Jahr für Jahr passiert es fast 150.000 Mal: Den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung wird ein meldepflichtiger Arbeitsunfall mit Fußverletzungen gemeldet. Die meisten Verletzungen heilen zwar wieder aus, aber über 2.200 Unfälle ziehen so starke und bleibende Schäden nach sich, dass die Betroffenen in ihrer weiteren Erwerbsfähigkeit deutlich gemindert sind oder gar nicht mehr in den Beruf zurückkehren können. Situationen, die alle belasten:
- das Unternehmen, das unter Umständen einen Mitarbeiter verliert,
- den zuständigen Unfallversicherungsträger, der Heilbehandlungskosten und möglicherweise eine lebenslange Rente zahlen muss und
- den verletzten Mitarbeiter selbst. Er muss neben einer Minderung der
Erwerbstätigkeit häufig auch starke Einschränkungen in der Lebensqualität und womöglich sogar permanente Schmerzen hinnehmen.
Die Suche nach den Gründen
Die „Nichtbenutzung“ von Fußschutz gilt es also zu hinterfragen. Hier kommen Sicherheitsbeauftragte ins Spiel. Aufgrund ihrer besonderen Nähe zu den Kollegen und den Arbeitsplätzen können sie bei diesem Thema aufschlussreiche Informationen liefern. Warum wird der Fußschutz nicht genutzt: Ist er zu klein, zu eng oder zu schwer? Als Sicherheitsbeauftragter bekommen Sie zu diesen Fragen unmittelbares Feedback. Setzen Sie sich bei der Fachkraft für Arbeitssicherheit dafür ein, dass die Beschäftigten
- die Schuhe vor der Beschaffung anprobieren können – so wie es jeder aus dem privaten Bereich kennt. Auch Trageversuche haben sich im Auswahlprozess bewährt.
- jeweils zwei Paar Schuhe erhalten, die sie im Wechsel tragen können. Fußschweiß oder Witterungseinflüsse durchfeuchten die Schuhe, die dann nicht richtig abtrocknen können. Das mindert die Tragequalität, Sicherheit und Benutzungsdauer der Schuhe!
Tragen: Ja, aber nicht richtig
Sicherlich kennen Sie auch diese Situation: Ein Kollege benutzt den zur Verfügung gestellten Fußschutz nicht richtig. Aus der Praxis stammen die folgenden Beispiele:
- Der Fußschutz wird zu locker oder gar nicht am Fuß fixiert. Der Mitarbeiter hat keinen sicheren Stand mehr beziehungsweise könnte ausrutschen und stürzen. Es gibt auch Fälle, in denen der Fußschutz falsch fixiert wird, zum Beispiel mit zu langen Schnürsenkeln, die umlaufend unter der Sohle geführt werden, so dass eine zusätzliche Gefahr des Hängenbleibens besteht.
- Die Fixierungsmöglichkeit der Schuhe wird verändert, indem kaputte Schnürsenkel zum Beispiel durch Draht ersetzt werden.
- Der Fußschutz wird unzulässigerweise verändert, indem Einlagen (zum Beispiel dicke Lammfellsohlen im Winter, orthopädische Einlagen aus privaten Schuhen) verwendet werden. Das kann die sicherheitstechnischen Eigenschaften der Schuhe (zum Beispiel Antistatik, Resthöhenbereich unter der Zehenkappe) negativ beeinflussen.
Hier hilft nur eines: Sprechen Sie Ihre Kollegen konsequent auf die falsche Benutzung des Fußschutzes an. Bei jeder Änderung des Fußschutzes, die vom Hersteller nicht ausdrücklich autorisiert worden ist, erlischt die Baumusterprüfung der Schuhe! Weisen Sie den Kollegen darauf hin, dass
- laut Unfallverhütungsvorschrift nur Fußschutz eingesetzt werden darf, für den eine Konformitätserklärung vorliegt – diese ist jedoch durch die vorgenommene Veränderung erloschen.
- er die Schutzfunktion des Schuhs beeinflusst und sich somit möglicherweise selbst in Gefahr bringt.
Mangelnde Einsicht von oben
Und auch das kommt leider in der Praxis vor: Unternehmen, die trotz vorhandener Gefährdungslage keinen Fußschutz zur Verfügung stellen. Nicht selten fehlt die Kenntnis, dass sowohl das Arbeitsschutzgesetz als auch die DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“ die kostenlose Bereitstellung von Fußschutz vorschreiben. Suchen Sie daher das Gespräch mit dem Unternehmer und der Fachkraft für Arbeitssicherheit. Das Thema kann auch im Arbeitsschutzausschuss (ASA) besprochen werden. Leiten Sie den Verantwortlichen gegebenenfalls Fachliteratur zu.
Den „Richtigen“ finden
Viele Beschäftigte üben Tätigkeiten in ihrem Betrieb aus, die spezielle Anforderungen an Fußschutz stellen (zum Beispiel Knöchelschutz bei Rangiertätigkeiten). Dazu muss der Unternehmer eine Gefährdungsbeurteilung durchführen.
Über welche sicherheitstechnischen Funktionen ein Schuh verfügt, zeigt die Kennzeichnung, die sich meistens innen an der Schuhlasche befindet. Dort stehen Angaben zur Kategorie und gegebenenfalls zusätzliche Kennzeichnungen von vorhandenen Zusatzanforderungen. Entsprechende Angaben finden sich auch in den Herstellerinformationen. Oft wird die Frage, ob spezielle Anforderungen beim Fußschutz notwendig sind, bei der Gefährdungsbeurteilung nicht ausreichend beachtet. Als Sicherheitsbeauftragter haben Sie die konkreten Arbeitsbedingungen vor Ort am besten im Blick: Informieren Sie den Unternehmer und die Fachkraft für Arbeitssicherheit darüber, sofern Fußschutz mit speziellen sicherheitstechnischen Anforderungen notwendig ist! Sprechen Sie Defizite möglichst konkret an, zeigen Sie die Folgen, aber auch Lösungsansätze auf.
Fazit: Sie sind gefragt!
Als Sicherheitsbeauftragter haben Sie eine wichtige Funktion im Arbeitsschutzsystem des Betriebs. Mit Ihrer Erfahrung und Ihrem Engagement sind Sie nicht nur Vorbild in Sachen Sicherheit und Gesundheit, sondern auch fachkundiger Ansprechpartner für Ihre Kollegen und wichtiger Ansprechpartner für Ihren Chef.
Tragen Sie dazu bei, dass Prävention im Unternehmen von allen gelebt und dass nicht erst nach Unfällen reagiert wird. Die beiden Unfallbeispiele auf Seite 34 zeigen, wie wichtig Fußschutz ist.
Autor: Andreas Vogt
Leiter des Sachgebietes Fußschutz der DGUV
E‑Mail: andreas.vogt@bgbau.de
Unfallbeispiel 1
Josef, Zimmerer, hat ein Paar Sicherheitsschuhe S3 in knöchelhoher Ausführung. Diese sind durch Arbeiten im Regen durchfeuchtet. Josef trägt daher bei Richtarbeiten Turnschuhe. Im Treppenhaus tritt er auf ein Schalbrett mit herausstehenden Nägeln. Josef erleidet eine stark blutende Stichwunde. Im Unfallkrankenhaus wird festgestellt, dass Knochen und Gelenke unverletzt sind.
- Finanzielle Folgen für das Unternehmen: 1.300 Euro Lohnfortzahlung (acht Arbeitstage)
- Finanzielle Folgen für die Berufsgenossenschaft: 360 Euro für Arzt/Medikamente
- Gesundheitliche Folgen: keine, Verletzung heilte aus
Betriebliche Konsequenzen: Der Arbeitsunfall wird im Arbeitsschutzausschuss (ASA) behandelt.
Ziel: Alle Handwerker sollen zwei Paar Sicherheitsschuhe erhalten. Hinweis in der Unterweisung: Nassen Fußschutz so lagern, dass er trocknet. Lederschuhe nicht zu nah an einer Heizquelle, um Austrocknen und Brüchigkeit des Leders zu vermeiden. Trocknungssysteme bietet der Handel an; bewährt hat sich auch Ausstopfen mit Zeitungspapier.
Unfallbeispiel 2
Herbert, Maurer, steht ein Sicherheitsschuh SB zur Verfügung. Bei Routinearbeiten rutscht er von einer Leitersprosse aus einem Meter Höhe ab, prallt auf eine Betondecke und bricht sich das Fersenbein. Im Krankenhaus wird Herbert operiert, anschließend erfolgt eine stationäre und ambulante Reha. Eine Bewegungseinschränkung im Fuß bleibt. Dennoch ist eine stufenweise berufliche Wiedereingliederung möglich. Bei Herbert wird eine rentenberechtigte Minderung der Erwerbsfähigkeit festgestellt: Bessert sich sein Fuß nicht, muss die Berufsgenossenschaft Herbert lebenslang Rente zahlen.
Finanzielle Folgen für das Unternehmen: 4.000 Euro Lohnfortzahlung (sechs Wochen)
Finanzielle Folgen für die Berufsgenossenschaft: ca. 55.000 Euro für die ersten Jahre nach dem Unfall; diese setzen sich vor allem zusammen aus:
- 851 Euro für Erste Hilfe/Rettungswagen
- 17.308 Euro für stationäre Heilbehandlung
- 4.416 Euro für Reha
- 15.952 Euro für Verletztengeld etc.
- 2.740 Euro für orthopädische Schuhe/Sicherheitsschuhe
- 11.733 Euro für Rentenzahlungen
Weitere Finanzielle Folgekosten für die Berufsgenossenschaft:
- 89.962 Euro für künftige Rentenleistungen (Hochrechnung aufgrund von statistischer Lebenserwartung von 84 Jahren ohne Berücksichtigung von Rentenanpassungen)
- circa 10.000 Euro für orthopädische Schuhe/ Sicherheitsschuhe
- Gesundheitliche Folgen: dauerhafte Bewegungseinschränkungen
Betriebliche Konsequenzen: Der Arbeitsunfall wird im ASA behandelt.
Ziel: Alle Handwerker sollen Sicherheitsschuhe mit Energieaufnahmevermögen im Fersenbereich erhalten (zum Beispiel: Schuhe der Kategorie S1 oder O1 bzw. höhere Kategorie; Schuhe mit Symbol „E“).
Praxis-Tipp:
Reif zum Ablegen
Irgendwann hat auch der beste und robusteste Schuh seine Schuldigkeit getan. Immer, wenn die Schutzfunktion nicht mehr hinreichend gegeben ist, muss der Fußschutz ausgetauscht werden. Sprechen Sie Ihre Kollegen an, die mit abgelaufenem Profil, gebrochenen Sohlen oder aufgerissenen Nähten unterwegs sind – und informieren Sie die Fachkraft für Arbeitssicherheit!