Der erste Gesetzentwurf vom 5. Oktober 2020, der einen verbindlichen Rechtsanspruch für Arbeitnehmer auf mindestens 24 Tage pro Jahr für mobiles Arbeiten vorsah, scheiterte noch vor der Ressortabstimmung. Das Kanzleramt lehnte den Entwurf mit der Begründung ab, dass dieser für die weitere Abstimmung zwischen den Bundesministerien nicht geeignet sei, weil der Koalitionsvertrag gar keinen Anspruch auf Homeoffice vorsehe. Hierauf reagierte das BMAS. Der Kern des aktuellen Entwurfs besteht nun darin, dass es statt eines verbindlichen Rechtsanspruchs auf mobile Arbeit eine Erörterungspflicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die mobile Arbeit geben soll. Die Erörterung soll zum Ziel haben, eine einvernehmliche Regelung über die mobile Arbeit zu treffen. Erreicht wird dies durch eine Änderung der Gewerbeordnung. Diese soll um zwei Paragrafen im Abschnitt „Allgemeine arbeitsrechtliche Grundsätze“ erweitert werden, die Paragrafen (§) 111 Mobile Arbeit und (§) 112 Arbeitszeitnachweise für mobil arbeitende Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.
Außerdem soll das Sozialgesetzbuch VII angepasst werden, um bestehende Lücken in der gesetzlichen Unfallversicherung zu schließen. Nicht zu verwechseln ist die Gesetzesinitiative des BMAS mit den durch die Covid-19 Pandemie bedingten Beschlüssen der Bundesregierung und der Länder, wonach den Beschäftigten aus Arbeitsschutzgründen das Arbeiten im Home-Office ermöglicht werden soll. Jene Regelungen dienen allein der Reduzierung von Kontakten am Arbeitsort und auf dem Weg zur Arbeit. Die „Corona bedingten“ Regelungen haben also nichts mit dem geplanten Mobile Arbeit-Gesetz gemein.
Gesetzliche Definition der mobilen Arbeit
Ausweislich des geplanten Entwurfs arbeitet ein Arbeitnehmer mobil, wenn er seine Arbeitsleistung unter Verwendung von Informationstechnologie außerhalb des Betriebs erbringt. Dabei sollen sowohl Vereinbarungen erfasst werden, die es dem Arbeitnehmer ermöglichen, seinen Arbeitsort selbst zu wählen oder spontan den Arbeitsort zu wechseln, als auch Vereinbarungen, die einen bestimmten Arbeitsort für die mobile Arbeit vorsehen, insbesondere Vereinbarungen über mobile Arbeit ausschließlich im Homeoffice. Das Mobile Arbeit-Gesetz soll dabei nur für regelmäßige, also nicht nur anlassbezogene mobile Arbeit gelten.
Dreimonatsfrist für Anmeldung des Arbeitnehmers
Der Arbeitnehmer soll dem Arbeitgeber seinen Wunsch nach mobiler Arbeit in Bezug auf Beginn, Dauer, Umfang und Verteilung drei Monate vor dem gewünschten Termin in Textform mitteilen müssen. Für den Fall, dass der Arbeitgeber den Wunsch nach mobiler Arbeit ablehnt, soll er dies form- und fristgerecht – spätestens drei Monate nach der Anfrage per Textform – begründen müssen. Nach einer Ablehnung sollen Arbeitnehmer frühestens nach vier Monaten einen neuen Antrag stellen dürfen. Falls der Arbeitgeber diese form- und fristgerechte Ablehnung versäumt, sieht der Entwurf eine gesetzliche Fiktion vor: Dann gilt die mobile Arbeit entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers für die Dauer von maximal sechs Monaten als festgelegt. Die gesetzliche Fiktion soll auch greifen, wenn der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer den Wunsch, mobil zu arbeiten, überhaupt nicht erörtert.
Pflicht zur vollständigen Erfassung der Arbeitszeit
Weiterhin ist vorgesehen, dass für Arbeitnehmer, die regelmäßig mobil arbeiten, künftig die gesamte Arbeitszeit täglich vollständig zu erfassen ist. Der Arbeitgeber soll verpflichtet werden, Beginn, Ende und Dauer der gesamten Arbeitszeit derjenigen Arbeitnehmer, auf die das Arbeitszeitgesetz Anwendung findet und die regelmäßig mobil arbeiten, am Tag der Arbeitsleistung aufzuzeichnen. Die Arbeitszeitnachweise sind mindestens zwei Jahre aufzubewahren. Die Aufzeichnungen können auch durch den Arbeitnehmer erfolgen, allerdings bleibt der Arbeitgeber für die ordnungsgemäße Aufzeichnung verantwortlich. Formvorgaben werden indes nicht geregelt, die Arbeitszeiterfassung muss daher nicht zwingend digital oder elektronisch erfolgen. Die Arbeitsschutzbehörden haben die Pflichten der Arbeitgeber zu überwachen. Zudem sollen die Bußgeldvorschriften der Gewerbeordnung um eine Vorschrift zu den Arbeitszeitnachweisen ergänzt und dadurch künftig Geldbußen bis zu 30.000 Euro verhängt werden.
Verbesserter Unfallversicherungsschutz
Arbeitnehmer sollen künftig, wenn sie im Homeoffice oder an einem anderen Ort außerhalb des Betriebs arbeiten, im gleichen Umfang Versicherungsschutz haben, wie bei einer Tätigkeit in der Betriebsstätte. Vom Versicherungsschutz soll zudem das Zurücklegen des unmittelbaren Weges zu und von Kinderbetreuungseinrichtungen erfasst werden, wenn die Tätigkeit in dem gemeinsamen Haushalt ausgeübt wird.
Regelungen des Arbeitsschutzes bleiben unberührt
Weiterhin heißt es im Gesetzentwurf, dass die Regelungen des Arbeitsschutzes unberührt bleiben und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin vor Beginn der mobilen Arbeit in Textform darüber zu informieren hat, wie seine oder ihre Sicherheit und Gesundheit gewährleistet wird. Arbeitgeber müssen also weiterhin die bei mobiler Arbeit auftretenden Gefährdungen beurteilen, Schutzmaßnahmen festlegen und Beschäftigte im Hinblick auf die erforderlichen Sicherheits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen sorgfältig unterweisen.
In der Begründung des Gesetzentwurfs hebt das Ministerium hervor, dass der Unterweisung im Hinblick auf die erforderlichen Sicherheits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen ein besonderer Stellenwert zukomme, weil die Möglichkeiten der Einflussnahme des Arbeitgebers auf die Arbeitsverhältnisse außerhalb der Arbeitsstätte begrenzt seien. Das betreffe insbesondere das Arbeiten im Privatbereich. Die Mitwirkungsbereitschaft der Beschäftigten beim Arbeitsschutz gewinne daher bei mobiler Arbeit besondere Bedeutung. Die Unterweisung diene dazu, die Beschäftigten zu befähigen, für ihre eigene Sicherheit und Gesundheit Sorge zu tragen.
Mit Ausnahme der Bestimmung zur Geltung des Arbeitsschutzes kann durch Tarifvertrag, Betriebs- oder Dienstvereinbarung auch zuungunsten der Arbeitnehmer von den gesetzlichen Regelungen zur mobilen Arbeit abgewichen werden.
Nach derzeitigem Stand soll der Entwurf noch im Februar im Kabinett behandelt werden. Ob und mit welchem Inhalt sich die Regierungsparteien auf einen Entwurf einigen können, bleibt abzuwarten. Aus der CDU war zu hören, dass der Erörterungsanspruch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedenfalls dem Koalitionsvertrag entspreche. Das Wirtschaftsministerium zeigte sich nach wie vor skeptisch – auch bezüglich des neuen Entwurfs. Zwar müssten, so der Wirtschaftsminister, zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Lösungen gefunden werden, ein Bedarf für eine gesetzliche Neuregelung liege jedoch nicht vor, sodass eine Diskussion nicht zielführend sei.
Der Gesetzesentwurf lädt tatsächlich an einigen Stellen zur Kritik ein. So beschränkt er sich im Wesentlichen auf die Regelung eines Verfahrens zur Vereinbarung eines von der Betriebstätte abweichenden Arbeitsorts. Im wichtigen Bereich des Arbeitsschutzes sind ausschließlich Regelungen zur Arbeitszeiterfassung vorgesehen. Die Auswirkungen auf die nach dem Arbeitszeitgesetz geltenden Höchstarbeitszeiten, Pausen und Ruhepausen werden dagegen nicht thematisiert. Die rechtlichen und praktischen Probleme der Überwachung und Einhaltung des Arbeitsschutzes bei mobiler Arbeit werden durch das Gesetz ebenfalls nicht gelöst. Stattdessen wird dem Arbeitgeber noch die zusätzliche Pflicht auferlegt, den Arbeitnehmer zu informieren, wie seine Sicherheit und Gesundheit gewährleistet wird. Auch bleibt die Frage offen, ob sich der Arbeitgeber etwa wie bei der Telearbeit vor dem Abschluss eines Homeoffice-Vertrages über die örtlichen Arbeitsschutzsituation beim Arbeitnehmer vor Ort einen Überblick verschaffen muss. Unberücksichtigt bleiben auch Regelungen zur Ausstattung und Kostentragung des mobilen Arbeitsplatzes. Dabei ist es erheblich, ob dem Arbeitnehmer für die Einrichtung des Homeoffice-Arbeitsplatzes auch die entsprechende Ausstattung (Handy, Laptop, Büroeinrichtung) gestellt und Kosten für Miete, Strom und Internet erstattet werden.
Fazit
Als positives Fazit bleibt festzuhalten, dass die Gesetzesinitiative einen Schritt in die richtige Richtung darstellt, um die Entwicklungen der Arbeitswelt (Arbeit 4.0) rechtlich zu erfassen und angemessen einzuordnen – auch wenn der aktuelle Gesetzentwurf noch viele wichtige Fragen offenlässt.