Ein sogenannter „Universal-Dienstleister“ wurde durch den Eigentümer eines Grundstücks beauftragt, einen Fertigteilbungalow des Typs B 22 abzureißen. Diese Fertigteilbungalows sind so konstruiert und konzipiert, dass sie durch den Erwerber in Eigenleistung errichtet werden können.
Es handelt sich um eine einfache Holzrahmenkonstruktion, deren Einzelelemente 2,40 Meter hoch und 1,20 Meter beziehungsweise 0,60 Meter breit sind. Dieser Bungalowtyp wird seit mehr als 50 Jahren produziert. In der Vergangenheit waren die Wandelemente außen mit Asbestzementtafeln und innen mit Holzspanplatten beplankt, heute kommen OSB-Platten und Gipskartonplatten zum Einsatz.
Montageanleitung des Herstellers außer Acht gelassen
Für die Montage erhält der Aufbauer eine genaue Montageanleitung des Herstellers. Dort sind auch detaillierte Angaben zu den notwendigen Abstützungen der Wandelemente beim Aufbau enthalten. Der Rückbau sollte nach den allgemeinen Regeln der Baukunst in umgekehrter Reihenfolge des Aufbaus erfolgen, was im vorliegenden Fall leider nicht beachtet wurde. Zudem wurden wichtige Grundregeln der Statik vernachlässigt.
Durch die Mitarbeiter des „Abbruch-Unternehmens“ wurden zuerst alle Innenwände, die Türen und Fenster sowie die Außenwandplatten und die Wärmedämmung entfernt. Danach wurden die Wandelemente der linken und rechten Außenwand herausgenommen, sodass das Dach nur noch auf der Vorderwand mit den Fenster- und Türelementen und der Rückwand des Gebäudes auflag. Eine statisch sehr fragile Konstruktion, die nach dem Ausbau des letzten Seitenwandelements auch ihre tragende Funktion aufgab und durch das Gewicht des Daches mit allen verbliebenen Elementen nach vorn kippte (siehe schematische Darstellung). Ein Mitarbeiter des „Abbruch-Unternehmens“, der sich zum Zeitpunkt des Einsturzes an der Vorderwand aufhielt, wurde unter dem Dach eingequetscht und erlitt dabei tödliche Verletzungen.
1x1 der Statik: Dreieck besteht – Viereck vergeht
Einer der wesentlichsten Mängel, die auch verantwortlich für den Unfall waren, war die Nichteinhaltung grundlegender Regeln beim Abbruch von Bauwerken: Die einfachste Grundregel der Statik „Dreieck besteht – Viereck vergeht“ wurde missachtet. Durch die Herausnahme der Seitenwandelemente entstand ein Gelenksystem, bei dem bereits geringste Kräfte eine Bewegung und damit das Zusammenklappen auslösen können. Ein weiterer Mangel war die offensichtliche Unkenntnis über die Durchführung derartiger Abbruch- und Rückbauarbeiten beim Verantwortlichen des Auftragnehmers. Hieraus resultierten einige formale Mängel, darunter die fehlende Gefährdungsbeurteilung, das Nichtvorhandensein einer genauen Abbruchanleitung (Betriebsanweisung) und die fehlende Ein- und Unterweisung der eingesetzten Mitarbeiter für die auszuführenden Tätigkeiten.
Wäre die Aufbauanleitung des Herstellers als Vorlage für die Erstellung einer Rückbauanweisung verwendet worden, hätte dieser tödliche Unfall vermieden werden können.
Autor: Dipl.-Ing. Ulf‑J. Schappmann
Sicherheitsingenieur VDSI
SIMEBU Thüringen GmbH
Checkliste zu Abbrucharbeiten für Sicherheitsbeauftragte
So tragen Sie dazu bei, dass sich richtiges Verhalten einprägt und durchsetzt:
- Kontrollieren Sie regelmäßig, ob die für den Arbeitsplatz geltenden Betriebsanweisungen und Schutzmaßnamen eingehalten werden.
- Sprechen Sie Mitarbeiter auf Fehlverhalten an. Weisen Sie darauf hin, wie gefährlich dieses Verhalten ist, indem Sie die Schwere möglicher Verletzungen aufzeigen. Unwissenheit schützt nicht vor gesundheitlichem Schaden!
- Machen Sie mit praktischen Demonstrationen die Gefahr erkennbar und begreifbar.
- Thematisieren Sie die Problematik mit den zuständigen Vorgesetzten im Rahmen von Unterweisungen und Sicherheitskurzgesprächen.
- Prüfen Sie, ob die notwendigen Mittel zum Brandschutz und zur Ersten Hilfe gebrauchsfähig vorhanden sind und die Mitarbeiter in deren Anwendung geschult sind.
Regelwerk
- Arbeitsstättenverordnung
- DGUV Vorschrift 38 Bauarbeiten (ehemals BGV C 22)
- DGUV Regel 101–603 Branche Abbruch und Rückbau
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