Was passiert, wenn in einem solchen Fall noch eine Zündquelle hinzukommt, zeigt folgender Unfallhergang:
Ein Mitarbeiter in einem Maschinenbauunternehmen hatte die Aufgabe, bei gehärteten Bauteilen die Schlusshärte nach dem Anlassen mit einem Härteprüfgerät zu bestimmen. Dazu musste die Oberfläche des jeweiligen Bauteils angeschliffen und von den Resten des Kühlschmiermittels mit Reinigungsbenzin befreit werden. Das Anschleifen erfolgte händisch an einer kleinen Tischbandschleifmaschine. Für die Reinigung mit Benzin war auf einem Arbeitstisch neben der Schleifmaschine ein Blechkasten mit Reinigungsbenzin aufgestellt, in den die Bauteile eingetaucht und mittels eines Pinsels gereinigt wurden. Zum Abdunsten legte der Mitarbeiter die Teile in Metallschalen, die gleichfalls auf dem Arbeitstisch standen.
Als der Mitarbeiter wieder ein Teil auf der Tischschleifmaschine anschleifen wollte, kam es zu einer Verpuffung, die in der Folge auf den Kasten mit dem Reinigungsbenzin übergriff und diesen entzündete. In seinem großen Schreck angesichts der Verpuffung und des Brandes wollte der Mitarbeiter seinen Arbeitsbereich nur noch fluchtartig verlassen. Dabei stolperte er, suchte Halt und riss den Kasten mit dem brennenden Reinigungsbenzin herunter. Die brennende Flüssigkeit ergoss sich über seine Beine und Füße und entzündete auch seinen Arbeitsanzug. Durch den Krach und die Schreie waren andere Mitarbeiter aufmerksam geworden, von denen einer kurz entschlossen den nächsten Handfeuerlöscher ergriff und den Brand sowie auch den Kollegen löschte. Dieser erlitt schwere Brandverletzungen im Bereich der Beine und Arme.
Die Unfalluntersuchung ergab einige gravierende Mängel in den Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz. Ausgelöst wurde der Unfall durch den unsachgemäßen Umgang mit entzündbaren Flüssigkeiten und die unmittelbare Nähe zu einer Zündquelle.
Welche Mängel waren erkennbar?
Die entzündbare Flüssigkeit Reinigungsbenzin wurde entgegen den Vorgaben des Sicherheitsdatenblatts in einem offenen Behälter aufbewahrt. Zusätzlich erfolgte das Abdunsten ebenfalls offen. Eine Absaugung für die Lösemitteldämpfe war nicht vorhanden. Für die Tätigkeit gab es auch keine umfassende Gefährdungsbeurteilung und die vorgefundene Betriebsanweisung für das Reinigungsbenzin war einige Jahre alt. Auch war der Abstand der als Zündquelle dienenden Tischbandschleifmaschine zum Reinigungsplatz zu gering.
Der Mitarbeiter kannte diesen Arbeitsplatz, da er bereits häufiger hier tätig war. Er wurde auch regelmäßig unterwiesen, allerdings nicht speziell zu der ausgeführten Tätigkeit. Nach Aussagen der in diesem Bereich tätigen Mitarbeiter war es bisher auch noch zu keinem derartigen Ereignis gekommen.
Warum kam es zu dem Unfall?
Von Seiten des Unternehmens waren bei der Einrichtung und dem Betrieb des Arbeitsplatzes einige Regelungen nicht beachtet und damit nicht eingehalten worden.
- Erste und wichtigste Regel: Durch das Unternehmen muss vor Einrichtung solcher Arbeitsplätze geprüft werden, ob der Einsatz einer entzündbaren Flüssigkeit für die Tätigkeit zwingend notwendig ist, oder ob nicht auch eine nicht entzündbare Flüssigkeit genutzt werden kann (Substitutionsgebot der Gefahrstoffverordnung).
- Zweite Regel: Bei Tätigkeiten mit entzündbaren Stoffen müssen Zündquellen im Umkreis unbedingt vermieden werden. Das heißt, alle funkenerzeugenden Arbeitsverfahren wie zum Beispiel Schleifen, aber auch Rauchen oder der Umgang mit offenem Feuer ist zu untersagen.
- Dritte Regel: Entzündbare Flüssigkeiten sind immer in geschlossenen Behältnissen aufzubewahren, die Benutzung sollte in geschlossenen und mit einer Absaugung betriebenen Systemen stattfinden. Mit entzündbaren Flüssigkeiten benetzte Teile sind ebenfalls in einem geschlossenen System unter einer Absaugung zu trocknen.
- Vierte Regel: Die Mitarbeiter sind regelmäßig auf der Grundlage der aktuellen Gefährdungsbeurteilung und der dazu erstellten Betriebsanweisungen über die notwendigen Schutzmaßnahmen, Verhaltensanforderungen und Maßnahmen im Gefahrfall zu unterweisen.
Gerade an Arbeitsplätzen, bei denen durch die ausgeführten Tätigkeiten und/oder die gegebenenfalls dabei verwendeten Gefahrstoffe große Gefährdungen auftreten können, muss besondere Aufmerksamkeit auf die Einhaltung und Anwendung der Schutzmaßnahmen durch alle Beteiligten gelegt werden.
Autor: Dipl.-Ing. Ulf‑J. Schappmann
Sicherheitsingenieur VDSI
SIMEBU Thüringen GmbH
Was ist bei Tätigkeiten mit entzündlichen Flüssigkeiten zu beachten?
- Grundlage ist eine Gefährdungsbeurteilung, bei der unter anderem zu betrachten ist, welche Art von entzündlicher Flüssigkeit mit welchem Arbeitsverfahren, in welcher Menge und in welcher Arbeitsumgebung verwendet wird. Es ist grundsätzlich das S‑T-O-P-Prinzip der Gefahrstoffverordnung zu beachten. Daraus ist eine arbeitsplatzbezogene Betriebsanweisung abzuleiten und die betroffenen Mitarbeiter zu unterweisen.
- Das Arbeitsverfahren ist immer so zu gestalten, dass ein Freiwerden von Dämpfen reduziert wird beziehungsweise diese direkt an der Entstehungsstelle abgesaugt werden. Zündquellen wie offene Flammen, Schleif- oder Schweißarbeiten sowie das Rauchen ist an solchen Arbeitsplätzen und in der Umgebung zu verbieten.
- Der Kontakt von entzündlichen Flüssigkeiten mit der Haut, den Augen und den Atemwegen sollte vermieden werden. Bei Erfordernis ist die Benutzung von Persönlicher Schutzausrüstung gemäß den Vorgaben der Betriebsanweisung Pflicht.
- Entzündliche Flüssigkeiten sind immer in geeigneten Behältnissen, möglichst unzerbrechlich, und in dafür geeigneten Räumen oder in Sicherheitsschränken zu lagern. Am Arbeitsplatz sind nur geringe Mengen in geeigneten Behältern zu lagern (Tagesbedarf).
- Verwendete Arbeitsmittel und Mittel zur Aufnahme überschüssiger, abtropfender oder verschütteter entzündlicher Flüssigkeiten sind in nicht brennbaren Behältnissen zu verwahren und sachgerecht zu entsorgen.
Weitere Informationen
- Betriebssicherheitsverordnung
- Gefahrstoffverordnung
- TRGS 500 „Schutzmaßnahmen“
- TRGS 510 „Lagerung von Gefahrstoffen in ortsbeweglichen Behältern“
- TRBS 2152 / TRGS 720 „Gefährliche explosionsfähige Atmosphäre – Allgemeines“
- TRGS 800 „Brandschutzmaßnahmen“
Praxis-Tipps
Das können Sie zum Beispiel als Sicherheitsbeauftragter tun:
- Kontrollieren Sie regelmäßig, ob die für den Arbeitsplatz geltenden Betriebsanweisungen und Schutzmaßnamen eingehalten werden.
- Sprechen Sie Mitarbeiter auf Fehlverhalten an. Weisen Sie darauf hin, wie gefährlich dieses Verhalten ist, indem Sie die Schwere möglicher Verletzungen aufzeigen. Unwissenheit schützt nicht vor gesundheitlichem Schaden!
- Machen Sie mit praktischen Demonstrationen die Gefahr erkennbar und begreifbar.
- Thematisieren Sie das Thema zusammen mit den zuständigen Vorgesetzten im Rahmen von Unterweisungen und Sicherheitskurzgesprächen und tragen so dazu bei, dass sich richtiges Verhalten einprägt und durchsetzt.
- Prüfen Sie, ob die notwendigen Mittel zum Brandschutz und zur Ersten Hilfe vorhanden und gebrauchsfähig und ob die Mitarbeiter im Gebrauch geschult sind.