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Ungeeignete Kleidung beim Brennschneiden - Das Sweatshirt fing Feuer

Ungeeignete Kleidung beim Brennschneiden
Das Sweatshirt fing Feuer

Das Sweatshirt fing Feuer
Schweißer-Schutzkleidung soll vor Gefahren durch flüssige Metallspritzer, Flammen und Lichtbogen schützen. Aber auch die Unterkleidung sollte geeignet sein. Foto: © motorradgbr - stock.adobe.com
Jed­er Beschäftigte, der Schweiß- oder Schnei­dar­beit­en mit Flamme oder Licht­bo­gen aus­führt, hat in der Aus­bil­dung gel­ernt und auch vorge­führt bekom­men, was passiert, wenn die Klei­dung plöt­zlich Feuer fängt, weil sie nicht flamm­sich­er ist. Aber wer denkt an das, was er beim Brennschnei­den unter der Schweißer­schutz­jacke oder ‑hose trägt?

In einem Met­all-Unternehmen war ein Mitar­beit­er beauf­tragt einen größeren Stahlkör­p­er in trans­port­fähige Stücke durch Brennschnei­den zu zerteilen. Dazu benutzte er ein üblich­es, mit Azetylen und Sauer­stoff betriebenes Hand­brennschneidgerät. Er selb­st trug eine Schweißerschutz­jacke und eine Schweißer­schutzhose, Leder­hand­schuhe und Sicher­heitss­chuhe. Unter der Schweißer­schutz­jacke hat­te er ein Sweat­shirt mit Fir­me­nauf­druck an, das alle Mitar­beit­er über das Unternehmen bekom­men hatten.

Kurze Zeit, nach­dem er mit den Brennschnei­dar­beit­en begonnen hat­te, bemerk­te der Mitar­beit­er, das sein Sweat­shirt in Flam­men stand. Er ver­suchte durch Auss­chla­gen mit der Hand die Flam­men zu löschen und lief in Rich­tung Halle, wo es einen Wasser­schlauch gab. Ein ander­er Mitar­beit­er, der zufäl­lig in der Halle tätig war, hörte die Schmerzensschreie, griff geis­tes­ge­gen­wär­tig zum Wasser­schlauch, drehte das Wass­er an und löschte den bren­nen­den Mitar­beit­er ab.

Danach rief er den Notarzt und leis­tete Erste Hil­fe. Der Notarzt stellte Ver­bren­nun­gen 2. und 3. Grades an einem Arm und am Oberkör­p­er des Beschäfti­gen fest und ver­an­lasste den Trans­port mit Ret­tung­shub­schrauber in eine Spezialk­linik für Bran­dopfer. Dort mussten große Haut­flächen über Eigen­haut-Trans­plan­ta­tio­nen erset­zt wer­den. Nach über einem hal­ben Jahr Klinik und Reha-Aufen­thalt kon­nte der Beschäftigte seine Arbeit in dem Unternehmen wieder aufnehmen. Trotz­dem lei­det er unter den verbliebe­nen Brandnarben.

Warum kam es zu dem Unfall beim Brennschneiden?

Ursache des schw­eren Unfalls war die Unken­nt­nis des betrof­fe­nen Mitar­beit­ers über die mögliche „Brandge­fährlichkeit“ des Mate­ri­als der Schweißer­schutz­jacke und des darunter getra­ge­nen Sweatshirts.

Recherchen des Autors zu den in Schweißer­schutzk­lei­dung und solchen Shirts ver­wen­de­ten Mate­ri­alien sowie deren Ver­hal­ten im Brand­fall ergaben erschreck­ende Erkenntnisse.

Die für Schweißer­schutzk­lei­dung gel­tenden Regeln sind in der DGUV Regel 100–500, Kapi­tel 2.26 Schweißen, Schnei­den und ver­wandte Ver­fahren [Inhalte aus vorheriger VBG 15 ] in Num­mer 3.4 Arbeit­sklei­dung niedergelegt:

„3.4.1 Die Ver­sicherten haben bei schweißtech­nis­chen Arbeit­en Klei­dung zu tra­gen, die

1. den Kör­p­er aus­re­ichend bedeckt,

2. nicht mit entzündlichen oder leicht entzündlichen Stof­fen verun­reinigt ist und

3. keine Gegen­stände enthält, die zu beson­deren Gefahren führen können.

Klei­dungsstücke aus Gewebe mit hohem Anteil leicht schmelzen­der Kun­st­fas­er kön­nen Ver­let­zun­gen durch Verbren­nen erhe­blich ver­schlim­mern (Kun­st­stoff­schmelze auf der Haut) und sollen deshalb nicht getra­gen wer­den. …“ (Her­vorhe­bung durch den Autor)

Die Anforderun­gen an Schweißer­schutzk­lei­dung sind aktuell in der Norm DIN EN ISO 11611 geregelt. Es ist aber auch noch Schweißer­schutzk­lei­dung, die nach der Vor­läufer-Norm, DIN EN 470–1, hergestellt wurde, im Han­del und vor allem im Ein­satz. In der aktuellen Norm sind die Anforderun­gen an die Schutzk­lei­dung nach Ver­fahren in zwei Klassen unterteilt. In der Klasse 2, in die das Sauer­stoff­schnei­den ein­ge­ord­net ist, wird eine höhere Beständigkeit gegenüber kleinen Met­all­spritzern gefordert.

Flammhemmende Ausrüstung vermindert sich durch Waschen

Auf dem Markt wer­den hier Schweißer­schutzk­lei­dung aus 100 Prozent Baum­wolle und aus Fasergemis­chen mit Baum­wolle und Kun­st­fasern, meist Poly­ester­fasern, ange­boten. Bei­de Pro­duk­tarten sind immer mit ein­er flammhem­menden Aus­rüs­tung verse­hen. Das Prob­lem hier­bei ist aber, dass die flammhem­mende Aus­rüs­tung der Stoffe durch Waschen bis zum voll­ständi­gen Ver­lust ver­min­dert wird. Dies ist vie­len Nutzern nicht bewusst.

Ein weit­eres Prob­lem ist, dass kaum bekan­nt ist, wie sich Gewebe aus unter­schiedlichen Fasern bei der Ein­wirkung von Flam­men ver­hal­ten. Bekan­nt ist, das Baum­woll­gewebe (BW) sehr schnell und stark bren­nen, während Poly­ester­fasergewebe (PES) schw­er­er bren­nen, aber dann zum Ver­schmelzen und Abtropfen neigen.

Unter­suchun­gen, die die Stiftung War­entest 2009 zur Brennbarkeit von Kinder­bek­lei­dung durchge­führt und in der Zeitschrift Test 2/2009 veröf­fentlicht hat, zeigen das Fasergemis­che aus 60 % BW und 40 % PES stark brennbar bei ein­er sehr schnellen Flam­maus­bre­itung sind. Gle­ich­es gilt für reine Baum­wolle. Selb­st ein Gemisch aus 80 % BW und 25 % PES weist immer noch eine starke Brennbarkeit, aber eine ver­ringerte Flam­maus­bre­itung auf. Unter­suchun­gen, wie sich die Aus­rüs­tung mit flammhem­menden Mit­teln ins­beson­dere nach mehreren Waschvorgän­gen auswirkt, sind dem Autor nicht bekannt.

Das heißt nichts anderes, als dass Arbeit­sklei­dung, aber auch Schutzk­lei­dung, die nicht mehr dem Orig­i­nalzu­s­tand entspricht, eine hohe Gefährdung des Beschäftigten bei Tätigkeit­en mit offe­nen Flam­men, Licht­bö­gen oder anderen Zündquellen darstellen kann

Fazit

Es reicht nicht, bei Tätigkeit­en mit Brandge­fährdung, wie Brennschnei­dar­beit­en, den Beschäftigten nur geeignete Schweißer­schutzk­lei­dung, wie Jacke und Hose, bere­itzustellen und sie in der Benutzung zu unter­weisen. Es sollte auch auf die Eig­nung der Unterklei­dung und die richtige Pflege hingewiesen werden.

Schutzk­lei­dung sollte nur durch geeignete Wäschereien gere­inigt und gegebe­nen­falls wieder mit der notwendi­gen Tex­ti­laus­rüs­tung, zum Beispiel Flammhem­mern, verse­hen werden.

Dies ist auch deshalb sin­nvoll, da damit eine Ver­schlep­pung von Ver­schmutzun­gen und möglicher­weise Kon­t­a­m­i­na­tio­nen in den häus­lichen Bere­ich sich­er ver­mieden wird.


Foto: © Foto­stu­dio City Col­or Mun­schke, Weimar

Autor: Dipl.-Ing. Ulf‑J. Schappmann

Sicher­heitsin­ge­nieur VDSI

SIMEBU Thürin­gen GmbH


Weiterführende Informationen

  • DGUV Regel 100–500, Kapi­tel 2.26 Schweißen, Schnei­den und ver­wandte Verfahren
  • DIN EN ISO 11611:2008–01 Schutzk­lei­dung für Schweißen und ver­wandte Verfahren
  • DIN EN ISO 11612:2009–05 Schutzk­lei­dung zum Schutz gegen Hitze und Flammen
  • DIN EN 14116:2008–08 Schutz gegen Hitze und Flam­men – Mate­ri­alien, Mate­ri­alkom­bi­na­tio­nen und Klei­dung mit begren­zter Flammausbreitung

Das können Sie als Sicherheitsbeauftragter tun

  • Kon­trol­lieren Sie regelmäßig, ob die für den Arbeit­splatz gel­tenden Betrieb­san­weisun­gen und Schutz­maß­na­men einge­hal­ten und die vorge­se­hene PSA auch genutzt werden.
  • Acht­en Sie mit darauf, dass ins­beson­dere PSA, aber auch Arbeit­sklei­dung für die auszuführen­den Tätigkeit­en geeignet sind und richtig und sachgerecht gepflegt werden.
  • Sprechen Sie Mitar­beit­er auf Fehlver­hal­ten an. Weisen Sie darauf hin, wie gefährlich dieses Ver­hal­ten ist, indem Sie die Schwere möglich­er Ver­let­zun­gen aufzeigen. Unwis­senheit schützt nicht vor gesund­heitlichem Schaden!
  • Machen Sie mit prak­tis­chen Demon­stra­tio­nen die Gefahr erkennbar und begreifbar.
  • The­ma­tisieren Sie das Risiko zusam­men mit den zuständi­gen Vorge­set­zten im Rah­men von Unter­weisun­gen und Sicher­heit­skurzge­sprächen und tra­gen Sie so dazu bei, dass sich richtiges Ver­hal­ten ein­prägt und durchsetzt.
  • Prüfen Sie, ob die notwendi­gen Mit­tel zum Brand­schutz und zur Ersten Hil­fe vorhan­den und gebrauchs­fähig und ob die Mitar­beit­er im Gebrauch geschult sind.
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