Frau Stein, Sie rasen gerne im Porsche durch enge Gassen oder stürzen sich kopfüber von Dächern. Das erscheint waghalsig und spektakulär. „High Action – Low Risk“ heißt es aber bereits auf Ihrer Website. Sicherheit hat demnach einen großen Stellenwert für Sie?
Sicherheit ist das A und O in unserer Branche, sonst könnten wir den Job nicht lange machen. Man kann sich nicht alle paar Monate verletzen, so funktioniert das nicht. Wir versuchen, das Risiko so gering wie möglich zu halten – im Gegensatz zur landläufigen Meinung, dass wir das Risiko suchen. Ja, aber ein kontrolliertes Risiko.
In vielen Filmszenen können Sie keine Schutzkleidung tragen, weil sie als Double in die „Haut“ der Schauspieler schlüpfen. Welche Sicherheitsvorkehrungen treffen Sie stattdessen?
Wenn der Regisseur wirklich darauf besteht, dass ich zum Beispiel einen kurzen Rock tragen muss, wenn mich ein Auto anfährt, dann kann ich den Stunt nur an diese Situation angepasst machen, das heißt, das Auto muss langsamer fahren oder es werden Matten oder Seile eingesetzt, die im Nachhinein dann rausretuschiert werden. Es liegt immer in meiner Hand, wie und ob ich es mache. Oberste Priorität ist, dass ich mich nicht verletze. Wenn die Rolle sehr actionlastig ist, wird auch im Vorhinein schon besprochen, welche Kleidung auch für uns optimal wäre!
Was macht eine erfolgreiche Stuntfrau aus, die ihrem Beruf möglichst lange nachgehen möchte?
Erstmal ist es gut, ein sehr breites Spektrum an sportlichen Fähigkeiten vorweisen zu können und es ist von Vorteil, wenn man sehr früh damit angefangen hat! Ein gutes Körpergefühl, eine schnelle Reaktionszeit und einen gewissen Instinkt richtig zu reagieren, auch unter Stress, widrigen Bedingungen und unvorhersehbaren Faktoren, muss früh geübt werden. Umso länger kann man das auf einem hohen Niveau halten.
Man muss ständig an seiner Fitness arbeiten und für die einzelnen Stunts gibt es dann noch ein spezielles Training. Im Grunde sind wir wie Leistungssportler, nur in mehreren Disziplinen. Die Erfahrung ist ein sehr wichtiger Faktor, um die Situationen richtig einschätzen zu können. Stunts stehen nun mal nicht in Lehrbüchern.
Ein gewisses technisches Verständnis ist auch von Vorteil, da viele Stunts mit Physik und Technik zu tun haben.
Sie haben einmal gesagt: „In mir wohnt ein wildes Herz.“ Benötigen Sie auch im Alltag einen gewissen Nervenkitzel?
Ich würde schon sagen, dass ich das brauche. Wir Stuntleute sind alle Jäger und haben ADHS – das ist zumindest meine Theorie. Je mehr Stress, desto besser!
Das muss aber nicht jeden Tag ein Sturz aus einem Haus sein. Ich brauche etwas Aufregung in meinem Leben, in welcher Form auch immer! Gott sei Dank kann ich das auch beim Sport kompensieren. Das ist dann wie eine kleine Wildschweinjagd.
Steckbrief
- geboren in Karlsruhe
- Beruf: Stuntfrau und Stuntkoordinatorin
- beteiligt an mehr als 300 nationalen und internationalen Film- und Fernsehproduktionen, darunter „Inglourious Basterds“ von Quentin Tarantino, „Tschick“ von Fatih Akin, „Berlin Babylon“ von Tom Tykwer und die Netflix-Serie „sense8“