In einem Lebensmittel-Unternehmen kam es zu folgendem Unfall:
Ein Tanklastzug sollte dringend benötigte Rohware anliefern. Dazu fuhr der Lkw-Fahrer an das angegebene Tanksilo heran. Um eine günstige Entladeposition zu erreichen, musste er noch etwas rangieren. Dabei bemerkte er plötzlich einen dumpfen Stoß und darauffolgend einen Schrei. Er hielt das Fahrzeug sofort an und sah nach, was passiert war. Zwischen den rechten Rädern der Aufliegerdoppelachse war eine Person eingequetscht. Der Fahrer rief sofort über sein Funktelefon Rettungsdienst und Feuerwehr. Durch die Schmerzensschreie waren inzwischen weitere Mitarbeiter auf den Vorfall aufmerksam geworden, eilten hinzu und versuchten, Erste Hilfe zu leisten. Aber erst die Feuerwehr konnte mit einem Hebekissen den Auflieger soweit anheben, dass der Verunfallte geborgen und durch die Rettungskräfte versorgt werden konnte. Er wurde zur weiteren Behandlung mit einem Rettungshubschrauber in eine Spezialklinik geflogen, da er komplizierte Brüche an beiden Beinen erlitten hatte.
Der Unfallhergang
Der Verunfallte war Mitarbeiter der Wareneingangskontrolle in dem Unternehmen und sollte an dem Tanklastzug eine Warenprobe entnehmen, bevor die Rohware in das Silo eingefüllt werden durfte. Dazu war er zwischen den Silos an den Lkw herangetreten, ohne dass der Lkw-Fahrer dies bemerken konnte. Beim Rangieren des Fahrzeugs wurde er erfasst und vom hintersten Räderpaar der Doppelachse überrollt.
Die Unfallursachen
Die Ursachen für den Unfall lagen in dem Zusammenwirken mehrerer technischer Umstände und Verhaltensweisen. Erste Ursache war die ungünstige Gestaltung des Zufahrtsweges für die Anlieferung an die Siloanlage mit Sattelzugmaschinen. Daraus resultierte auch Ursache Nummer zwei: Aufgrund der räumlichen Gegebenheiten waren Rangiervorgänge unter schlechten Sichtverhältnissen, insbesondere auf der den Silos zugewandten Fahrzeugseite, vonnöten. Die dritte Ursache bestand in einem Verhaltensfehler des Mitarbeiters, der einfach an das Fahrzeug herantrat, ohne sich bei dem Fahrer bemerkbar zu machen oder erkennbar zu sein.
Festgestellte Mängel – abgeleitete Schutzmaßnahmen
Im Rahmen der Unfalluntersuchung wurde festgestellt, dass für die Tätigkeit „Wareneingangskontrolle“ eine Gefährdungsbeurteilung vorlag und die Mitarbeiter auch regelmäßig aktenkundig unterwiesen wurden. Was in der Gefährdungsbeurteilung fehlte, war die Vorgabe, bei Tätigkeiten in Verkehrsbereichen eine Warnweste zu tragen. Die Aufnahme dieser Vorschrift wurde umgehend veranlasst.
Da der Mitarbeiter zwischen den Tanksilos herausgetreten war, wäre er wahrscheinlich auch mit Warnweste für den Lkw-Fahrer zu spät erkennbar gewesen. Deshalb wurden die Bereiche zwischen den Silos so abgesperrt, dass nur noch im vorgesehenen Parkbereich des Fahrerhauses ein Herantreten an den Lkw möglich ist. Weiterhin wurde hinterfragt, warum der Lkw zum Erreichen der Entladeposition überhaupt rangieren musste und nicht gerade heranfahren konnte. Hier stellte sich die Situation so dar, dass die Anfahrt zu den Silos für Sattelzugmaschinen zu eng gestaltet war und diese somit eine sehr enge Kurve fahren müssen. Damit steht der Auflieger dann zu weit von der Entladestelle entfernt. Im Rahmen der Überarbeitung des Betriebsverkehrskonzeptes wurde die Zufahrt für die Anlieferung mittels Sattelzugmaschinen verändert. Zusätzlich wurden im Bereich der Anlieferzone Spiegel angebracht, mit denen der Fahrzeugführer den gesamten Bereich zwischen Fahrzeug und Silos einsehen kann.
Im Rahmen einer organisatorischen Festlegung wurde weiterhin veranlasst, dass der zuständige Mitarbeiter der Wareneingangskontrolle erst nach Stillstand des Fahrzeugs an dieses herantritt, sich dem Fahrzeugführer gegenüber bemerkbar macht und erst danach mit der Probenentnahme beginnt.
Verkehrskonzept auf dem Prüfstand
Zusätzlich wurde in dem Unternehmen als Reaktion auf den Unfall das gesamte innerbetriebliche Verkehrskonzept auf den Prüfstand gestellt und komplett überarbeitet. Im Ergebnis wurden alle Verkehrs- und Fußwege deutlich sichtbar markiert, kritische Stellen mit Spiegeln ausgerüstet und vorgegeben, dass auf Wegen innerhalb des Betriebsgeländes nur noch mit Warnwesten gelaufen werden darf. Besucher bekommen diese Vorschrift bei der Anmeldung an der Wache ausgehändigt und werden im Rahmen der Sicherheitsschulung entsprechend eingewiesen.
Autor: Dipl.-Ing. Ulf‑J. Schappmann
Sicherheitsingenieur VDSI
SIMEBU Thüringen GmbH
Das können Sie als Sicherheitsbeauftragter tun
- Überprüfen Sie, ob innerbetriebliche Verkehrswege deutlich erkennbar und sicher benutzbar sind. Dazu gehört auch, dass Fahrzeug- und Personenverkehr möglichst getrennt sind.
- Kontrollieren Sie regelmäßig, ob die für die Tätigkeit beziehungsweise den Arbeitsplatz geltenden Betriebsanweisungen und Schutzmaßnahmen eingehalten werden. Dazu gehört auch die richtige Kommunikation mit Fahrzeugführern aller Arten von Transportmitteln.
- Sprechen Sie Mitarbeiter auf Fehlverhalten an. Weisen Sie darauf hin, wie gefährlich dieses Verhalten ist, indem Sie die Schwere möglicher Verletzungen aufzeigen. Unwissenheit schützt nicht vor gesundheitlichem Schaden!
- Sprechen Sie das Thema zusammen mit den zuständigen Vorgesetzten im Rahmen von Unterweisungen und Sicherheitskurzgesprächen an. So tragen Sie dazu bei, dass sich richtiges Verhalten einprägt und durchsetzt.
Weiterführende Informationen
- Arbeitsstättenverordnung
- Technische Regel für Arbeitsstätten „Verkehrswege“
(ASR A1.8)
Regelwerk
- Arbeitsstättenverordnung
- Technische Regel für Arbeitsstätten „Verkehrswege“
(ASR A1.8)