Die Gründe für diese Novelle liegen in dem stetigen Wandel der Arbeitswelt sowie in veränderten gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Im Mittelpunkt des neuen Mutterschutzgesetzes steht die verantwortungsvolle Interessenabwägung zwischen dem Schutz der Gesundheit einer schwangeren beziehungsweise einer stillenden Frau und ihres Kindes sowie der selbstbestimmten Entscheidung der Frau, ihre Erwerbstätigkeit zu gestalten.
Präventiver Ansatz im Mutterschutzgesetz
Abschnitt 2 des neuen MuSchG wird in die Unterabschnitte arbeitszeitlicher, betrieblicher und ärztlicher Gesundheitsschutz unterteilt. Hier finden sich einige Inhalte der bisherigen Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz (MuSchArbV) wieder, wie zum Beispiel ein angepasster Katalog unzulässiger Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen.
Damit wird bereits deutlich, dass der Gesetzgeber einen präventiven Ansatz im Mutterschutzrecht unter Beteiligung verschiedener Disziplinen forciert.
Gleichzeitig erhalten der Arbeitgeber sowie die schwangere beziehungsweise stillende Frau mehr Gestaltungsfreiräume. Diese gehen mit einem höheren Maß an Verantwortung für die beteiligten Personen einher.
Die wesentlichen Elemente des präventiven Ansatzes sind unter anderem
- die Beurteilung der Arbeitsbedingungen unter Berücksichtigung eines neuen Gefährdungsbegriffes („unverantwortbare Gefährdung“) sowie der Rangfolge von Schutzmaßnahmen,
- die Anpassung des Katalogs unzulässiger Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen sowie
- die frühzeitige Information aller Personen einer Organisation über mutterschutzrechtliche Belange.
Gefährdungen beurteilen
Das zentrale Werkzeug bleibt die Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) sowie § 10 MuSchG. Der Arbeitgeber muss, mit Blick auf die schwangere beziehungsweise stillende Frau, die Gefährdungen hinsichtlich Art, Ausmaß und Dauer beurteilen, Schutzmaßnahmen ableiten und die Gefährdungsbeurteilung dokumentieren. Es besteht die Möglichkeit gleichartige Arbeitsbedingungen zusammengefasst zu beurteilen.
Der Arbeitgeber kann hierbei auf einen angepassten Katalog unzulässiger Tätigkeiten und Arbeitsbedigungen zurückgreifen.
Der Grundsatz der Risikominimierung, der Wirksamkeitskontrolle sowie der kontinuierlichen Anpassung an sich ändernde Gegebenheiten aus dem ArbSchG gilt auch im Mutterschutz.
Unzulässige Tätigkeiten und
Arbeitsbedingungen
Der Katalog unzulässiger Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen befindet sich in den Unterabschnitten arbeitszeitlicher und betrieblicher Gesundheitsschutz. Dabei wird zwischen schwangeren und stillenden Frauen unterschieden, das heißt, es werden Situationen beschrieben, in denen eine Beschäftigung unzulässig ist beziehungsweise sein kann.
Bei der Betrachtung dieser Szenarien sind immer auch die Arbeitsbedingungen beziehungsweise die Arbeitsumgebungsbedingungen, unter welchen
eine schwangere beziehungsweise stillende Frau tätig wird, zu berücksichtigen.
Information aller Personen
Der Arbeitgeber muss alle Personen innerhalb seiner Organisation über das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung informieren (§ 14 Abs. 2 MuSchG).
Hierbei ist es nebensächlich, welches Geschlecht die Personen haben. Insbesondere bei Männern soll so das Bewusstsein in Bezug auf mutterschutzrechtliche Belange erhöht werden und bei Führungskräften deutlich werden, welche Regelungen bei der Beschäftigung einer schwangeren beziehungsweise stillenden Frau zu beachten sind. Die Information der schwangeren beziehungsweise stillenden Frau über das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung und der erforderlichen Schutzmaßnahmen muss der Arbeitgeber zusätzlich sicherstellen (§ 14 Abs. 3 MuSchG).
Die Informationspflicht erstreckt sich auch über den Aushang des Gesetzes. Eine Kopie des MuSchG muss zur Einsicht in gedruckter oder digitaler Form zur Verfügung stehen, sofern mehr als drei Frauen regelmäßig beschäftigt werden (§ 26 MuSchG).
Praxisbeispiele: Wann ist eine Beschäftigung unzulässig?
Folgende Situationen zeigen beispielhaft, wann eine Beschäftigung von schwangeren beziehungsweise stillenden
Frauen unzulässig ist:
- während der Schutzfristen vor und nach der Entbindung (§ 3 MuSchG),
- bei Mehr- und Nachtarbeit (§ 4 und § 5 MuSchG),
- bei Tätigkeiten mit bestimmten Gefahr- und Biostoffen,
bei denen eine unverantwortbare Gefährdung nicht ausgeschlossen werden kann (§ 11 Abs. 1 und 2 beziehungsweise § 12 MuSchG), - bei Tätigkeiten mit körperlichen Belastungen oder
mechanischen Einwirkungen, bei denen eine unverantwortbare Gefährdung nicht ausgeschlossen werden kann (§ 11 Abs. 5 MuSchG), - bei Fließbandarbeit (§ 11 Abs. 6 Pkt. 2 MuSchG),
- bei getakteter Arbeit mit vorgeschriebenem Arbeitstempo, wenn die Art der Arbeit oder das Arbeitstempo für die schwangere Frau oder für ihr Kind
eine unverantwortbare Gefährdung darstellt (§ 11 Abs. 6 Pkt. 3 MuSchG).
Ausnahmeregelungen zum Verbot von Nacht- und
Mehrarbeit:
Ein Arbeitgeber kann eine schwangere oder stillende
Frau zwischen 20 und 22 Uhr beschäftigen, sofern ein
behördliches Genehmigungsverfahren nach § 28 MuSchG durchlaufen wurde und die Aufsichtsbehörde die Nachtarbeit nicht untersagt hat (Genehmigungsfiktion nach sechs Wochen).
In besonders begründeten Einzelfällen kann die Aufsichtsbehörde nach § 29 Abs. 2 Mu-SchG Ausnahmen vom Verbot der Mehrarbeit und der Nachtarbeit zwischen 20 und 22 Uhr bewilligen.
Hilfestellungen für die Umsetzung des Mutterschutzgesetzes 2018 in der betrieblichen Praxis lesen Sie hier.
Autor: Adrian Wortmann
Head of Quality, Health, Safety & Environment, Xervon Instandhaltung GmbH, ein Unternehmen der Remondis-Gruppe
adrian.wortmann@
xervon.com