Der Kläger ist als Wachpolizist im Zentralen Objektschutz bei dem beklagten Land Berlin beschäftigt. Er ist nicht verbeamtet, sondern im Rahmen eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses tätig. Auf dieses Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes der Länder (TV‑L) Anwendung. Der Polizist ist als Springer in zahlreichen zu bewachenden Objekten eingesetzt. Die Objekte wechseln teilweise mehrmals pro Woche.
Dem Kläger ist freigestellt, seinen Dienstweg in Uniform – mit der Aufschrift „POLIZEI“ – oder privater Kleidung zurückzulegen. Eine Kombination zwischen Uniformteilen und privater Kleidung ist jedoch nicht erlaubt. An den zu bewachenden Objekten sind keine ausreichenden Umkleidemöglichkeiten und keine abschließbaren Spinde vorhanden. Der Kläger kleidet sich stets in seiner Wohnung um und legt seine Schutzausrüstung sowie die Dienstwaffe an und nach Dienstende dort auch wieder ab.
Er hat zwar die Möglichkeit, ein Waffenschließfach in einer Polizeidienststelle zur Verwahrung der Waffe außerhalb der Dienstzeiten zu nutzen, lagert die Waffe jedoch mit Zustimmung seines Arbeitgebers in einem privat angeschafften Waffenschließfach in seiner Wohnung. Er benötige etwa acht Minuten, um sich zu Hause in den zum Dienstantritt erforderlichen Ausrüstungszustand mit Uniform und persönlicher Schutzausrüstung zu versetzen. Weitere vier Minuten benötige er, um die Dienstwaffe aus dem häuslichen Waffenfach zu entnehmen und zu laden. Den Weg zu den Einsatzobjekten legt er mit seinem privaten Pkw zurück.
Der Kläger beansprucht von seinem Arbeitgeber, die im häuslichen Bereich erbrachte Zeit für das An- und Ablegen der Dienstuniform (Umkleiden), das Auf- und Abrüsten mit den dem Kläger persönlich zugewiesenen Ausrüstungsgegenständen (Rüsten), das Entnehmen, Laden und Anlegen der Dienstwaffe vor dem offiziellen Dienstbeginn und für das Ablegen, Entladen und Wegschließen der Dienstwaffe nach dem offiziellen Dienstende zu vergüten. Er sei gezwungen, dies zu Hause zu erledigen, da angemessene und zumutbare Umkleidemöglichkeiten weder am Einsatzort noch in den Nebenwachen bestünden. An keinem der von ihm zu bewachenden Objekte stehe ihm ein abschließbarer Spind zur Verfügung. Die Fahrten zu den Einsatzorten seien ebenfalls als Arbeitszeit zu vergüten, weil diese in Uniform erfolgen und damit im Interesse des Arbeitgebers liegen.
Das beklagte Land hält dagegen. Die Umkleide‑, Rüst- und Wegezeiten seien nicht als Arbeitszeit zu bewerten, da der Kläger sich nicht ausschließlich fremdnützig zu Gunsten des beklagten Landes in seiner Wohnung umziehe und rüste, sondern auch im eigenen Interesse. Der Kläger habe keine entsprechende Weisung des beklagten Landes erhalten. Es sei ihm freigestellt, wo er sich umziehe. Der Kläger könne sich am jeweiligen Einsatzobjekt umziehen und rüsten sowie das ihm zur Verfügung gestellte dienstliche Waffenschließfach nutzen. Bei entsprechender Bedarfsmeldung durch den Kläger, die bisher nicht erfolgt sei, könne er auch einen eigenen Spind in einer nächstgelegenen Polizeidienststelle erhalten.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Arbeitsgericht Berlin gab der Klage in der ersten Instanz nur teilweise statt und wies insbesondere den Antrag auf Vergütung von Reise- und Umkleidezeiten ab. Der Kläger zog daraufhin vor das Landesarbeitsgericht. Aber auch seine Berufung hatte nur teilweise Erfolg. Nach Ansicht des LAG sind nur die geltend gemachten Umkleide- und Rüstzeiten, nicht aber die Zeiten für das Laden und Entladen der Waffe sowie die Wegezeiten zu vergüten.
Nach den Kriterien der Rechtsprechung ist das Ankleiden mit einer vorgeschriebenen Dienstkleidung dann nicht lediglich fremdnützig und damit keine Arbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und – ohne besonders auffällig zu sein – auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann. Dann liege das Ankleiden zumindest auch im Interesse des Arbeitnehmers. Gleiches gilt, wenn es dem Arbeitnehmer gestattet ist, eine an sich besonders auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen, und er sich entscheidet, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen.
Nach Ansicht des LAG stellen sich die Zeiten des Umkleidens und Rüstens ausschließlich als fremdnützig dar. Die anzulegende Uniform ist „besonders auffällig“. Hinzu kommt, dass auf der Oberbekleidung in einem großen Schriftzug der Begriff „POLIZEI“ angebracht ist. Der auffällige Charakter verschwinde auch nicht dadurch, dass der Kläger in einem PKW den Weg zum Einsatzort zurücklegt. Mindestens der Weg von der Wohnung zum Parkplatz des Privatautos und der weitere Weg von Parkplatz am Einsatzort zum jeweiligen Bewachungsobjekt lassen den Kläger als Angehörigen der Polizei erkennbar werden. Zudem sei für den Kläger als Springer an den jeweiligen Einsatzobjekten keine zumutbare Umkleidemöglichkeit vorhanden. Hierbei gebiete die allgemeine Fürsorge- und Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers zum einen wenigstens Umkleideräume getrennt nach Geschlechtern einzurichten und zum anderen für jeden Beschäftigten eine verschließbare Einrichtung zur Aufbewahrung seiner persönlichen Kleidung zur Verfügung zu stellen, so wie dies in Ziffer 4.1 Abs. 3 des Anhangs der Arbeitsstättenverordnung vorgesehen ist. In keinem der vom Kläger zu bewachenden Objekte seien diese Voraussetzungen erfüllt.
Die zu vergütende Dauer des Umkleidens taxierte der Vorsitzende Richter auf etwa vier Minuten. Die Zeit ermittelte er in einem Selbstversuch und teilte den Parteien hierzu mit, er sei mit 63 Jahren nur leicht älter als der Kläger und habe für das An- und Ablegen eines Hemds mit Knöpfen, einer Hose, eines zusätzlichen zweiten Gürtels (als Simulation eines Koppels), von Socken und Schuhen mit Schnürsenkeln die vorgenannte Zeit gebraucht, wobei Hemd und Hose jeweils auf Kleiderbügeln in einem Schrank aufgehängt wurden.
Die Höhe der Vergütung richte sich nach der Vergütung der regulären Arbeitszeit. Zwar seien die Tarifvertragsparteien berechtigt, eine unterschiedliche Vergütung von Arbeitszeiten vorzusehen, jedoch fehle im TV‑L eine solche tarifvertragliche Regelung für Umkleidezeiten. Damit verbleibe bei dem von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsatz, dass die zusätzlichen Zeiten wie Arbeitszeit zu vergüten seien.
Laden der Dienstwaffe und Wegezeiten nicht vergütungspflichtig
Das häusliche Laden und Entladen der Waffe stellt nach der Ansicht der Kammer hingegen keine vergütungspflichtige Arbeitszeit dar. Diese Tätigkeiten seien zwar auch fremdnützig, aber nicht ausschließlich fremdnützig. Der Kläger habe die Wahl, das dienstliche oder häusliche Waffenschließfach zu nutzen. Im Gegensatz zu den Umkleidemöglichkeiten bestehe eine zumutbare Alternative. Wenn der Kläger sich für die Durchführung im häuslichen Bereich entscheide, erfolge dies aus selbstbestimmten Gründen. Daher sei eine Vergütungspflicht ausgeschlossen.
Auch die Wegezeiten des Klägers seien nicht zu vergüten, auch wenn wegen unzumutbarer Umkleidemöglichkeiten vor Ort die Uniform schon zu Hause angelegt werden müsse. Der Arbeitsweg bleibt insofern mindestens auch eigennützig, denn das Erreichen des Arbeitsortes sei der Sphäre des Arbeitnehmers zuzurechnen. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers erstrecke sich nicht auf diesen Weg. Durch die Wahl des Wohnortes und des Beförderungsmittels habe es der jeweilige Arbeitnehmer selbst in der Hand, die entsprechenden Zeiten zu beeinflussen. Ihm stehe es auch frei, Umwege zu fahren, um noch private Dinge zu erledigen. Soweit der Kläger versucht habe, den Eindruck zu erwecken, er sei wegen der angelegten Uniform auf dem Arbeitsweg praktisch immer im Dienst, weil er von den Bürgern als Polizeiangehöriger erkannt werde, treffe dies so nicht zu. Im Gegensatz zu verbeamteten Polizisten müsse sich der Kläger in erforderlichen Fällen nicht aus der Privatsphäre heraus in den Dienst versetzen und Amtshandlungen vornehmen.
Fazit
Die Entscheidung ist nicht nur wegen des Selbstversuchs des Vorsitzenden zur Ermittlung der Umkleidezeit bemerkenswert. In Bezug auf die Umkleidezeiten in den privaten Räumlichkeiten des Arbeitnehmers hat das LAG deutlich gemacht, dass es nicht allein darauf ankommt, ob es dem Arbeitnehmer freigestellt ist, wo er sich umzieht. Es muss vor Ort auch die tatsächliche und zumutbare Möglichkeit bestehen, einen Kleiderwechsel vorzunehmen und die Kleider aufzubewahren.
Ist dies nicht der Fall und die anzulegende Berufskleidung dann auch noch „besonders auffällig“, ist von Fremdnützigkeit auszugehen und die aufgewendete Zeit zu vergüten. Das LAG führt damit im Ergebnis die bisherige Rechtsprechung zur Vergütung von Umkleide- und Wegezeiten fort.
Autor: Rechtsanwalt Matthias Klagge, LL.M
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