Ralf Schneider (Mitarbeiter bei der Abteilung Health, Safety & Environment) und Christian Mitteregger (Ausbildungsleiter) zeichnen für die Auswahl von Projekten in der Ausbildung verantwortlich. Die erfahrenen Mitarbeiter sind bereits seit Jahren dazu übergegangen, die Auszubildenden an möglichst arbeitsnahen Lehrstücken zu schulen. Diese Strategie rührt aus den Erfahrungen der eigenen Lehrjahre, in denen „das U‑Schienen-Feilen nun einmal nicht die Lieblingsbeschäftigung der Azubis war“, wie auch Dieter Geiß weiß. Er ist verantwortlich für den Arbeitsschutz im Werk und daher erster Ansprechpartner für Schneider und Mitteregger, wenn es um die Arbeitsschutz-Projekte der Azubis geht. Doch was verbirgt sich dahinter?
Verbesserungspotential fast überall
Im Kaiserslauterer Werk werden industrielle Vliesstoffe, die in den verschiedensten Bereichen von der Automobilindustrie über die Bekleidungsindustrie bis zur Bauwirtschaft eingesetzt werden, hergestellt. Immer wieder gibt es Verbesserungsmöglichkeiten für den Arbeitsschutz, die entweder den dort arbeitenden Mitarbeitern auffallen oder die die Sicherheitsfachkraft bei ihren regelmäßigen Rundgängen aufgreift. Dieter Geiß weiß, wovon er spricht, wenn er sagt: „Es gibt viele Arbeiten, die durch externe Fachkräfte realisiert werden könnten. Allerdings ginge dabei wichtiges Know-how verloren. Unsere Azubis bekommen eine sinnvolle Aufgabe, die Fachkompetenz wird erweitert und gleichzeitigt werden sie für den Arbeitsschutz sensibilisiert.“ So war es nur ein kleiner Schritt, solche Verbesserungsanfragen aufzugreifen und mit den Lehrwerkstätten als Projekte abzuarbeiten.
In den Lehrplan integriert
Mittlerweile gibt es eine EDV-technische Lösung, bei der Mitarbeiter selber Anregungen eintragen können. Dieter Geiß bringt zudem seine Fälle aus den Werksbegehungen mit ein. Geiss, Schneider und Mitteregger sichten alle Vorschläge regelmäßig und entscheiden gemeinschaftlich, was die Auszubildenden bewältigen können. Es geht dabei vom 1‑Tagesprojekt, etwa der Programmierung einer Steuerung, bis zu einer komplexeren, mehrere Wochen füllenden Aufgabenstellung. Immer im Fokus steht der Bezug zum Arbeitssicherheitsthema. Das ist den drei Männern wichtig, schließlich „sind die Auszubildenden mit ihren 16 bis 18 Jahren diejenigen, die man noch richtig gut sensibilisieren kann. Wenn wir diese Chance nutzen, sind sie diejenigen, die auch später von sich aus auf beste Arbeitssicherheit achten“, sagt Geiß. Mitteregger ergänzt: „Die Summe der Dinge macht das Projekt insgesamt so erfolgreich. Einerseits, weil wir die Azubis quasi mit dem Thema impfen, andererseits, weil sie mit den Projekten Anerkennung im Betrieb finden – jede umgesetzte Maßnahme wird deutlich sichtbar gekennzeichnet mit einer Plakette; die Teammitglieder sind darauf namentlich erwähnt.“ Das Projekt hat mittlerweile auch einen Namen bekommen: „Auszubildende schaffen Sicherheit (A.s.S.)“.
Mit diesem Projekt wurden die Initiatoren nicht nur im vergangenen Jahr mit dem „Förderpreis 2016 Auszubildende“ der BG RCI ausgezeichnet, sondern überzeugten zuvor auch schon unternehmensweit bei der internen Sicherheitsinitiative „We all take care“. Besonders schön für Ausbilder und Azubis daran war, dass Freudenberg dieses Engagement mit einer Fördersumme von 15000 Euro honorierte. Diese investierten die Gewinner in Maschinen und Geräte für die Ausbildung sowie Arbeitssicherheits-Schulungen für die Auszubildenden.
Gepaart mit den gesammelten Erfahrungen trägt die Auszeichnung dazu bei, dass die Betreuer das Projekt fortsetzen und dass die jungen Mitarbeiter sich weiter engagieren, auch, wenn sie die Lehrjahre hinter sich haben. Ein früherer Azubi, jetzt Facharbeiter, meint dazu: „Man achtet viel mehr auf das Thema Sicherheit und gibt auch Tipps, wenn man etwas sieht.“
Interdisziplinär arbeiten
Schneider lobt zudem die Möglichkeit, je nach Projekt die Azubis auch interdisziplinär zusammenarbeiten zu lassen: „Die Materialbeschaffung kann ein Azubi aus dem ersten Lehrjahr übernehmen, schwierigere Schaltungen entwickelt der Elektrik-Auszubildende im dritten Lehrjahr und das Gehäuse baut dann ein weiterer Azubi. Wenn sie die fertigen Projekte dann den Kollegen als sinnvoll und nützlich präsentieren, profitieren die Azubis außerdem durch die Stärkung ihres Selbstbewusstseins.“ Überhaupt ist die Überzeugungsarbeit ein wichtiger Bestandteil, schließlich sind die Auszubildenden direkt im Gespräch mit der Werksleitung, wenn es um die Finanzierung von Material geht, und begutachten die Situationen im Betrieb vor Ort ebenfalls selber, wenn sie etwas entwickeln.
Arbeitssicherheit als Projekte in Lehrwerkstätten einzubeziehen, ist „unabhängig vom Produktionsbereich eines Betriebs immer möglich“, ist sich Geiß sicher. „Es kommt darauf an, den Nutzen für alle zu verdeutlichen und das Projekt konsequent durchzuführen. Dann sind alle Beteiligten auch bei der Umsetzung voll motiviert.“
Praxis-Tipps: Auszubildende in den Arbeitsschutz integrieren
- Schaffen Sie ein elektronisches Board für Problemmeldungen aus dem Betrieb.
- Bilden Sie ein übergreifendes Team aus Sicherheitsfachkraft, Ausbilder und Azubi-Betreuung.
- Klären Sie im Team, welche Problemstellung im Rahmen der Ausbildung als Projekt bearbeitet werden kann.
- Schaffen Sie Anreize und Anerkennung durch Kennzeichnung der Lösungen (Plakette, Namensnennung etc.)
Autorin:
Dipl.-Ing. Susanne C. Steiger