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Arbeitsunfall im Mutterkuhstall

Sicherer Umgang mit Nutztieren
Arbeitsunfall im Mutterkuhstall

Unfälle mit Tieren kön­nen spek­takulär sein, wenn es sich um Wildtiere oder gefährliche Exoten im Zoo han­delt. Aber auch ver­meintlich zahme Haus- und Nutztiere kön­nen bei Kon­takt mit dem Men­schen zu schw­eren Unfällen beitragen.

Haus- und Nutztiere haben in der Regel einen lan­gen und inten­siv­en Kon­takt mit dem Men­schen. Deshalb wer­den im Umgang mit ihnen bisweilen die notwendi­ge Vor­sicht und Rück­sicht­nahme auf das Tier und sein Ver­hal­ten ver­nach­läs­sigt. Im fol­gen­den Unfall­beispiel geht es um eine Tätigkeit in einem Rinder­stall, genauer gesagt in einem Mut­terkuh­stall. Dort wollte eine Beschäftigte ein Kalb nach der Geburt ver­sor­gen. Dabei wurde sie von der Mut­terkuh ange­grif­f­en und fiel rück­wärts auf den Stall­bo­den. Bei dem Sturz ver­let­zte sie sich die Wirbel im Bere­ich der Lenden­wirbel­säule und war mehrere Wochen arbeitsunfähig.

Erfahrene Tierpflegerin

Was führte zu dem Angriff der Mut­terkuh auf die Beschäftigte? Zuerst muss fest­gestellt wer­den, dass die Verun­fallte aus­ge­bildete Tierpflegerin für Nutztiere ist und langjährig in dem Unternehmen beschäftigt war. Sie führte auch nicht zum ersten Mal die Ver­sorgung von neuge­bore­nen Käl­bern in der Box der jew­eili­gen Mut­terkuh aus. Auch diese Kuh, die noch nie ein aggres­sives Ver­hal­ten gegenüber Men­schen oder anderen Kühen gezeigt hat­te, kan­nte die Beschäftigte seit langem. Die zu ver­rich­t­en­den Tätigkeit­en wie das Über­prüfen der Vital­funk­tio­nen und die Unter­stützung des Kalbes sowie die Kon­trolle der Vital­funk­tio­nen der Mut­terkuh hat­te sie auch bei ihr bere­its mehrfach aus­ge­führt. Die Tierpflegerin hat­te fol­glich nicht mit dem uner­wartet aggres­siv­en Ver­hal­ten des Tieres gerechnet.

Situation am Unfallort

Die Abkalb­box war in einem Lauf­stall unterge­bracht und als soge­nan­nte Grup­pen­abkalb­box aus­gelegt. Zum Zeit­punkt des Angriffs befan­den sich ins­ge­samt drei Mut­terkühe in der Box, von denen zwei noch trächtig waren. Die bei­den anderen Kühe ver­hiel­ten sich zum Zeit­punkt des Unfalls passiv.

Lei­der kon­nten wed­er durch die Mitar­bei­t­erin noch durch andere im Stall tätige Beschäftigte des Unternehmens Angaben über mögliche andere Ein­flüsse wie erhöht­en Lärm, Fahrtätigkeit­en oder Ähn­lich­es gemacht wer­den. Somit wird die Ursache für den plöt­zlichen Angriff der Kuh auf die Pflegerin nicht aufk­lär­bar sein. Möglich ist, dass die Pflegerin aus Verse­hen zu weit in den Sicher­heits­bere­ich der Mut­terkuh einge­drun­gen ist oder diese die Hand­lun­gen am Kalb als gefährlich wahrgenom­men hat.

Unfallschwerpunkt Arbeit mit Rindern

Nach der Unfall­sta­tis­tik der Sozialver­sicherung für Land­wirtschaft, Forsten und Garten­bau (SVLFG) ereigneten sich im Jahr 2020 die meis­ten Unfälle in der Tier­hal­tung bei der Arbeit mit Rindern: Neben sechs Todes­fällen verze­ich­nete sie 5.083 meldepflichtige Unfälle durch direk­ten Tierkon­takt. Das sind fast 60 Prozent aller der SVLFG gemelde­ten Unfälle mit Tieren.

Wenn Men­schen mit Tieren arbeit­en wollen oder müssen, ist immer Vor­sicht und Umsicht geboten. Tiere han­deln nach ihren eige­nen Sicher­heits­bedürfnis­sen. Daher ist es notwendig, das Ver­hal­ten und vor allem die Wahrnehmung der Umwelt durch das Tier zu ken­nen und in das eigene Ver­hal­ten einzubeziehen. Bei Rindern beste­ht das Prob­lem, dass diese Tiere zwar ein sehr großes Sehfeld von cir­ca 330 Grad haben, aber nur schlecht Ent­fer­nun­gen und Tiefen­wirkun­gen ein­schätzen kön­nen. Zudem reagieren Rinder sehr schreck­haft, wenn sich ihnen eine Per­son von hin­ten annähert.

Hohe Geräuschempfindlichkeit

Hören kön­nen Rinder sehr gut, weswe­gen sie sehr sen­si­bel gegenüber laut­en und schrillen Geräuschen sind. So reicht schon eine zuschla­gende Gat­tertür oder das Klap­pern eines Gegen­standes, um ihre Aufmerk­samkeit zu erre­gen und gegebe­nen­falls einen Flucht- oder Abwehrreflex auszulösen. Bei Mut­terkühen sind diese Reak­tio­nen nochmals ver­stärkt, da sie ihre Käl­ber schützen wollen und müssen.

Rinder sind Her­den- und Flucht­tiere. Kleinigkeit­en kön­nen bere­its zu unkon­trol­lierten Reak­tio­nen führen. Es ist deshalb wichtig, ihre art­typ­is­chen Ver­hal­tensweisen genau zu ken­nen. Die Rinder­train­er der SVLFG unter­richt­en nach dem Prinzip des Zonenkonzepts, das anzeigt, ab welch­er Dis­tanz mit welchen Reak­tio­nen der Tiere zu rech­nen ist: Wer sich einem Rind nähert, sollte seine Beobachtungs‑, Bewe­gungs- sowie Flucht- beziehungsweise Angriff­s­zone berück­sichti­gen und dieses Wis­sen für eine gefahre­n­arme Tätigkeit mit dem Tier nutzen (Abbil­dung oben). Zudem bietet die SVLFG weit­er­führende Infor­ma­tio­nen zur sicheren Arbeit im Rinderstall.


Foto: © Foto­stu­dio City Col­or Mun­schke, Weimar

Autor: Dipl.-Ing. Ulf‑J. Schappmann

Sicher­heitsin­ge­nieur VDSI

SIMEBU Thürin­gen GmbH


Weiterführende Informationen

  • Unfal­lver­hü­tungsvorschrift der SVLFG:  VSG 4.1 Tier­hal­tung, Aus­gabe April 2021. Die Vorschriften für Sicher­heit und Gesund­heitss­chutz (VSG) der SVLFG sind für alle Ver­sicherten bindend.
  • SVLFG Broschüre B20 „Aktuelles zu Sicher­heit und Gesund­heitss­chutz Rinderhaltung“
  • SVLFG Fly­er F08 „sich­er & gesund – Arbeit­en im Rinderstall“
  • Links zu diesen Mate­ri­alien sowie weit­ere Infor­ma­tio­nen gibt es unter www.svlfg.de/rinderhaltung

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