1 Monat GRATIS testen, danach für nur 3,90€/Monat!
Startseite » Sicherheitsbeauftragter »

Fahrgerüste standsicher aufbauen und nutzen

Unfälle vermeiden
Fahrgerüste standsicher aufbauen und nutzen

Um Arbeit­en in großen Höhen aus­führen zu kön­nen, ist der Ein­satz von Fahrg­erüsten eine gängige Lösung. Damit es nicht zu Unfällen kommt, sind beim Auf­bau und der Nutzung dieser Gerüste jedoch einige Schutz­maß­nah­men zu beacht­en. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie als Sicher­heits­beauf­tragter ihren Arbeit­ge­ber und die Kol­le­gen bei der sicheren Ver­wen­dung von Fahrg­erüsten unter­stützen können.

Fahrg­erüste ermöglichen flex­i­bles Arbeit­en in Höhen von bis zu zwölf Metern. Sie kön­nen – mit der nöti­gen Exper­tise – im Betrieb und auf Baustellen schnell und sich­er aufge­baut wer­den. Bei großen Bau- und Fas­sadengerüsten übernehmen dies auss­chließlich Fach­fir­men. Bei Fahrg­erüsten mit gerin­ger­er Arbeit­shöhe, die unter anderem im Handw­erk Ver­wen­dung find­en, fällt dies zumeist in den Ver­ant­wor­tungs­bere­ich der Betriebe. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die Beschäftigten die Auf­bau- und Ver­wen­dungsan­leitung des Her­stellers sel­ten ken­nen und häu­fig nicht angemessen unter­wiesen sind. Beson­ders drama­tisch wird die Sit­u­a­tion, wenn die Fahrg­erüste nur vere­inzelt benutzt wer­den. Dann fehlt den Beschäftigten schlichtweg die prak­tis­che Erfahrung, die für den stand­sicheren Auf­bau des Gerüstes erforder­lich ist.

Besondere Gefährdungen

Arbeit­en mit Absturzge­fahren sind bekan­nter­maßen ein Unfallschw­er­punkt. Gerüste und Fahrg­erüste erlauben das Arbeit­en in großen Höhen. Wenn Gerüste nicht stand­sich­er errichtet wer­den oder Mitar­beit­er sich sicher­heitswidrig ver­hal­ten, beste­ht insofern ein erhe­blich­es Unfall­risiko. Das zeigt auch das fol­gende Unfallbeispiel:

Am Fre­ita­gnach­mit­tag soll­ten zwei Mitar­beit­er ein­er Elek­trofir­ma ein Fahrg­erüst abbauen und dieses zurück zum Betrieb­shof brin­gen. Zuvor wurde in ein­er Fahrzeughalle die Beleuch­tung erneuert. Während des Abbaus kippte das Fahrg­erüst plöt­zlich um. Ein Mitar­beit­er stand zu diesem Zeit­punkt in etwa sechs Metern Höhe oben auf dem Gerüst. Bei dem Sturz auf den Beton­bo­den ver­let­zte er sich schw­er. Das Unfal­lopfer wurde mit dem Ret­tung­shub­schrauber in eine Klinik gebracht. Es beste­ht der Ver­dacht auf eine Wirbel­säu­len­frak­tur. Als Unfal­lur­sache stellte sich her­aus, dass vor Ort keine Auf­bau- und Ver­wen­dungsan­leitung des Her­stellers vorhan­den war. Die Mitar­beit­er waren zudem nicht im sicheren Umgang mit Fahrg­erüsten unterwiesen.

Dieses Beispiel zeigt: Fehlende oder unzure­ichende Schutz­maß­nah­men bei der Mon­tage, der unvoll­ständi­ge Auf­bau des Fahrg­erüstes und/oder die sicher­heitswidrige Benutzung des Arbeitsmit­tels kön­nen zu schw­eren Arbeit­sun­fällen führen. Manch­mal sind die betr­e­f­fend­en Per­so­n­en so schw­er ver­let­zt, dass die zuständi­gen Unfal­lver­sicherungsträger Renten­leis­tun­gen erbrin­gen müssen. Nicht immer kön­nen die Ver­let­zten ihren vorher aus­geübten Beruf wieder ausüben.

Bauliche Anforderungen

Nach der DIN EN 1004 „Fahrbare Arbeits­büh­nen aus vorge­fer­tigten Bauteilen – Werk­stoffe, Maße, Las­tan­nah­men und sicher­heit­stech­nis­che Anforderun­gen“ wer­den als fahrbare Arbeits­büh­nen (nach­fol­gend „Fahrg­erüste“ genan­nt) Gerüstkon­struk­tio­nen beze­ich­net, die

  • freis­te­hend benutzt wer­den können,
  • eine oder mehrere Beläge besitzen und
  • aus vorge­fer­tigten Bauteilen zusam­menge­baut werden.

Fahrg­erüste beste­hen üblicher­weise aus vier Füßen mit Fahrrollen. Die Stand­sicher­heit des Fahrg­erüstes wird durch Sta­bil­isierung­sein­rich­tun­gen ermöglicht, die am Auf­stel­lort zu erricht­en sind. Zu diesen Ein­rich­tun­gen gehören Bal­last­gewichte, Ver­bre­iterungstra­versen oder Wand­ab­stützun­gen. Fahrg­erüste wer­den fern­er in die Gerüst­grup­pen 2 (Belast­barkeit max­i­mal 150 kg/m2) oder 3 (Belast­barkeit max­i­mal 200 kg/m2) ein­ge­ord­net. Neben den genan­nten Sta­bil­isierun­gen beste­hen Fahrg­erüste zudem aus fol­gen­den Bauteilen:

  • Auslegern
  • Ver­stre­bun­gen
  • Belä­gen
  • Fußspin­deln
  • Fahrrollen
  • Auf­stiegen

Für Fahrg­erüste wur­den ver­schiedene Zugangsklassen definiert. Diese geben Auskun­ft darüber, ob das Fahrg­erüst über Trep­pen (Typ A), Stufen­leit­ern (Typ B), Schrä­gleit­ern (Typ C) oder ver­tikale Leit­ern (Typ D) betreten beziehungsweise ver­lassen wer­den kann.

Beispiel­hafte Fahrgerüst-Kennzeichnung

Benutzen von Fahrgerüsten

Fahrg­erüste dür­fen nur von fach­lich geeigneten Beschäftigten auf‑, um- oder abge­baut wer­den. Die fach­liche Eig­nung set­zt eine Unter­weisung der Beschäftigten voraus, die min­destens fol­gende Aspek­te berücksichtigt:

  • Ver­ste­hen der Auf­bau- und Ver­wen­dungsan­leitung des Herstellers
  • Sicher­er Auf‑, Um- oder Abbau des Fahrg­erüstes in der Praxis
  • Zuläs­sige Belas­tun­gen durch Per­so­n­en, Werkzeug und Material
  • Maß­nah­men zur Ver­mei­dung des Absturzes von Per­so­n­en und des Her­ab­fal­l­ens von Gegenständen
  • Sicher­heitsvorkehrun­gen bei sich ändern­den Wit­terungsver­hält­nis­sen (so zum Beispiel bei starkem Wind)
  • Mögliche Gefährdun­gen auf­grund der Arbeit­sumge­bung (zum Beispiel elek­trische Freileitungen)

Begrenzte Gerüsthöhe

Außer­dem ist zu beacht­en, dass die Gerüsthöhe begren­zt ist. In Gebäu­den beträgt die max­i­male Stand­höhe zwölf Meter; im Freien wegen der zusät­zlich zu erwartenden Wind­las­ten nur acht Meter.

Aus anderen Gerüst­bauteilen errichtete „fahrbare Gerüste“ sind keine Fahrg­erüste im Sinne der DIN EN 1004. Wer­den solche Gerüste einge­set­zt, muss ihre Gebrauchs­fähigkeit vorher geprüft und nachgewiesen wer­den. Selb­stver­ständlich sollte sein, dass beim Auf­bau von Fahrg­erüsten nur Orig­i­nal­bauteile des jew­eili­gen Her­stellers benutzt wer­den. Das Erricht­en von Über­brück­un­gen zwis­chen dem Fahrg­erüst und Gebäude­teilen ist grund­sät­zlich verboten.

Um die Stand­sicher­heit zu gewährleis­ten, müssen Fahrg­erüste unter Berück­sich­ti­gung ihrer Stand­höhe und ‑bre­ite sowie gemäß der Auf­bau- und Ver­wen­dungsan­leitung durch Bal­last­gewichte oder Ver­bre­iterungstra­versen errichtet wer­den. Hier zeigt sich lei­der oft, dass den Beschäftigten die seit­ens des Her­stellers vorge­se­henen Auf­bau­vari­anten, also die ver­schiede­nen Rüstzustände des Gerüstes, gar nicht bekan­nt sind. Regelmäßige Unter­weisun­gen der Mitar­beit­er anhand von indi­vidu­ellen Betrieb­san­weisun­gen sind ein wirk­sames Mit­tel, um solchen Defiziten wirk­sam zu begegnen.

Ballastgewichte und Seitenschutz

Sofern Bal­last­gewichte zur Stand­fes­tigkeit des Fahrg­erüstes ver­wen­det wer­den, müssen diese aus fes­ten Baustof­fen wie Beton oder Stahl beste­hen. Flüs­sige oder körnige Baustoffe sind zur Sta­bil­isierung des Gerüstes nicht geeignet. Der Seit­en­schutz muss zur Ver­mei­dung des Absturzes von Per­so­n­en min­destens ein Meter hoch sein und aus einem Hand­lauf, einem Knieholm sowie ein­er Fußleiste bestehen.

Alle Einzelkom­po­nen­ten des Seit­en­schutzes müssen gegen unbe­ab­sichtigtes Lösen gesichert sein. Die Fußspin­deln von Fahrg­erüsten erlauben den Aus­gle­ich von Uneben­heit­en im Boden. Fußrollen, die unver­lier­bar am Rah­men befes­tigt sind, ermöglichen das Bewe­gen des Gerüstes. Jede Fahrrolle muss zum Schutz gegen Wegrollen mit ein­er Rad­bremse verse­hen sein. Die Rollen selb­st müssen aus Sicher­heits­grün­den voll­wandig und schlauch­los sein.

Nur bedingt mobil

Sofern vom Her­steller nicht aus­drück­lich erlaubt, dür­fen keine Kranausleger und/oder Hebezeuge wie beispiel­sweise Ket­ten­züge am Fahrg­erüst befes­tigt wer­den – anson­sten dro­ht Umsturzge­fahr. Auch das Ver­fahren von Gerüsten kann gefährlich sein. Deshalb ist dies nur zuläs­sig, wenn sich keine Per­so­n­en darauf befind­en. Zudem ist auf einen ebe­nen und tragfähi­gen Unter­grund zu acht­en. Die Mitar­beit­er dür­fen das Gerüst nur langsam und in Längsrich­tung bewe­gen. Ein Umset­zen in Quer­rich­tung kön­nte eben­falls zum Umsturz des Fahrg­erüstes führen. Werkzeug und Mate­r­i­al sind vor dem Ver­fahren vom Gerüst herunter zu nehmen, zumin­d­est aber gegen Her­ab­fall­en zu sichern.

Noch etwas ist sehr wichtig: Die Beschäfti­gen dür­fen auss­chließlich die vom Her­steller beze­ich­neten innen­liegen­den Auf­stiege benutzen. Das Auf­steigen über die Stirn- und Außen­seit­en des Gerüstes stellt ein großes Unfall­risiko dar und ist deswe­gen ohne Aus­nahme verboten!

Regelmäßige Prüfung

Nicht uner­wäh­nt bleiben soll, dass Fahrg­erüste nach der Mon­tage beziehungsweise vor jed­er Ver­wen­dung von ein­er befähigten Per­son zu prüfen sind. Befähigte Per­so­n­en müssen in der Lage sein, auf­grund ihrer Ken­nt­nisse und Fähigkeit­en den arbeitssicheren Zus­tand des Fahrg­erüstes zu beurteilen. Der Arbeit­ge­ber legt fest, wer diese Prü­fun­gen durch­führen soll. Zu empfehlen ist ein betrieblich­es Freiga­bev­er­fahren, wobei die Prü­fung beziehungsweise die ord­nungs­gemäße Errich­tung des Gerüstes in Form eines schriftlichen Nach­weis­es – zum Beispiel anhand ein­er Check­liste – doku­men­tiert wird.

Tägliche Sichtkontrolle

Unab­hängig davon haben die Mitar­beit­er das Fahrg­erüst vor Arbeits­be­ginn auf augen­schein­liche Män­gel hin zu kon­trol­lieren. Sicher­heit­srel­e­vante Män­gel wie beispiel­sweise eine fehlende oder unzure­ichende Bal­lastierung bedin­gen die sofor­tige Sper­rung des Arbeitsmit­tels. Die weit­ere Nutzung des Gerüstes ist dann nicht mehr erlaubt! Der Man­gel muss darüber hin­aus dem zuständi­gen Vorge­set­zten gemeldet wer­den. Erst nach Besei­t­i­gung des fest­gestell­ten Man­gels darf das Fahrg­erüst wieder genutzt werden.


Foto: Dägling

Autor: Markus Tischendorf
Auf­sichtsper­son der BG Energie Tex­til Elek­tro Medienerzeugnisse
Präven­tion­szen­trum Hamburg


10 Tipps zur sicheren Benutzung von Fahrgerüsten

  • Sor­gen Sie dafür, dass die Auf­bau- und Ver­wen­dungsan­leitung am Ein­sat­zort vorhan­den ist.
  • Kon­trol­lieren Sie das Fahrg­erüst vor jed­er Benutzung.
  • Beacht­en Sie die max­i­mal zuläs­sige Belas­tung des Fahrg­erüstes (Gerüst­gruppe).
  • Betäti­gen Sie vor dem Betreten des Fahrg­erüstes die Radbremsen.
  • Benutzen Sie nur die vom Her­steller vorge­se­henen innen­liegen­den Aufstiege.
  • Ver­schieben Sie das Fahrg­erüst nur, wenn sich keine Per­so­n­en auf dem Gerüst befinden.
  • Acht­en Sie auf die Stand­sicher­heit (zum Beispiel Bal­last­gewichte, Ver­bre­iterungstra­versen) des Fahrgerüstes.
  • Beacht­en Sie die Eigenschaften/Tragfähigkeit des Untergrundes.
  • Sor­gen Sie für eine angemessene Baustellensicherung.
  • Nehmen Sie das Fahrg­erüst bei Män­geln außer Betrieb.

Regelwerk

  • Betrieb­ssicher­heitsverord­nung (Betr­SichV)
  • UVV „Bauar­beit­en“ (DGUV Vorschrift 38)
  • DIN EN 1004 „Fahrbare Arbeits­büh­nen aus vorge­fer­tigten Bauteilen – Werk­stoffe, Maße, Las­tan­nah­men und sicher­heit­stech­nis­che Anforderungen“
Newsletter

Jet­zt unseren Newslet­ter abonnieren

Webinar-Aufzeichnungen

Webcast

Jobs
Sicherheitsbeauftragter
Titelbild Sicherheitsbeauftragter 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Sicherheitsingenieur
Titelbild Sicherheitsingenieur 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Special
Titelbild  Spezial zur A+A 2023
Spezial zur A+A 2023
Download

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de