Jeder Arbeitgeber ist verpflichtet für seine Beschäftigten eine Gefährdungsbeurteilung gemäß §5 Arbeitsschutzgesetz durchzuführen. Was aber bedeutet das in der Folge konkret für RLT-Anlagen und deren Betrieb?
An RLT-Anlagen finden Tätigkeiten, wie das in der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) §2 benannte „Montieren und Installieren, Bedienen, An- oder Abschalten oder Einstellen, Gebrauchen, Betreiben, Instandhalten, Reinigen, Prüfen, Umbauen, Erproben, Demontieren, Transportieren und Überwachen“ statt. Daraus ließe sich prinzipiell ableiten, dass es sich bei RLT-Anlagen grundsätzlich um Arbeitsmittel im Sinne der BetrSichV handelt und sich die Notwendigkeit einer Gefährdungsbeurteilung nach BetrSichV, §3, ergibt.
Die allgemeine Gleichsetzung von RLT-Anlagen, wie auch verschiedenen anderen gebäudetechnischen Anlagen, mit einem „Arbeitsmittel“ gemäß BetrSichV trifft aber in den Verkehrskreisen auf unterschiedliche Sichtweisen. So grenzen sich die Leitlinien zur BetrSichV (LASI-Veröffentlichung (LV) 35) Aufzüge von anderen gebäudetechnischen Anlagen ab. Dort wird unter Begriffsbestimmungen A 2.1 zu § 2, Abs. 1 „Gebäude / Gebäudebestandteile / Einrichtungen“ auf die Frage „Gehören Gebäude bzw. Einrichtungen in Gebäuden zu den Arbeitsmitteln nach BetrSichV?“ geantwortet: „Gebäude, in denen sich Arbeitsstätten befinden, unterliegen der Arbeitsstättenverordnung ArbStättV. Bei Einrichtungen in Gebäuden, wie z.B. kraftbetriebene Türen, Rolltore, Beleuchtung, Lüftungstechnische Anlagen, Elektroinstallation und Heizungsanlagen, gelten ebenfalls die Anforderungen der ArbStättV. Die BetrSichV ist zugleich anzuwenden, wenn die Benutzung der Einrichtungen in direktem Zusammenhang mit der Arbeit steht (z.B. Elektroinstallation in explosionsgefährdeten Bereichen).“ Ähnliche Abgrenzungen vom Geltungsbereich der BetrSichV für diese Anlagen finden sich in verschiedenen Kommentaren dieser Verordnung [1/2].
Nach unserer Einschätzung erscheint diese Abgrenzung willkürlich, da zum Beispiel RLT-Anlagen häufig eine notwendige Voraussetzung für die Arbeit darstellen. Unabhängig von der verbleibenden Unklarheit hinsichtlich der Anwendung der BetrSichV gilt für diese Anlagen sehr wohl der Geltungsbereich der ArbStättV, wo im §3 gleichfalls die Anforderung an eine Gefährdungsbeurteilung besteht.
Welche Gefährdungsbeurteilung für wen?
In der VDI 6022 Blatt 1 – Hygieneanforderungen an raumlufttechnische Anlagen und Geräte – nimmt die Gefährdungsbeurteilung mit der aktuellen Fassung vom Januar 2018 breiten Raum ein [3]. So heißt es dort in Abschnitt 7.5 – Gefährdungsbeurteilung — „Diese Richtlinie erhebt die Forderung nach einer Gefährdungsanalyse selbst nicht, sie ist die zentrale Hilfestellung für die Erstellung einer Gefährdungsanalyse für die Themen Raumlufttechnik und Raumluftqualität.“
Wie eingangs dargelegt, finden an RLT-Anlagen verschiedenste Tätigkeiten statt. In der Regel handelt es sich in diesen Fällen bei der RLT-Anlage um den Arbeitsgegenstand und dies erfordert tätigkeitsbezogene Gefährdungsbeurteilungen für die Instandhaltung. Im Anhang der VDI 6022 Blatt 1 wird diese Gefährdungsbeurteilung konkretisiert. Neben den an Anlagen / Maschinen regelmäßig auftretenden Risiken, zum Beispiel durch elektrische oder mechanische Gefährdungen, sind insbesondere der häufig anzutreffende Einsatz von Gefahrstoffen und das Auftreten von Biostoffen für die Gefährdungsbeurteilung von Relevanz.
Bei den Gefahrstoffen handelt es sich in der Regel um Reinigungs- und Desinfektionsmittel oder auch Kältemittel. Das Auftreten von Biostoffen findet gegebenenfalls im Rahmen nicht gezielter Tätigkeiten gemäß Biostoffverordnung statt. Hierbei handelt es sich in der Regel um die mit der durch die RLT-Anlage angesaugten Luft in die Anlage eingetragenen Biostoffe. Dazu gehören zum Beispiel Bakterien oder Schimmelpilzsporen, die in der überwiegenden Mehrzahl der niedrigsten Risikogruppe unter den Biostoffen angehören dürften. Diese finden sich in den Verschmutzungen der Anlagen wieder und machen daher keinen Unterschied zu anderen Arbeitsbereichen. Kritisch kann die Situation werden, wenn es durch geeignete Wachstumsbedingungen in der RLT-Anlage zu einer starken Vermehrung durch zum Beispiel Bakterien wie Legionellen kommt. Hiervon sind primär Feuchtbereiche wie Luftwäscher betroffen. Eine massive Vermehrung von Schimmelpilzen, wie an dauerhaft feuchten Wänden oft zu beobachten, findet sich nach unserer Erfahrung in RLT-Anlagen nur in sehr seltenen Fällen (zum Beispiel bei dauerhaft durchfeuchteten Filtern und „Pfützenbildung“). Aufgrund der nach Feuchtigkeitsniederschlag in der Regel schnell abgetrockneten Metallgehäuse erklärt sich dies nachvollziehbar. Eine tiefe und nachhaltige Feuchtigkeit, wie sie für andauerndes Schimmelpilzwachstum nötig ist, liegt hier nur selten vor.
In der VDI 6022 Blatt 1 wird aufgrund der angesprochenen Bedingungen in besonderer Weise auf die Anforderungen aus den Gefährdungsbeurteilungen gemäß §6 Gefahrstoffverordnung und §4 Biostoffverordnung abgehoben. Neben den potenziellen Gefährdungen werden die Schutzmaßnahmen, insbesondere die persönliche Schutzausrüstung, die Anforderungen an die Betriebsanweisung und Mitarbeiterunterweisung sowie die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung beschrieben.
Wie aber sieht es mit den Beschäftigten aus, die sich lediglich in Arbeitsräumen aufhalten und der Zuluft einer RLT-Anlage ausgesetzt sind? Auch hier fordert die VDI 6022 Blatt 1 im Abschnitt 7.5.1 „Die Beurteilung des Gesamtzustandes einer RLT-Anlage und das daraus abzuleitende Risikopotenzial wird mithilfe einer fachkundig durchgeführten Gefährdungsbeurteilung ermittelt.“. Mögliche Gefährdungen sind Belastungen durch Zugerscheinungen oder erhöhte Lufttemperaturen, Symptome des Sick Building Syndroms (Schleimhautreizungen, etc.) bis hin zu Belastungen mit Gefahrstoffen und Mikroorganismen. Die beiden letztgenannten Gefährdungen können auftreten, wenn die Zuluftqualität aus der RLT-Anlage beeinträchtigt ist. Dies kann z.B. im Fall von keimbelasteten Luftbefeuchtern in der Anlage der Fall sein. Andere Belastungen können über eine ungeeignete Lage der Außenluftansaugung in die Arbeitsstätte gelangen (Abb. 1).
Die Gefährdungsbeurteilung für diese Zielgruppe, wie sie in der VDI 6022 Blatt 1 angesprochen wird, erscheint ausgesprochen einseitig auf mögliche Anlagenverschmutzungen, speziell mikrobieller Natur, ausgerichtet. Das greift nach unserer Einschätzung deutlich zu kurz und deckt sich auch nicht mit den in den relevanten Arbeitsstättenrichtlinien (ASR A3.5 und A3.6) beschriebenen Anforderungen. Diese heben primär auf Klimaparameter, wie Temperatur oder Luftgeschwindigkeiten, ab. Unverständlich ist, dass sich Forderungen nach der Messung von Klimaparametern und Luftwechselraten in der VDI 6022 Blatt 1 in diesem Zusammenhang nicht wiederfinden. Dagegen wird erwartet, dass die grundsätzlich sinnvollen Luftkeimmessungen (ergänzend zu den bisher ausschließlich geforderten Oberflächenproben) verpflichtend auch die Keimdifferenzierung von Schimmelpilzen einschließen. Diese Forderung geht nach unserer aktuellen Befundlage aus der Prüfung tausender RLT-Anlagen deutlich über das notwendige bzw. sinnvolle Maß hinaus, da eine Keimdifferenzierung in vielen Konstellationen (zum Beispiel geringe bis mäßige Luftkeimgehalte) keine zusätzlichen beziehungsweise keine statistisch abgesicherten Erkenntnisse liefert. Sie ist nach unserer Einschätzung erst sinnvoll, wenn bei den Luftkeimmessungen in der Zuluft deutliche Auffälligkeiten auftreten oder konkrete Anlässe wie zum Beispiel gesundheitliche Beschwerden bei Raumnutzern vorliegen. Im Umkehrschluss müssten diese Messungen folgerichtig grundsätzlich auch an einer Vielzahl von nicht technisch belüfteten Arbeitsplätzen durchgeführt werden. Stattdessen ist hier die Messung der Klimaparameter sinnvoll, die wesentlich häufiger zu Belastungen am Arbeitsplatz führen. Es bleibt daher abzuwarten, ob sich diese Forderung nach verpflichtenden Schimmelpilzdifferenzierungen im Rahmen der Luftkeimmessungen in der Praxis wirklich durchsetzt.
Wer ist für welche Gefährdungsbeurteilung verantwortlich?
Da bezüglich der Verantwortungszuordnung für die Gefährdungsbeurteilung häufig Missverständnisse auftreten, soll hier ausdrücklich darauf verwiesen werden, dass natürlich der Arbeitgeber des Instandhaltungspersonals beziehungsweise der Beschäftigten in den belüfteten Räumen für die jeweilige Gefährdungsbeurteilung verantwortlich ist. Sofern die Instandhaltung der RLT-Anlagen durch einen externen Dienstleister erfolgt, ist dieser natürlich nur für seine eigenen Beschäftigten verantwortlich. Er ist aber nicht der Adressat des Arbeitsschutzrechtes bezüglich der Gefährdungsbeurteilung für die Beschäftigten, welche der Zuluft durch die RLT-Anlage ausgesetzt sind.
Gefährdungsbeurteilung als Grundlage für die Instandhaltung
Aus den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung für die individuelle Anlage sind Umfang und Fristen der Wartungsmaßnahmen und Prüfungen abzuleiten. Der Arbeitgeber ist dazu angehalten dies nach dem Stand der Technik umzusetzen. Eine Konkretisierung findet sich dazu weder in der ArbStättV noch in den Arbeitsstättenrichtlinien. Stattdessen liegen dafür, neben den Herstellerangaben, unterschiedliche technische Regelwerke vor. Diese legen für die Anlagen, je nach Einsatzzweck und Art des Gebäudes, Anforderungen an die Instandhaltung und den Betrieb fest. Die Regelwerke fokussieren sich aber nicht ausschließlich auf die den Arbeitsschutz umfassenden Sicherheitsmerkmale, sondern berücksichtigen auch Aspekte wie Funktionalität, Verfügbarkeit, Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang vor allem nachfolgende Regelwerke:
- VDI 3810 Blatt 4, Betreiben und Instandhalten gebäudetechnischer Anlagen [4]
- VDI 6022 Blatt 1, Hygieneanforderungen an RLT-Anlagen und ‑Geräte [2]
- AMEV 430, Arbeitskarte für Lufttechnische Anlagen [5]
- VDMA Einheitsblatt 24186, Leistungsprogramm für die Wartung von technischen Anlagen und Ausrüstungen in Gebäuden; Teil 1: Lufttechnische Geräte und Anlagen [6]
Diese technischen Regelwerke setzen unterschiedliche Schwerpunkte, sind in Teilen aber inhaltlich deckungsgleich. Es bleibt letztlich Aufgabe des Arbeitgebers, die relevanten technischen Regelwerke für Betrieb und Instandhaltung zu ermitteln und daraus die Maßnahmen abzuleiten. Gleiches gilt im Fall der vorgeschriebenen Prüfungen der Anlagen, für die in der VDI 6022 Blatt 1 mit der Hygieneinspektion Prüffristen und ‑kriterien beschrieben sind.
Literatur
- Fähnrich, Ralph; Mattes, Hatto – Betriebssicherheitsverordnung 2015 – Das Arbeitsbuch mit Erläuterungen für die Praxis, Erich Schmidt Verlag, Berlin 2015
- Scheuermann, Klaus; Schucht, Carsten – Die neue Betriebssicherheitsverordnung – Praxisleitfaden zur sicheren Verwendung von Arbeitsmitteln, Bundesanzeiger Verlag, Köln 2015
- VDI 6022 Blatt 1 (01/2018) Raumlufttechnik, Raumluftqualität; Hygieneanforderungen an RLT-Anlagen und –Geräte
- VDI 3810 Blatt 1 (04/2013) Betreiben und Instandhalten von Gebäuden und gebäudetechnischen Anlagen – Raumlufttechnische Anlagen
- AMEV 430 Arbeitskarte für Lufttechnische Anlagen
- VDMA Einheitsblatt 24186 Leistungsprogramm für die Wartung von technischen Anlagen und Ausrüstungen in Gebäuden; Teil 1: Lufttechnische Geräte und Anlagen
Dr. Christoph Sinder, B.Sc. Daniel Michalek, Dr. Frank Pfeifer
DMT GmbH & Co. KG, Geschäftsfeld Anlagen- & Produktsicherheit,
TÜV NORD GROUP