. So gesehen formuliert § 5 Abs. 3 Satz 4 BetrSichV mit der Aussage, dass „sie“ den „formalen Anforderungen der Richtlinien nicht zu entsprechen braucht“, letztlich einen allgemeinen Gedanken: nämlich dass es bei der Verwendung der Arbeitsmittel auf die materielle Sicherheit ankommt und nicht auf Erklärungen oder Kennzeichnungen.
Denn im technischen Sicherheitsrecht hat die strikte Trennung von Inverkehrbringens- und Arbeitsschutzvorschriften zentrale Bedeutung (Teil 1 in I.). Der Hersteller hat bestimmte (auch formelle) Pflichten beim Verkauf neuer Maschinen (Teil 1 in II. und III.). Der Betreiber dagegen hat – abgesehen von den Fällen, in denen er zum Hersteller wird (Teil 1 in IV.) – „nur“ Arbeitsschutzpflichten, die sich auf die materielle Sicherheit beziehen, aber keine formellen Produktsicherheits- und Kennzeichnungspflichten.
c. Bestätigungen, dass es der BetrSichV um materielle Sicherheit geht
Zahlreiche amtliche Äußerungen bestätigen diese Sichtweise:
- Die Verordnungsbegründung der BetrSichV fasst zusammen: Mit § 5 Abs. 3 BetrSichV [5] „ist sichergestellt, dass die zum Einsatz kommenden Arbeitsmittel, welche die in den Binnenmarktvorschriften und den nationalen Umsetzungen (insbesondere ProdSG) vorgeschriebene Produktsicherheit mitbringen, einen grundlegenden Beitrag für deren sichere Verwendung bieten“ – und die Bundesratsdrucksache ergänzt: „Die sichere Verwendung des Arbeitsmittels ergibt sich aus der mitgelieferten Sicherheit des Arbeitsmittels, ergänzt um die Maßnahmen, die sich aus der Gefährdungsbeurteilung für die Verwendung ergeben.“ Nicht erwähnt beim Ziel der sicheren Verwendbarkeit gemäß BetrSichV sind dagegen formelle Herstellerpflichten. Die „mitgelieferte Sicherheit“ – in der Terminologie der Bundesratsdrucksache – bezieht sich nicht auf die EG-Konformitätserklärung und CE-Kennzeichnung, denn sie leisten keinen „grundlegenden Beitrag zur sicheren Verwendung“. EG-Konformitätserklärungen sind vielmehr die Bestätigungen des Herstellers, dass ausreichende Sicherheit geliefert worden ist.
- Der Ausschuss für Betriebssicherheit bestätigt [6]: „Durch Verweis (§ 5 Absatz 3) auf die geltenden Rechtsvorschriften über Sicherheit und Gesundheitsschutz wird ein Mindestmaß an sicherheitstechnischen Merkmalen festgelegt“ – eben weil es um materielle Sicherheitstechnik geht, nicht formelle Inverkehrbringenszusätze.
- Die EU-Kommission bestätigt [7]: „Bei bereits in Betrieb genommenen (am Arbeitsplatz eingesetzten) Maschinen muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass Konformität und Sicherheit der Maschinen während der gesamten Lebensdauer der Maschine entsprechend den einzelstaatlichen Bestimmungen für die Umsetzung von Richtlinie 2009/104/EG erhalten bleiben“ – das ist die Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie. (Dauerhafte) Konformität mit der Richtlinie 2006/42/EG bei „bereits in Betrieb genommenen Maschinen“ wird dagegen nicht angesprochen.
- Und der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) stellt in seinem neuen Leitfaden zur BetrSichV [8] zunächst klar, dass „bei der Einfuhr gebrauchter Maschinen aus Drittstaaten in den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) der Einführer (dieser kann auch der Arbeitgeber sein) die Anforderungen der Richtlinie 2006/42/EG, d.h. alle materiellen und formalen Anforderungen, einzuhalten“ hat (siehe zu diesem Fall IV.1. in Teil 1) – und ergänzt dann: „Beim Kauf innerhalb des EWR hat der Arbeitgeber hinsichtlich der Verwendung des Arbeitsmittels entsprechend § 5 Abs. 1 bis 3 BetrSichV dafür zu sorgen, dass bei vorgesehener Verwendung die Sicherheit gewährleistet ist. Dies hat er durch entsprechende Maßnahmen aufgrund der von ihm durchgeführten Gefährdungsbeurteilung sicherzustellen“. Das Maschinen- und Produktsicherheitsrecht hat dagegen für den Betreiber keine unmittelbare Bedeutung mehr.
2. § 3 Abs. 1 Arbeitsmittelverordnung (AM-VO) in Österreich
In Österreich ist das Ergebnis dasselbe – und noch klarer:
- Die dem § 5 Abs. 3 BetrSichV entsprechende Vorschrift sind § 33 Abs. 3 Nr. 2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) und § 3 Abs. 1 Arbeitsmittelverordnung (AM-VO): „ArbeitgeberInnen dürfen nur solche Arbeitsmittel zur Verfügung stellen, die hinsichtlich Konstruktion, Bau und weiterer Schutzmaßnahmen den für sie geltenden Rechtsvorschriften über Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen entsprechen“. Die AM-VO ergänzt: „Zu diesen Rechtsvorschriften gehören die in den Anhängen A und B angeführten Vorschriften …“.
Im Anhang A der AM-VO ist zwar auf die Maschinen-Sicherheitsverordnung (MSV) und damit auf die EG-Maschinenrichtlinie verwiesen. Der österreichische Verordnungsgeber begrenzt die Inbezugnahme des Maschinenrechts aber schon im Wortlaut klar auf die materielle Sicherheitsanforderungen „Konstruktion, Bau und weitere Schutzmaßnahmen“ – nimmt also gar nicht erst formelle Inverkehrbringensvoraussetzungen wie CE-Kennzeichnung und EG-Konformitätserklärung in Bezug, denn das sind keine „weiteren Schutzmaßnahmen“, sondern herstellerseitige Bestätigungen des ausreichenden Schutzes.
VI. Der Betreiber ist nicht gezwungen, sich zum Hersteller zu machen
Nun könnte argumentiert werden, dass bei nicht CE-gekennzeichneten Maschinen der Betreiber gezwungen ist, sich zum Hersteller zu machen – sozusagen „aufzurüsten“.
1. Möglichkeit der Arbeit mit der EG-Maschinenrichtlinie
Zunächst einmal: Die EG-Maschinenrichtlinie berücksichtigen und nach ihr die Konformität bewerten darf der Betreiber. Jeder kann sich eigentlich nicht geltende Gesetze heranziehen und sie in seine Überlegungen einbeziehen. Es gibt kein Verbot des „Denkens mit der Maschinenrichtlinie“.
Und es wird letztlich auch nicht strikt verboten, als Nicht-Hersteller eine CE-Kennzeichnung auf Produkten anzubringen. Im Blue Guide [9] stellt die EG-Kommission zunächst klar, dass nur Hersteller und Bevollmächtigte hierzu verpflichtet sind (siehe II. in Teil 1) – und ergänzt: „Bringt ein Einführer, Händler oder sonstiger Akteur Produkte unter seinem eigenen Namen oder seiner Handelsmarke in Verkehr oder verändert sie, übernimmt er die Pflichten des Herstellers. In diesem Fall muss er ausreichende Informationen über Entwurf und Herstellung des Produkts besitzen, da er mit der Anbringung der CE-Kennzeichnung die rechtliche Verantwortung übernimmt“; „er trägt somit die gesamte Verantwortung für die Konformitätsbewertung (Entwurf und Herstellung) des Produkts, selbst wenn diese tatsächlich von anderer Seite durchgeführt wurden“. So wird man mindestens zum Quasi-Hersteller, den § 2 Nr. 14a ProdSG (D) und § 4 Nr. 4 a (AT) so definieren: Hersteller ist jeder, der geschäftsmäßig seinen Namen, seine Marke oder anderes Unterscheidungszeichen anbringt (Deutschland ergänzt: „und sich dadurch als Hersteller ausgibt“). Wenn der Betreiber wirklich wesentlich umbaut/verändert, wird er dagegen zum tatsächlichen Hersteller (siehe IV.2. in Teil 1).
2. Keine Pflicht zur – nachträglichen – Umsetzung der Maschinenrichtlinie
Es gibt zwar kein Verbot des Denkens mit der Maschinenrichtlinie, aber es gibt eben auch kein Gebot zur nachträglichen Umsetzung des nur für Wirtschaftsakteure geltenden Produktsicherheitsrechts durch den Betreiber. Der Betreiber muss die EG-Maschinenrichtlinie nicht berücksichtigen.
- § 5 Abs. 3 BetrSichV (D) und § 33 ASchG bzw. 3 Abs. 1 AM-VO (AT) verpflichten den Betreiber nicht, sich zum Hersteller „aufzuschwingen“ – unstreitig nicht ausdrücklich gemäß Wortlaut, aber auch nicht nach Systematik und Sinn und Zweck (siehe oben V.).
- § 3 Abs. 7 BetrSichV (D) und § 4 Abs. 4 ASchG (AT) sagen zwar, die Gefährdungsbeurteilung bzw. Arbeitsplatzevaluierung ist „regelmäßig“ bzw. „erforderlichenfalls“ zu überprüfen. Die deutsche BetrSichV ergänzt: „Dabei ist der Stand der Technik zu berücksichtigen. Soweit erforderlich, sind die Schutzmaßnahmen bei der Verwendung von Arbeitsmitteln entsprechend anzupassen.“ Das ist aber keine Risikobeurteilung nach Produktsicherheitsrecht, sondern diese Beurteilung bzw. Evaluierung ist Teil des Arbeitsschutzrechts.
Außerdem: „Die Anwendung der Richtlinien auf gebrauchte Produkte ist in technischer Hinsicht im allgemeinen unrealistisch. Die Maschinenrichtlinie ist bei alten gebrauchten Maschinen sehr schwer einzuhalten, da die Sicherheit integriert sein muss und nicht erst später hinzugefügt werden darf.“[10] Denn „das Risikobeurteilungsverfahren muss parallel zur Entwicklung der Maschine durchlaufen werden“ [11]. Anhang I Nr. 1 der EG-Maschinenrichtlinie mit „Allgemeinen Grundsätzen“ legt einen zeitlichen Verlauf beziehungsweise Prozess fest: es muss (zuerst) eine Risikobeurteilung vorgenommen werden; erst „dann“ – also nach der Risikobeurteilung – darf die Maschine entsprechend dieser Risikobeurteilung konstruiert und gebaut werden: die Richtlinie spricht ausdrücklich von einem „iterativen Verfahren der Risikobeurteilung und Risikominderung“ durch „Hersteller oder seinen Bevollmächtigten“. Und „iterativ“ heißt nicht „nachholend“, sondern „wiederholend“ im Sinne von: „sich schrittweise in wiederholten Gängen der exakten Lösung annähernd“ [12]. Daher muss die CE-Kennzeichnung „vor dem Inverkehrbringen und/oder der Inbetriebnahme“ einer Maschine angebracht werden (Art. 5 EG-Maschinenrichtlinie).
Außerdem – das wird in den nächsten Ausgaben begründet – ist zu beachten:
- Bei fehlender CE-Kennzeichnung sind Marktüberwachungsmaßnahmen nur gegenüber dem Hersteller möglich – nicht aber gegenüber dem Betreiber.
- Eine Stilllegung einer Maschine allein wegen fehlender CE-Kennzeichnung oder EG-Konformitätserklärung ist unzulässig und kann die Behörde zu Schadensersatz verpflichten.
- Schließlich ist das Arbeitsmittel- bzw. Betriebssicherheitsrecht auch ausreichend, um das Ziel der sicheren Verwendung einer Maschine zu erreichen.
Gesamtfazit zur nachträglichenn CE-Kennzeichnung durch Betreiber
Es kann im Einzelfall (sehr) schwierig sein, ist aber von größter Bedeutung, zu entscheiden, ob eine alte Maschine (noch) ausreichend sicher ist, oder ob zusätzliche, und wenn ja, welche Sicherheitsmaßnahmen nötig sind, oder ob die Maschine sogar stillgelegt werden muss. Aber diese Entscheidungen basieren – nach den rechtlichen Herleitungen in Teil 1 und 2 dieses Beitrags – auf folgenden Ausgangspunkten und Grundlagen:
- Bis zum 31.12.1994 in Verkehr gebrachte oder in Betrieb genommene Alt-Maschinen müssen keine CE-Kennzeichnung haben – aber selbstverständlich müssen sie nach seinerzeitigem Rechtsstand ausreichend sicher sein. Der Betreiber muss die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV – in Deutschland) bzw. die Arbeitsmittelverordnung (AM-VO – in Österreich) anwenden: und das kann auch die Pflicht zu technischen Nachrüstungen bedeuten [13].
- Bei Maschinen mit CE-Kennzeichnung und EG-Konformitätserklärung kann der Betreiber zwar – im Ausgangspunkt – auf die CE-Kennzeichnung vertrauen [14]; aber die BetrSichV (D) bzw. die AM-VO (AT) muss – ohne Abstriche – angewendet werden.
- Der Betreiber muss bei nicht CE-gekennzeichneten Maschinen nichts gemäß Produktsicherheitsrecht nachholen – dieser Rechtsbereich gilt ihm gegenüber nicht. Aber der Betreiber muss – ohne Abstriche, und hier sogar besonders sorgfältig – die BetrSichV / AM-VO anwenden. Auf der Grundlage einer Gefährdungsbeurteilung / Arbeitsplatzevaluierung muss er auch erforderliche (technische) Schutzmaßnahmen ergreifen und vor der Zurverfügungstellung an Beschäftigte „feststellen, dass die Verwendung der Arbeitsmittel nach dem Stand der Technik sicher ist“ (§ 4 Abs. 1 BetrSichV) bzw. in der Arbeitsplatzevaluierung „die festgestellten Gefahren und die dagegen ergriffenen Schutzmaßnahmen darstellen“
(§ 3 Abs. 5 Satz 2 AM-VO).
Diese „Feststellung“ der Sicherheit bzw. der Schutzmaßnahmen gemäß Arbeitsschutzrecht ist Pflicht des Betreibers, nicht aber eine „nachträgliche EG-Konformitätserklärung“ auf der Grundlage des Produktsicherheitsrechts.
Fußnoten:
[1] EU-Kommission, Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“), 2.1.
[2] KomNet-Wissensdatenbank, Beantwortung der Frage: „Wie ist mit elektrisch und hydraulisch betriebenen Manipulatoren für Schweißvorrichtungen umzugehen, die in der Vergangenheit ohne CE-Erklärung geliefert wurden?“, in: KomNet Dialog 30855, Stand: 10.12.2017: https://www.komnet.nrw.de/_sitetools/dialog/30855 (abgerufen am 14.02.2019).
[3] Gemeint ist die Maschinenverordnung als Neunte Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz.
[4] Telos (lat.): das Ziel, der Zweck.
[5] BR-Drs. 400/14 v. 28.08.14, S. 83.
[6] ABS, Bekanntmachung zur Betriebssicherheit (BekBS) 1113 „Beschaffung von Arbeitsmitteln“ Nr. 3 Abs. 2.
[7] EU-Kommission, Anwender-Leitfaden Maschinenrichtlinie, 2. Aufl. 2010, § 39.
[8] LASI, Leitlinien zur Betriebssicherheitsverordnung – Häufig gestellte Fragen und Antworten (LV 35), Neuauflage 2018, A 5.1.
[9] EU-Kommission, Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“), 3.1 und 4.5.1.3.
[10] EG-Kommission, Erläuterungen zur Maschinenrichtlinie 1998, Anhang „Der Rechtsstatus gebrauchter und wiederaufgearbeiteter Maschinen“, Nr. 2, S. 247.
[11] EU-Kommission, Anwenderleitfaden Maschinenrichtlinie, 2. Aufl. Juni 2010, § 158.
[12] Duden, Das Fremdwörterbuch, 7. Aufl. 2001, Stichwort „iterativ“, S. 467 linke Spalte.
[13] Siehe ausführlich Wilrich, Bestandsschutz oder Nachrüstpflicht? Betreiberverantwortung und Sicherheit bei Altanlagen – mit 25 Gerichtsurteilen (2018).
[14] Siehe ausführlich Wilrich, Praxisleitfaden BetrSichV – mit 20 Gerichtsurteilen (2015) 4.2.2 und 4.2.3, S. 102 ff.
Ing. Helmut Frick
Geschäftsführer
IBF – Automatisierungs- und Sicherheitstechnik GmbH
www.ibf.at
Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich
Hochschule München,