Wenn das Sägeblatt rotiert und das eingespannte Werkstück zu locker sitzt, kann es böse enden: Schwere Schnittverletzungen, amputierte Finger, Prellungen und Knochenbrüche gab es schon in vielen Betrieben der Holz- und Kunststoffverarbeitung in Folge gelöster oder herausgeschleuderter Teile. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen kommt es immer wieder zu derartigen Vorfällen, was zeigt, dass das Gefährdungspotenzial bei Arbeiten mit Tisch- und Formatkreissägen besonders hoch ist. Bei runden, keil- oder kegelförmigen Werkstücken stoßen auch die bereits vorhandenen Sicherungsvorrichtungen an ihre Grenzen, da sie nicht immer ausreichend Grip bieten. Hinzu kommt das Risiko, mit der Hand zu nah an das Sägeblatt zu geraten, was ebenfalls immer wieder zu schweren Unfällen führt.
Formatkreissägen: Werkstücke sicher einspannen
Gerade Werkstücke in runder, keil- oder kegelförmiger Form werden bei Poly-Sel oft verarbeitet. Die im nordrhein-westfälischen Stadtlohn ansässige Firma hat sich auf technische Kunststoffe spezialisiert. Hier fertigen die 45 Beschäftigten mit Zerspanungstechniken verschiedenste Bauteile, unter anderem für den Automobilbau, die Luftfahrt und die Lebensmittelindustrie. Einige der Arbeitsschritte erfolgen an Formatkreissägen. „Dabei kam es auch bei uns immer wieder zu Verletzungen. Das wollten wir nicht mehr hinnehmen“, erzählt Harun Yakin, der sich die Geschäftsführung mit seinem Bruder Hakan und seinem Vater Selim teilt.
Wie können wir die Werkstücke so einspannen, dass sie auch ganz sicher halten? Diese Frage beschäftigte das Team immer wieder. Abgesehen von der Unfallverhütung wirkt es sich auch positiv auf die Produktqualität aus, wenn Werkstücke weniger verrutschen. „Gerade bei Kunststoffen besteht die Problematik, dass das Material etwas flexibler ist“, erklärt Hakan Yakin. „Dadurch können unsaubere Schnitte und Maßtoleranzen entstehen, die kundenseitig nicht gewünscht sind. Durch den Verzug kann es auch passieren, dass die Werkstücke zurückschlagen.“
Aus zwei mach eins
Gemeinsam entwickelten die beiden geschäftsführenden Brüder mit Christoph Braun aus dem Bereich Arbeitsvorbereitung bei Poly-Sel eine Lösung. Als Ausgangspunkt nutzten sie zwei „gute alte Freunde“: Gemeint sind Fritz und Franz, die zusammen ein schützendes Hilfsmittel bei Sägevorgängen bilden. Die beiden Vornamen stehen für die zwei Teile, die in der Nut des Schiebetisches der Formatkreissäge geführt werden – konkret den Griff und das Zusatzteil. Druckweiche Gummikanten geben dem dazwischen gespannten Werkstück Halt. Diese Sägehilfe, die von Technischen Aufsichtsbeamten der Berufsgenossenschaft für Holz und Metall (BGHM) entwickelt wurde, hat sich schon lange bewährt. Um sie an die besondere Situation in der Kunststoffverarbeitung anzupassen, kam das Team von Poly-Sel darauf, aus den zwei beweglichen Teilen des Hilfsmittels eins zu machen. So entstand der Sägebuddy. Er lässt sich fest in der Führungsnut des Besäumschlittens positionieren, sodass vor allem kleine, rundförmige und zylindrische Bauteile damit sicher geführt werden können. Für Letztere hat Poly-Sel eine eigene Ausführung mit einer erhöhten und angeschrägten Führungskante konzipiert.
So funktioniert der Sägebuddy
Anders als bei Fritz und Franz wird diese Schutzvorrichtung also nicht in der Führung des Maschinentischs gelenkt, sondern darin fest angebracht. Dabei passt sie sich der geometrischen Form des zu sägenden Bauteils an und fixiert es auf dem Anschlag. Da sich die Kraft dabei gleichmäßig verteilt, wird auch ein Ausbrechen des Werkstücks zuverlässig verhindert. Und so funktioniert das Prinzip: Die an der Maschine tätige Person positioniert den Sägebuddy an der benötigten Stelle und klemmt ihn fest. Auf diese Weise wird auch direkt die Leiste oder das Sägestück begradigt. Mit einem Hebel festgezogen, lässt sich das Werkstück nun auf eine äußerst stabile Weise führen. Die Hände befinden sich damit immer außerhalb des Gefahrenbereichs.
Auch andere Betriebe profitieren
Für diese Idee erhielten Hakan Yakin, Harun Yakin und Christoph Braun im Jahr 2020 den Vision Zero-Förderpreis der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) in der Kategorie „Sicherheitstechnik“. Daneben wurde Poly-Sel mit dem Sägebuddy für den Deutschen Arbeitsschutzpreis 2021 nominiert.
Auch andere Betriebe können ihren Arbeitsschutz mit dem Sägebuddy verbessern. Bewusst hat die Geschäftsleitung von Poly-Sel ihn nicht patentieren lassen und möchte das Hilfsmittel auch nicht vermarkten. „Wir haben den Sägebuddy für den internen Gebrauch entwickelt und so gesehen ist es auch kein Ersatz für Fritz und Franz, sondern einfach eine andere individuelle und unkomplizierte Lösung“, betont Harun Yakin. „Auch andere Unternehmen, in denen diese Idee Gefallen findet, können den Sägebuddy für sich anfertigen und natürlich dann auch selbst verwenden.“
Autorin:
Christine Lendt
Fachautorin und freie Journalistin
Nominiert für den DASP 2021
Das Trio Hakan Yakin, Harun Yakin und Christoph Braun der Poly-Sel GmbH & Co. KG warmit dem „Sägebuddy“ für den Deutschen Arbeitsschutzpreis (DASP) 2021 in der Kategorie „Betrieblich“ nominiert und schaffte es damit in die Endrunde. In dieser Kategorie werden kreative und innovative Lösungen zur Arbeitssicherheit auf Betriebsebene ausgezeichnet, die der gesamten Belegschaft zugutekommen.
Vision Zero Förderpreis
Der Vision Zero Förderpreis ist Teil der zukunftsweisenden Präventionsstrategie der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI). Die Vision Zero basiert auf der Überzeugung, dass alle Unfälle und Berufskrankheiten verhindert werden können. Ziel ist es, dass niemand bei der Arbeit getötet wird, sich schwer verletzt oder erkrankt. Unternehmen, die sich mit ihren Ideen für den Förderpreis bewerben, können dazu beitragen, die Vision einer gesunden und sicheren Arbeitswelt zu verwirklichen.