1 Monat GRATIS testen, danach für nur 3,90€/Monat!
Startseite » Sicherheitsbeauftragter »

Bäckerasthma – wenn Mehl krank macht

Lebensmittelstäube als Gesundheitsrisiko
Bäckerasthma – wenn Mehl krank macht

Dr. Friedhelm Kring
Mehlstaub klingt harm­los: Wer beim Bäck­er sein Brot oder seine Brötchen holt, rech­net nicht damit, dass Beschäftigte bei deren Her­stel­lung mit Gefahrstof­fen zu tun haben. Doch mit Getrei­de­mehlen zu hantieren, bedeutet, Staubbe­las­tun­gen aus­ge­set­zt zu sein – und das hat Fol­gen für die Gesundheit.

Bei gesund­heits­ge­fährlichen Stäuben denken wir an Verkehrse­mis­sio­nen, Met­allpul­ver in der addi­tiv­en Fer­ti­gung oder Laser­ton­er. Doch auch ver­meintlich harm­lose, weil biol­o­gis­che Sub­stanzen belas­ten – sobald sie in Pul­ver­form vor­liegen – die Atemwege. Dazu gehören viele Stoffe, die in lebens­mit­telver­ar­bei­t­en­den Betrieben zum Ein­satz kom­men wie Getrei­de­mehle, aber auch Kaf­fee- und Kakaop­ul­ver. Diese Stäube beste­hen je nach Ver­mahlungs­grad aus wenige Mikrom­e­ter kleinen Par­tikeln und kön­nen somit tief in die Lun­gen ein­drin­gen. Beson­ders betrof­fen sind Beschäftigte in Back­be­trieben. Ihnen dro­hen chro­nis­che Atemwegserkrankun­gen wie ein berufs­be­d­ingtes aller­gis­ches Asth­ma. Die Fak­ten zum soge­nan­nten Bäckerasthma:

  • Das durch Mehlstäube verur­sachte Bäck­erasth­ma ist die häu­fig­ste beru­flich bed­ingte aller­gis­che Asth­maerkrankung in Deutschland.
  • Mehr als jed­er dritte Bäck­er erhält irgend­wann eine Erwerb­sun­fähigkeits- oder Erwerbsminderungsrente.
  • Gezielte Forschung, Präven­tion­skam­pag­nen und Aufk­lärung haben die Sit­u­a­tion zwar verbessert, den­noch müssen immer wieder Bäck­er ihren Beruf aufgeben.

Berufsrisiko für Bäcker

Die Brisanz zeigt sich auch in der Sta­tis­tik der gefährlich­sten Berufe in Deutsch­land. Ange­führt wird die Liste von den Gerüst­bauern, doch gemessen anhand des Anteils der Beschäftigten, die eine Erwerb­sun­fähigkeits- oder Erwerb­s­min­derungsrente erhal­ten, kom­men Bäck­er bere­its kurz nach Bauberufen und Sprengmeistern.

Neben den Getrei­de­mehlen kön­nen auch die in Back­stuben ver­wen­de­ten Zusatz- und Hil­f­sstoffe als Aller­gene wirken, das heißt Allergien verur­sachen. Dazu gehören Back­he­fen, Gewürze oder Enzyme, die zuge­set­zt wer­den, um einen Teig luftiger zu machen. Auch die Auss­chei­dun­gen von Vor­ratss­chädlin­gen wie Mehlkäfern, Mot­ten und Mil­ben sowie Schim­melpilze sind poten­zielle Allergieaus­lös­er. Je nach den Arbeits­be­din­gun­gen vor Ort kön­nen somit mehrere Aller­gene zusam­menkom­men, was nicht nur bei beson­ders allergieempfind­lichen Per­so­n­en zu Atemwegsreizun­gen und Beschw­er­den führt. Vor ein­er Diag­nose Bäck­erasth­ma sind die Arbeits­be­din­gun­gen daher genau zu untersuchen.

Prävention: Staubarme Backstuben

Die gute Nachricht ist: Jed­er Back­be­trieb kann die Staubbe­las­tung sein­er Beschäftigten durch gezielte Maß­nah­men deut­lich senken. Die notwendi­gen Schritte, um die Konzen­tra­tion der allergieaus­lösenden Sub­stanzen in der Raum­luft zu ver­min­dern, sind bekan­nt und haben sich bewährt. Dabei gilt – wie immer bei Gefahrstof­fen – das STOP-Prinzip. Als Erstes ist zu prüfen, ob pul­ver­för­mige Back­zu­tat­en durch staubarme Alter­na­tiv­en wie Gran­u­late, Pas­ten oder Flüs­sigkeit­en erset­zt wer­den kön­nen (Sub­sti­tu­tion). Für den häu­fig­sten Allergieaus­lös­er Mehl gilt, dass hydrother­misch behan­delte Mehle (HT-Mehle) als staubarme Tren­n­mehle zum Ein­satz kom­men soll­ten. Alle Arbeitsver­fahren mit pul­ver­för­mi­gen Back­zu­tat­en soll­ten so organ­isiert und durchge­führt wer­den, dass möglichst wenig Stäube freige­set­zt wer­den. Das heißt zum Beispiel:

  • beim Entleeren von Säck­en den Sack unten und oben aufschlitzen
  • entleerte Säcke nicht zerknüllen oder fal­ten, son­dern vor­sichtig zusammenrollen
  • beim Her­stellen der Teige das Mehl möglichst nicht von Hand auswer­fen und – wenn es nicht anders geht – auf eine geringe Fall­höhe achten
  • beim maschinellen Ankneten den kle­in­sten Gang wählen

Auch für das Abwiegen, Mis­chen oder Befüllen von Knet­maschi­nen, Panier­an­la­gen, Aus­roll­maschi­nen usw. kön­nen staubarme Arbeit­stech­niken eingeübt werden.

Gegebenenfalls Atemschutz tragen

Tech­nis­che Optio­nen zur Staub­ver­mei­dung sind kon­se­quent zu nutzen, etwa Füllschläuche an Silowaa­gen aus anti­haf­ten­den Mate­ri­alien und mit Absaugung. Bei teigver­ar­bei­t­en­den Maschi­nen ist es wichtig, dass die Abdeck­un­gen dicht schließen. Spätestens bei staubin­ten­siv­en Tätigkeit­en sollte Atem­schutz getra­gen wer­den. Laut Beruf­sgenossen­schaft Nahrungsmit­tel und Gast­gewerbe (BGN) wird die Mehlstaubkonzen­tra­tion in der Atem­luft deut­lich abge­senkt, wenn ein Betrieb die emp­fohle­nen Maß­nah­men kon­se­quent umsetzt.

Was tun bei allergischen Symptomen?

Betrof­fene find­en Lin­derung durch Nasen­spülun­gen mit Sal­zlö­sun­gen, Augen­tropfen, Nasen­tropfen oder Asth­ma-Medika­mente wie inhala­tive Sprays. Diese Mit­tel bekämpfen jedoch lediglich die Symp­tome und sind keine dauer­hafte Lösung, solange sich an den Arbeits­be­din­gun­gen nichts ändert. Ob eine soge­nan­nte Hyposen­si­bil­isierung oder eine spez­i­fis­che Immunther­a­pie infrage kommt, muss ein Facharzt im Einzelfall entschei­den. Wichtig ist: Wer im Beruf mit Mehlstäuben zu tun hat, sollte sich schon bei ersten Anze­ichen ein­er Allergie wie Schnupfen oder trä­nende Augen an einen Arzt oder den Betrieb­sarzt wen­den. Denn je früher sowohl die Ther­a­pie des Betrof­fe­nen wie auch die Präven­tion im Betrieb begin­nen, desto geringer sind die lang­wieri­gen Folgen.

Der Arzt beziehungsweise Arbeit­ge­ber muss einen Ver­dacht auf Bäck­erasth­ma der BGN melden. Diese prüft dann, ob eine Beruf­skrankheit (BK 4301) vor­liegt. Nicht immer muss der Beruf gewech­selt wer­den. Bevor es so weit kommt, soll­ten betrof­fene Betriebe das Präven­tion­spro­gramm der BGN nutzen. Dazu gehört neben ärztlich­er Beratung und Allergiedi­ag­nos­tik auch eine tech­nis­che Beratung im Betrieb sowie die Schu­lung der Beschäftigten.

Angebotsvorsorge auch bei niedrigen Staubwerten

Mehlstäube sind zudem ein The­ma für die arbeitsmedi­zinis­che Vor­sorge. Sobald die Mehlstaubkonzen­tra­tion vier Mil­ligramm pro Quadrat­meter Luft über­schre­it­et, greift die Pflichtvor­sorge laut Verord­nung zur arbeitsmedi­zinis­chen Vor­sorge (ArbMedVV). Doch auch unter­halb dieses Wertes muss der Arbeit­ge­ber die Vor­sorge anbi­eten: In Anhang 1(2) der ArbMedVV wird Mehlstaub unter „Son­stige Tätigkeit­en mit Gefahrstof­fen“ neben Schweißrauch, Iso­cyanat­en und Bleiverbindun­gen genan­nt. Auf diesen Pas­sus sollte man Kol­le­gen oder Vorge­set­zte aufmerk­sam machen, wenn im Betrieb „das biss­chen Mehlstaub“ nicht als Gesund­heits­bedro­hung erkan­nt und die Gefahr herun­terge­spielt wird.

Allergieauslöser aus der Natur

Zwar sind Mehlstäube das promi­nen­teste Beispiel, doch je nach Branche und Arbeit­splatz haben viele weit­ere Stoffe aus der Natur das Poten­zial, Allergien zu verur­sachen. Die Sub­stanzen kön­nen von Pflanzen stam­men wie Stäube von Getrei­de, Bohnen, Kaf­fee­bohnen und Holz oder von Tieren wie die Stäube von Fed­ern, Haaren, Insek­ten, Roh­sei­de, Perl­mutt und anderem. Gefährdet sind daher nicht nur Bäck­er, Kon­di­toren, Müller und Mitar­bei­t­ende in lebens­mit­telver­ar­bei­t­en­den Betrieben, son­dern auch Land­wirte, Tierpfleger, Friseure, Vet­er­inäre, Wal­dar­beit­er, Schrein­er sowie Beschäftigte in der Gas­tronomie oder Pharmabranche.


Fünf Fragen zum Bäckerasthma

Was genau ist ein Bäckerasthma?

Bäck­erasth­ma ist die umgangssprach­liche Beze­ich­nung für ein aller­gis­ches Asth­ma, das durch Mehlstaub aus­gelöst wird. Ähn­lich wie bei ein­er Pol­lenal­lergie (Heuschnupfen) oder ein­er Hausstaubal­lergie reagieren die Schleimhäute der Nase auf das Einat­men des Aller­gens – in diesem Fall Mehlstaub – mit einem aller­gis­chen Schnupfen. Dieser soge­nan­nte Bäck­er­schnupfen mit Nies­reiz, laufend­er oder ver­stopfter Nase kann sich zu einem Asth­ma bronchiale ausweit­en, wenn die aller­gis­che Reak­tion auf die unteren Atemwege über­greift. Dann reagieren die Bronchien mit pfeifen­d­em Atem, Hus­ten und Luft­not. Die Erkrankung gilt als chro­nisch, und für eine Besserung ist wichtig, den Kon­takt mit dem Aller­gen zu vermeiden.

Kann ich mich vor­ab auf Bäck­erasth­ma testen lassen?

Ein Test auf Bäck­erasth­ma, etwa bevor man sich für eine Aus­bil­dung im Back­handw­erk entschei­det, ist lei­der nicht möglich. Diese berufs­be­d­ingte Allergie kann auch nach mehreren Jahren im Back­beruf noch auftreten.

Wer kann ein Bäck­erasth­ma entwickeln?

Es kann jeden tre­f­fen, der in einem „Mehlberuf“ arbeit­et. Das sind nicht nur Bäck­er und Kon­di­toren, auch Beschäftigte in Mühlen, Land­wirtschaft oder zum Beispiel bei der Tier­füt­terung in Zoos kom­men mit Getrei­de­mehlen in Kon­takt. Vor­erkrankun­gen wie Asth­ma oder eine Pol­lenal­lergie erhöhen das Risiko, ein Bäck­erasth­ma zu entwick­eln, auch Rauchen ist ein ungün­stiger Fak­tor. Per­so­n­en mit Neu­ro­der­mi­tis wird vom Bäcker­beruf abgeraten.

Muss ich bei Bäck­erasth­ma meinen Beruf aufgeben?

Dies galt früher, ist aber heute nicht mehr zwangsläu­fig so. Denn der Arbeit­ge­ber ist verpflichtet, die Staubbe­las­tung am Arbeit­splatz so ger­ing wie möglich zu hal­ten – auch dann, wenn (noch) keine Beschw­er­den aufge­treten sind. Durch das Präven­tion­spro­gramm der BGN ist die Zahl der Erkrankun­gen um mehr als die Hälfte zurück­ge­gan­gen und die schw­eren Fälle wer­den seltener.

Wie läuft die Anerken­nung eines Bäck­erasth­mas als Berufskrankheit?

Treten in einem Back­beruf Schnupfen oder Atem­beschw­er­den auf und wird dies auf eine Mehlstaubal­lergie zurück­ge­führt, kann die Erkrankung als Beruf­skrankheit (BK-Nr. 4301) anerkan­nt wer­den. Dies muss ein Arzt durch gründliche Unter­suchung, Hauttests usw. fest­stellen. Für Bäck­er und Kon­di­toren ist die BGN die erste Anlaufstelle.


Linktipps zu Bäckerasthma


Dr. Friedhelm Kring
Dr. Fried­helm Kring; Foto: © privat

Autor:
Dr. Fried­helm Kring
Freier Jour­nal­ist, Redak­teur und Referent

Unsere Webi­nar-Empfehlung
Newsletter

Jet­zt unseren Newslet­ter abonnieren

Webinar-Aufzeichnungen

Webcast

Jobs
Sicherheitsbeauftragter
Titelbild Sicherheitsbeauftragter 3
Ausgabe
3.2024
LESEN
ABO
Sicherheitsingenieur
Titelbild Sicherheitsingenieur 3
Ausgabe
3.2024
LESEN
ABO
Special
Titelbild  Spezial zur A+A 2023
Spezial zur A+A 2023
Download

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de