In einem Metall-Unternehmen war ein Mitarbeiter beauftragt einen größeren Stahlkörper in transportfähige Stücke durch Brennschneiden zu zerteilen. Dazu benutzte er ein übliches, mit Azetylen und Sauerstoff betriebenes Handbrennschneidgerät. Er selbst trug eine Schweißerschutzjacke und eine Schweißerschutzhose, Lederhandschuhe und Sicherheitsschuhe. Unter der Schweißerschutzjacke hatte er ein Sweatshirt mit Firmenaufdruck an, das alle Mitarbeiter über das Unternehmen bekommen hatten.
Kurze Zeit, nachdem er mit den Brennschneidarbeiten begonnen hatte, bemerkte der Mitarbeiter, das sein Sweatshirt in Flammen stand. Er versuchte durch Ausschlagen mit der Hand die Flammen zu löschen und lief in Richtung Halle, wo es einen Wasserschlauch gab. Ein anderer Mitarbeiter, der zufällig in der Halle tätig war, hörte die Schmerzensschreie, griff geistesgegenwärtig zum Wasserschlauch, drehte das Wasser an und löschte den brennenden Mitarbeiter ab.
Danach rief er den Notarzt und leistete Erste Hilfe. Der Notarzt stellte Verbrennungen 2. und 3. Grades an einem Arm und am Oberkörper des Beschäftigen fest und veranlasste den Transport mit Rettungshubschrauber in eine Spezialklinik für Brandopfer. Dort mussten große Hautflächen über Eigenhaut-Transplantationen ersetzt werden. Nach über einem halben Jahr Klinik und Reha-Aufenthalt konnte der Beschäftigte seine Arbeit in dem Unternehmen wieder aufnehmen. Trotzdem leidet er unter den verbliebenen Brandnarben.
Warum kam es zu dem Unfall beim Brennschneiden?
Ursache des schweren Unfalls war die Unkenntnis des betroffenen Mitarbeiters über die mögliche „Brandgefährlichkeit“ des Materials der Schweißerschutzjacke und des darunter getragenen Sweatshirts.
Recherchen des Autors zu den in Schweißerschutzkleidung und solchen Shirts verwendeten Materialien sowie deren Verhalten im Brandfall ergaben erschreckende Erkenntnisse.
Die für Schweißerschutzkleidung geltenden Regeln sind in der DGUV Regel 100–500, Kapitel 2.26 Schweißen, Schneiden und verwandte Verfahren [Inhalte aus vorheriger VBG 15 ] in Nummer 3.4 Arbeitskleidung niedergelegt:
„3.4.1 Die Versicherten haben bei schweißtechnischen Arbeiten Kleidung zu tragen, die
1. den Körper ausreichend bedeckt,
2. nicht mit entzündlichen oder leicht entzündlichen Stoffen verunreinigt ist und
3. keine Gegenstände enthält, die zu besonderen Gefahren führen können.
Kleidungsstücke aus Gewebe mit hohem Anteil leicht schmelzender Kunstfaser können Verletzungen durch Verbrennen erheblich verschlimmern (Kunststoffschmelze auf der Haut) und sollen deshalb nicht getragen werden. …“ (Hervorhebung durch den Autor)
Die Anforderungen an Schweißerschutzkleidung sind aktuell in der Norm DIN EN ISO 11611 geregelt. Es ist aber auch noch Schweißerschutzkleidung, die nach der Vorläufer-Norm, DIN EN 470–1, hergestellt wurde, im Handel und vor allem im Einsatz. In der aktuellen Norm sind die Anforderungen an die Schutzkleidung nach Verfahren in zwei Klassen unterteilt. In der Klasse 2, in die das Sauerstoffschneiden eingeordnet ist, wird eine höhere Beständigkeit gegenüber kleinen Metallspritzern gefordert.
Flammhemmende Ausrüstung vermindert sich durch Waschen
Auf dem Markt werden hier Schweißerschutzkleidung aus 100 Prozent Baumwolle und aus Fasergemischen mit Baumwolle und Kunstfasern, meist Polyesterfasern, angeboten. Beide Produktarten sind immer mit einer flammhemmenden Ausrüstung versehen. Das Problem hierbei ist aber, dass die flammhemmende Ausrüstung der Stoffe durch Waschen bis zum vollständigen Verlust vermindert wird. Dies ist vielen Nutzern nicht bewusst.
Ein weiteres Problem ist, dass kaum bekannt ist, wie sich Gewebe aus unterschiedlichen Fasern bei der Einwirkung von Flammen verhalten. Bekannt ist, das Baumwollgewebe (BW) sehr schnell und stark brennen, während Polyesterfasergewebe (PES) schwerer brennen, aber dann zum Verschmelzen und Abtropfen neigen.
Untersuchungen, die die Stiftung Warentest 2009 zur Brennbarkeit von Kinderbekleidung durchgeführt und in der Zeitschrift Test 2/2009 veröffentlicht hat, zeigen das Fasergemische aus 60 % BW und 40 % PES stark brennbar bei einer sehr schnellen Flammausbreitung sind. Gleiches gilt für reine Baumwolle. Selbst ein Gemisch aus 80 % BW und 25 % PES weist immer noch eine starke Brennbarkeit, aber eine verringerte Flammausbreitung auf. Untersuchungen, wie sich die Ausrüstung mit flammhemmenden Mitteln insbesondere nach mehreren Waschvorgängen auswirkt, sind dem Autor nicht bekannt.
Das heißt nichts anderes, als dass Arbeitskleidung, aber auch Schutzkleidung, die nicht mehr dem Originalzustand entspricht, eine hohe Gefährdung des Beschäftigten bei Tätigkeiten mit offenen Flammen, Lichtbögen oder anderen Zündquellen darstellen kann
Fazit
Es reicht nicht, bei Tätigkeiten mit Brandgefährdung, wie Brennschneidarbeiten, den Beschäftigten nur geeignete Schweißerschutzkleidung, wie Jacke und Hose, bereitzustellen und sie in der Benutzung zu unterweisen. Es sollte auch auf die Eignung der Unterkleidung und die richtige Pflege hingewiesen werden.
Schutzkleidung sollte nur durch geeignete Wäschereien gereinigt und gegebenenfalls wieder mit der notwendigen Textilausrüstung, zum Beispiel Flammhemmern, versehen werden.
Dies ist auch deshalb sinnvoll, da damit eine Verschleppung von Verschmutzungen und möglicherweise Kontaminationen in den häuslichen Bereich sicher vermieden wird.
Autor: Dipl.-Ing. Ulf‑J. Schappmann
Sicherheitsingenieur VDSI
SIMEBU Thüringen GmbH
Weiterführende Informationen
- DGUV Regel 100–500, Kapitel 2.26 Schweißen, Schneiden und verwandte Verfahren
- DIN EN ISO 11611:2008–01 Schutzkleidung für Schweißen und verwandte Verfahren
- DIN EN ISO 11612:2009–05 Schutzkleidung zum Schutz gegen Hitze und Flammen
- DIN EN 14116:2008–08 Schutz gegen Hitze und Flammen – Materialien, Materialkombinationen und Kleidung mit begrenzter Flammausbreitung
Das können Sie als Sicherheitsbeauftragter tun
- Kontrollieren Sie regelmäßig, ob die für den Arbeitsplatz geltenden Betriebsanweisungen und Schutzmaßnamen eingehalten und die vorgesehene PSA auch genutzt werden.
- Achten Sie mit darauf, dass insbesondere PSA, aber auch Arbeitskleidung für die auszuführenden Tätigkeiten geeignet sind und richtig und sachgerecht gepflegt werden.
- Sprechen Sie Mitarbeiter auf Fehlverhalten an. Weisen Sie darauf hin, wie gefährlich dieses Verhalten ist, indem Sie die Schwere möglicher Verletzungen aufzeigen. Unwissenheit schützt nicht vor gesundheitlichem Schaden!
- Machen Sie mit praktischen Demonstrationen die Gefahr erkennbar und begreifbar.
- Thematisieren Sie das Risiko zusammen mit den zuständigen Vorgesetzten im Rahmen von Unterweisungen und Sicherheitskurzgesprächen und tragen Sie so dazu bei, dass sich richtiges Verhalten einprägt und durchsetzt.
- Prüfen Sie, ob die notwendigen Mittel zum Brandschutz und zur Ersten Hilfe vorhanden und gebrauchsfähig und ob die Mitarbeiter im Gebrauch geschult sind.