Die DGUV-3-Vorschrift ist ein Kernstück des Arbeitsschutzrechtes und soll den gefahrlosen Betrieb elektrischer Anlagen und Geräte sicherstellen. Ähnliche, zum Teil identische Prüfanforderungen finden sich auch in anderen technischen Normen und Vorschriften außerhalb des Arbeitsschutzes wie der Betriebssicherheitsverordnung, der VDE 0100 Teil 722 und DIN EN 61851–1. Bei der Elektroprüfung von Ladesäulen werden unter anderem der Isolationswiderstand der Anlage und des Ableitstroms, die Erdung und die Steuersoftware überprüft. Beispielsweise wird mittels einer Fehlersimulation getestet, ob der Schutzschalter auslöst, ob die Software der Station mit den Fahrzeugen korrekt kommunizieren und sich der Akku nicht überhitzen kann. Ein Prüfprotokoll dokumentiert die Ergebnisse und dient als Nachweis gegenüber Behörden.
Gefährdungsbeurteilung entscheidend
Die DGUV Vorschrift 3 beinhaltet für Ladesäulen eine Gefährdungsbeurteilung, eine Erstprüfung nach der Installation und Wiederholungsprüfungen innerhalb bestimmter Fristen. Die Gefährdungsbeurteilung ist deshalb von entscheidender Bedeutung, weil es keine besonderen Vorschriften für die Beschaffenheit von Ladesäulen speziell bei gewerblicher Nutzung gibt. „Die Auswahl von Prüfungsablauf und ‑intervall erfolgt allein nach der Gefährdungsbeurteilung, in der zum Beispiel die Umgebung und ihre Einwirkung auf das Betriebsmittel beurteilt werden“, so Christian Kraus, Referent im Fachkompetenzcenter Elektrische Gefährdungen der
BG ETEM. Allerdings besteht darüber weitgehende Unkenntnis. „Oftmals existieren weder eine Gefährdungsbeurteilung noch sind Prüffristen festgelegt worden“, so Marc-André Eickholz, Geschäftsleiter des Gebäudedienstleisters Niederberger Gruppe, der DGUV-Prüfungen in Handel und Gewerbe, öffentlichen Gebäuden sowie in Wohnanlagen durchführt. Daraus ergibt sich jedoch eine wichtige Konsequenz: Sollten keine Prüffristen vorgegeben sein, ist nach den Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS 1203) die wiederkehrende Prüfung mindestens einmal jährlich fällig.
Befähigte Elektrofachkräfte dürfen Ladesäulen überprüfen
Die Prüfungen dürfen laut TRBS 1203 nur durch befähigte Elektrofachkräfte erfolgen. „Befähigt“ bedeutet ein durch eine elektrotechnische Berufsausbildung oder ein entsprechendes Studium und Berufserfahrungen sowie ein durch regelmäßige Schulungen und Weiterbildungen erworbenes Fachwissen. Darüber hinaus müssen auch entsprechende Berufserfahrungen auf dem Gebiet der Elektroprüfung nach DGUV 3 gesammelt worden sein. Kenntnisse über den aktuellen Stand der Technik, der aktuellen Normen und Vorschriften sowie regelmäßige Schulungen und Weiterbildungen werden ebenfalls vorausgesetzt. Selbst Elektrofachbetriebe sind diesbezüglich nicht immer up to date. Experte Eickholz: „Es ist ratsam, sich vom Dienstleister eine schriftliche Erklärung aushändigen zu lassen, dass die Techniker die Anforderungen erfüllen. Das Datum der letzten Schulung sollte ebenfalls vermerkt sein.“
Hohe Bußgelder möglich
Bei versäumten oder schlampig durchgeführten Prüfungen können die Berufsgenossenschaften und die Gewerbeaufsichtsämter Bußgelder von bis zu 50.000 Euro verhängen. Passiert etwas, haftet der Betreiber für Vermögens- und Personenschäden in unbegrenzter Höhe und verliert womöglich seinen Versicherungsschutz. Im Fall der E‑Ladesäulen könnte dies auch ein Problem unklarer Kommunikation sein. In der Ladesäulenverordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWi), dem wichtigsten Regulativ der neuen Technologie, steht über DGUV-Prüfungen keine Silbe. In dem auf ihr basierenden „Technischen Leitfaden Ladeinfrastruktur Elektromobilität“ der Deutschen Kommission Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik in DIN und VDE, Stand Oktober 2021, wird zwar auf die Prüfpflicht bei öffentlich zugänglichen sowie gewerblich genutzten Ladestationen hingewiesen. Zugleich wird aber der Eindruck erweckt, dass bestimmte gewerbliche Nutzungen davon ausgenommen seien, weil sie als privat umgedeutet werden könnten.
Missverständlich: Prüfpflicht gilt auch für „private“ Ladesäulen
„Firmenparkplätze für Mitarbeitende oder Anwohnerinnen und Anwohner“, die „nur für eine geschlossene Benutzergruppe wie Firmenmitarbeitende, beziehungsweise nach Erwerb der entsprechenden Berechtigung zugänglich“ seien, gelten demnach als „privat, nicht öffentlich zugänglich“. Dazu stellt die stellvertretende DGUV-Sprecherin Elke Biesel klar: Ein Unternehmer habe grundsätzlich für die Prüfungen zu sorgen. Die DGUV unterscheide gar nicht zwischen öffentlich und nicht öffentlich zugänglichen Anlagen und es spiele auch keine Rolle, wie viele Personen zu ihnen Zugang hätten. Biesel: „Die Verwendung des gleichen Begriffs mit unterschiedlichen Definitionen kann Missverständnisse befördern, kommt aber regelmäßig vor.“
Manche Betreiber seien überrascht, wenn sie erführen, dass ein Ladepunkt selbst dann der Prüfpflicht unterliegt, wenn dieser ausschließlich für den Unternehmer oder einen bestimmten Mitarbeiter zugänglich ist, berichtet Eickholz. Aus Sicht des TÜV Rheinland lässt selbst die DGUV-Vorschrift den Betreibern zu viel Spielraum, indem die Prüfintervalle auf vier Jahre ausgedehnt werden können. Angesichts des hohen Risikos bei Fehlern empfehle sich immer eine jährliche Prüfung, so Theodor Kusemann, Elektrotechnik-Experte des TÜV Rheinland. Neben der Gewährleistung einer einwandfreien Funktionsweise sei dies eine juristische Absicherung im Schadenfall. Michael Ringleb, DEKRA-Experte für elektrotechnische Prüfungen, geht noch einen Schritt weiter: „In dem Moment, wo ein Betreiber anderen wie Mitarbeitern oder Kunden eine Ladeinfrastruktur zur Verfügung stellt, ist diese gemäß Ladesäulenverordnung, Betriebssicherheitsverordnung, DGUV 3 und VDE0100 mindestens einmal jährlich prüfpflichtig.“ Im Fall eines Falles werde ein Sachversicherer oder gar eine Staatsanwaltschaft nach den Prüfungen fragen.
Betreiberhaftung: Mögliche Mängel im Blick behalten
Unabhängig von der regelmäßigen DGUV-Prüfung sollte der Betreiber die Ladesäule auch selbst im Auge behalten und bei erkennbaren Schäden umgehend einen Wartungsfachbetrieb einschalten. Typische Spuren von übermäßiger Beanspruchung können beispielsweise beschädigte Isolierungen oder gelockerte Steckverbindungen sein. Bei einer Ladesäule im Außenbereich sollte sich in den Steckverbindungen und in dem Anschluss für das Ladekabel kein Regenwasser befinden. Normalerweise gewährleistet ein Steckdosenmechanismus den Wasserablauf.
Auch wenn beim Ladevorgang Elektroadapter heiß laufen oder sich Ladekabel stark erhitzen, sollte die Säule umgehend außer Betrieb gesetzt werden. Die Betreiberhaftung trifft den Unternehmer schon bei leichtfertigem Nicht-Handeln.