Bei gesundheitsgefährlichen Stäuben denken wir an Verkehrsemissionen, Metallpulver in der additiven Fertigung oder Lasertoner. Doch auch vermeintlich harmlose, weil biologische Substanzen belasten – sobald sie in Pulverform vorliegen – die Atemwege. Dazu gehören viele Stoffe, die in lebensmittelverarbeitenden Betrieben zum Einsatz kommen wie Getreidemehle, aber auch Kaffee- und Kakaopulver. Diese Stäube bestehen je nach Vermahlungsgrad aus wenige Mikrometer kleinen Partikeln und können somit tief in die Lungen eindringen. Besonders betroffen sind Beschäftigte in Backbetrieben. Ihnen drohen chronische Atemwegserkrankungen wie ein berufsbedingtes allergisches Asthma. Die Fakten zum sogenannten Bäckerasthma:
- Das durch Mehlstäube verursachte Bäckerasthma ist die häufigste beruflich bedingte allergische Asthmaerkrankung in Deutschland.
- Mehr als jeder dritte Bäcker erhält irgendwann eine Erwerbsunfähigkeits- oder Erwerbsminderungsrente.
- Gezielte Forschung, Präventionskampagnen und Aufklärung haben die Situation zwar verbessert, dennoch müssen immer wieder Bäcker ihren Beruf aufgeben.
Berufsrisiko für Bäcker
Die Brisanz zeigt sich auch in der Statistik der gefährlichsten Berufe in Deutschland. Angeführt wird die Liste von den Gerüstbauern, doch gemessen anhand des Anteils der Beschäftigten, die eine Erwerbsunfähigkeits- oder Erwerbsminderungsrente erhalten, kommen Bäcker bereits kurz nach Bauberufen und Sprengmeistern.
Neben den Getreidemehlen können auch die in Backstuben verwendeten Zusatz- und Hilfsstoffe als Allergene wirken, das heißt Allergien verursachen. Dazu gehören Backhefen, Gewürze oder Enzyme, die zugesetzt werden, um einen Teig luftiger zu machen. Auch die Ausscheidungen von Vorratsschädlingen wie Mehlkäfern, Motten und Milben sowie Schimmelpilze sind potenzielle Allergieauslöser. Je nach den Arbeitsbedingungen vor Ort können somit mehrere Allergene zusammenkommen, was nicht nur bei besonders allergieempfindlichen Personen zu Atemwegsreizungen und Beschwerden führt. Vor einer Diagnose Bäckerasthma sind die Arbeitsbedingungen daher genau zu untersuchen.
Prävention: Staubarme Backstuben
Die gute Nachricht ist: Jeder Backbetrieb kann die Staubbelastung seiner Beschäftigten durch gezielte Maßnahmen deutlich senken. Die notwendigen Schritte, um die Konzentration der allergieauslösenden Substanzen in der Raumluft zu vermindern, sind bekannt und haben sich bewährt. Dabei gilt – wie immer bei Gefahrstoffen – das STOP-Prinzip. Als Erstes ist zu prüfen, ob pulverförmige Backzutaten durch staubarme Alternativen wie Granulate, Pasten oder Flüssigkeiten ersetzt werden können (Substitution). Für den häufigsten Allergieauslöser Mehl gilt, dass hydrothermisch behandelte Mehle (HT-Mehle) als staubarme Trennmehle zum Einsatz kommen sollten. Alle Arbeitsverfahren mit pulverförmigen Backzutaten sollten so organisiert und durchgeführt werden, dass möglichst wenig Stäube freigesetzt werden. Das heißt zum Beispiel:
- beim Entleeren von Säcken den Sack unten und oben aufschlitzen
- entleerte Säcke nicht zerknüllen oder falten, sondern vorsichtig zusammenrollen
- beim Herstellen der Teige das Mehl möglichst nicht von Hand auswerfen und – wenn es nicht anders geht – auf eine geringe Fallhöhe achten
- beim maschinellen Ankneten den kleinsten Gang wählen
Auch für das Abwiegen, Mischen oder Befüllen von Knetmaschinen, Panieranlagen, Ausrollmaschinen usw. können staubarme Arbeitstechniken eingeübt werden.
Gegebenenfalls Atemschutz tragen
Technische Optionen zur Staubvermeidung sind konsequent zu nutzen, etwa Füllschläuche an Silowaagen aus antihaftenden Materialien und mit Absaugung. Bei teigverarbeitenden Maschinen ist es wichtig, dass die Abdeckungen dicht schließen. Spätestens bei staubintensiven Tätigkeiten sollte Atemschutz getragen werden. Laut Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) wird die Mehlstaubkonzentration in der Atemluft deutlich abgesenkt, wenn ein Betrieb die empfohlenen Maßnahmen konsequent umsetzt.
Was tun bei allergischen Symptomen?
Betroffene finden Linderung durch Nasenspülungen mit Salzlösungen, Augentropfen, Nasentropfen oder Asthma-Medikamente wie inhalative Sprays. Diese Mittel bekämpfen jedoch lediglich die Symptome und sind keine dauerhafte Lösung, solange sich an den Arbeitsbedingungen nichts ändert. Ob eine sogenannte Hyposensibilisierung oder eine spezifische Immuntherapie infrage kommt, muss ein Facharzt im Einzelfall entscheiden. Wichtig ist: Wer im Beruf mit Mehlstäuben zu tun hat, sollte sich schon bei ersten Anzeichen einer Allergie wie Schnupfen oder tränende Augen an einen Arzt oder den Betriebsarzt wenden. Denn je früher sowohl die Therapie des Betroffenen wie auch die Prävention im Betrieb beginnen, desto geringer sind die langwierigen Folgen.
Der Arzt beziehungsweise Arbeitgeber muss einen Verdacht auf Bäckerasthma der BGN melden. Diese prüft dann, ob eine Berufskrankheit (BK 4301) vorliegt. Nicht immer muss der Beruf gewechselt werden. Bevor es so weit kommt, sollten betroffene Betriebe das Präventionsprogramm der BGN nutzen. Dazu gehört neben ärztlicher Beratung und Allergiediagnostik auch eine technische Beratung im Betrieb sowie die Schulung der Beschäftigten.
Angebotsvorsorge auch bei niedrigen Staubwerten
Mehlstäube sind zudem ein Thema für die arbeitsmedizinische Vorsorge. Sobald die Mehlstaubkonzentration vier Milligramm pro Quadratmeter Luft überschreitet, greift die Pflichtvorsorge laut Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV). Doch auch unterhalb dieses Wertes muss der Arbeitgeber die Vorsorge anbieten: In Anhang 1(2) der ArbMedVV wird Mehlstaub unter „Sonstige Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“ neben Schweißrauch, Isocyanaten und Bleiverbindungen genannt. Auf diesen Passus sollte man Kollegen oder Vorgesetzte aufmerksam machen, wenn im Betrieb „das bisschen Mehlstaub“ nicht als Gesundheitsbedrohung erkannt und die Gefahr heruntergespielt wird.
Allergieauslöser aus der Natur
Zwar sind Mehlstäube das prominenteste Beispiel, doch je nach Branche und Arbeitsplatz haben viele weitere Stoffe aus der Natur das Potenzial, Allergien zu verursachen. Die Substanzen können von Pflanzen stammen wie Stäube von Getreide, Bohnen, Kaffeebohnen und Holz oder von Tieren wie die Stäube von Federn, Haaren, Insekten, Rohseide, Perlmutt und anderem. Gefährdet sind daher nicht nur Bäcker, Konditoren, Müller und Mitarbeitende in lebensmittelverarbeitenden Betrieben, sondern auch Landwirte, Tierpfleger, Friseure, Veterinäre, Waldarbeiter, Schreiner sowie Beschäftigte in der Gastronomie oder Pharmabranche.
Fünf Fragen zum Bäckerasthma
Was genau ist ein Bäckerasthma?
Bäckerasthma ist die umgangssprachliche Bezeichnung für ein allergisches Asthma, das durch Mehlstaub ausgelöst wird. Ähnlich wie bei einer Pollenallergie (Heuschnupfen) oder einer Hausstauballergie reagieren die Schleimhäute der Nase auf das Einatmen des Allergens – in diesem Fall Mehlstaub – mit einem allergischen Schnupfen. Dieser sogenannte Bäckerschnupfen mit Niesreiz, laufender oder verstopfter Nase kann sich zu einem Asthma bronchiale ausweiten, wenn die allergische Reaktion auf die unteren Atemwege übergreift. Dann reagieren die Bronchien mit pfeifendem Atem, Husten und Luftnot. Die Erkrankung gilt als chronisch, und für eine Besserung ist wichtig, den Kontakt mit dem Allergen zu vermeiden.
Kann ich mich vorab auf Bäckerasthma testen lassen?
Ein Test auf Bäckerasthma, etwa bevor man sich für eine Ausbildung im Backhandwerk entscheidet, ist leider nicht möglich. Diese berufsbedingte Allergie kann auch nach mehreren Jahren im Backberuf noch auftreten.
Wer kann ein Bäckerasthma entwickeln?
Es kann jeden treffen, der in einem „Mehlberuf“ arbeitet. Das sind nicht nur Bäcker und Konditoren, auch Beschäftigte in Mühlen, Landwirtschaft oder zum Beispiel bei der Tierfütterung in Zoos kommen mit Getreidemehlen in Kontakt. Vorerkrankungen wie Asthma oder eine Pollenallergie erhöhen das Risiko, ein Bäckerasthma zu entwickeln, auch Rauchen ist ein ungünstiger Faktor. Personen mit Neurodermitis wird vom Bäckerberuf abgeraten.
Muss ich bei Bäckerasthma meinen Beruf aufgeben?
Dies galt früher, ist aber heute nicht mehr zwangsläufig so. Denn der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Staubbelastung am Arbeitsplatz so gering wie möglich zu halten – auch dann, wenn (noch) keine Beschwerden aufgetreten sind. Durch das Präventionsprogramm der BGN ist die Zahl der Erkrankungen um mehr als die Hälfte zurückgegangen und die schweren Fälle werden seltener.
Wie läuft die Anerkennung eines Bäckerasthmas als Berufskrankheit?
Treten in einem Backberuf Schnupfen oder Atembeschwerden auf und wird dies auf eine Mehlstauballergie zurückgeführt, kann die Erkrankung als Berufskrankheit (BK-Nr. 4301) anerkannt werden. Dies muss ein Arzt durch gründliche Untersuchung, Hauttests usw. feststellen. Für Bäcker und Konditoren ist die BGN die erste Anlaufstelle.
Linktipps zu Bäckerasthma
- DGUV Information 213–705: Empfehlungen Gefährdungsermittlung der Unfallversicherungsträger (EGU) nach der Gefahrstoffverordnung – Mehlstaub in Backbetrieben
- BGN: Vermeidung von Bäckerasthma / Arbeitssicherheitsinformation (ASI) 8.80
- BGN: Empfehlungen zur Minimierung von Atemwegsbelastungen in Backbetrieben
Autor:
Dr. Friedhelm Kring
Freier Journalist, Redakteur und Referent