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Dem Risiko Sekundenschlaf begegnen

Wider böses Erwachen
Dem Risiko Sekundenschlaf begegnen

Der Kör­p­er schal­tet unge­wollt auf Entspan­nung, die Lid­er wer­den schw­er. Plöt­zlich taucht man wieder auf und merkt: Man war kurz „weg“ — im Sekun­den­schlaf. Auf der Couch vor dem Fernse­her mag das ange­hen. Anders ver­hält es sich im Arbeit­sleben: Passiert dies etwa ein­er Flu­glotsin, einem Lkw-Fahrer, der Inten­sivpflegerin am Mon­i­tor, ein­er Strandwache oder einem Maschi­nen­führer, geht es mitunter um Leben und Tod.

Sekun­den­schlaf im Job min­dert nicht nur die Pro­duk­tiv­ität, son­dern kann zu ein­er gravieren­den Gefahr wer­den. Die Nei­gung zu Schläfrigkeit und Sekun­den­schlaf wird dabei durch mehrere Fak­toren bee­in­flusst: Der indi­vidu­elle Lebenswan­del, Krankheit­en, aber auch Schichtar­beit, Monot­o­nie bei der Arbeit sowie die Gestal­tung der Arbeit­sumge­bung sind mögliche Aus­lös­er. Sowohl Arbeit­nehmer wie Arbeit­ge­ber kön­nen hier anset­zen und vorbeugen.

„Sekun­den­schlaf ist nur die Spitze des Eis­bergs“, sagt Dr. Jür­gen Wie­gand, Bere­ich­sleit­er Verkehrssicher­heit beim Insti­tut für Arbeit und Gesund­heit der Deutschen Geset­zlichen Unfal­lver­sicherung (DGUV). „Darunter liegen Müdigkeit und entsprechende Unkonzen­tri­ertheit, die eben­falls gravierende Fol­gen haben kön­nen.“ Der Unfall des Öltankers Exxon Valdez, die par­tielle Kern­schmelze im Kernkraftwerk Three Mile Island bei Har­ris­burg, die Chemiekatas­tro­phe von Bhopal und auch das Reak­torunglück von Tsch­er­nobyl wer­den – neben anderem – auch auf Arbeits­fehler als Folge von Schläfrigkeit zurückgeführt.

Sekundenschlaf vorbeugen: Genug schlafen!

Nicht immer steckt eine schlechte „Schlafhy­giene“ des Arbeit­nehmers hin­ter dem Phänomen Sekun­den­schlaf. Den­noch spielt sie oft eine Rolle. Ins­beson­dere junge Män­ner, so die Beobach­tung, näh­men es mit dem aus­re­ichen­den Schlaf manch­mal nicht so genau. Neben chro­nis­chen, behand­lungs­bedürfti­gen Erkrankun­gen wie Narkolep­sie gibt es indi­vidu­elle Schlaf­prob­leme, die sich mit zunehmenden Alter ver­mehren – sei es durch das Erschlaf­fen des Gau­mensegels und der Schlaf-Apnoe, wodurch der Schlaf nicht aus­re­ichend erhol­sam ist, oder durch Ein- und Durch­schlaf­prob­leme, die organ­is­ch­er Natur sein kön­nen, aber auch von äußeren Ein­flüssen abhän­gen. Prob­leme und Stress, Alko­hol und Kaf­fee, Lärm und Licht, zu spätes Essen und der Umgang mit dem Handy und seinem wach­hal­tenden Blaulich­tan­teil bis kurz vorm Schlafenge­hen hem­men gesun­den Schlaf. „Wenn man bei einem Mitar­bei­t­en­den oder Kol­le­gen regelmäßig Müdigkeit und sog­ar die Nei­gung zum Ein­schlafen während der Arbeit fest­stellt, sollte man das ver­trauliche Gespräch suchen. Je nach Sit­u­a­tion geht es darum, einen ver­ant­wortlichen Lebensstil zu empfehlen oder eine Beratung mit dem Betrieb­sarzt nahezule­gen“, rät Wiegand.

Untersuchungen anbieten

Dr. Klaus Ruff, stel­lvertre­tender Leit­er des Geschäfts­bere­ichs Präven­tion bei der Beruf­sgenossen­schaft (BG) Verkehr, emp­fiehlt zudem Arbeit­ge­bern Unter­suchun­gen zum The­ma Schlaf anzu­bi­eten und ein gutes Kli­ma im Betrieb zu pfle­gen. Denn dann out­en sich Betrof­fene eher. „Wenn aber Angst herrscht, dass man – zum Beispiel als Fahrer – als fahrun­tauglich eingestuft und ent­lassen wird, ist der Gang zum Betrieb­sarzt schwieriger.“ Wichtig sei in jedem Fall, Mitar­bei­t­ende für das The­ma Schläfrigkeit und Sekun­den­schlaf durch Unter­weisun­gen zu sen­si­bil­isieren, ins­beson­dere für jene Bere­iche, wo Gefahren dro­hen – also bei den Heim­fahrten, beim Lkw-Lenken, bei der Per­so­n­en­be­förderung, beim Bedi­enen von Maschinen.

Sekundenschlaf im Straßenverkehr

Auch wenn im heuti­gen Smart­phone-Zeital­ter „Ablenkung“ als Unfal­lur­sache im Straßen­verkehr im Fokus ste­ht, ist die Gefahr durch Sekun­den­schlaf nicht zu unter­schätzen. Bei ein­er Umfrage des Deutschen Verkehrssicher­heit­srates gaben 26 Prozent der Befragten an, bere­its ein­mal am Steuer eingeschlafen zu sein. Bezo­gen auf Lkw-Fahrer sei die Rate noch höher. „Das Schlaf­bedürf­nis von Lkw-Fahrern passt sich ja nicht automa­tisch den vorgegebe­nen Lenk- und Ruhezeit­en an“, erk­lärt Ruff. „Deshalb ist es wichtig, als Arbeit­ge­ber nicht zu eng zu disponieren, damit die Fahrer zusät­zlich zu den vorgegebe­nen Zeit­en entsprechend ihrer Schläfrigkeit auch indi­vidu­ell Pausen ein­le­gen kön­nen.“ Frischluft, Kof­fein, Musik oder Gespräche erziel­ten hier nur kurze Effek­te; lediglich mit Schlaf, da sind sich die Experten einig, könne man den Tief­punkt über­winden. Ide­al sei ein soge­nan­ntes „Pow­er Nap­ping“ von etwa 20 Minuten. Gegen eine Tasse Kaf­fee davor ist nichts einzuwen­den – er wirkt erst nach 30 Minuten.

Biologischer Rhythmus

In der Nacht ist das Risiko für Sekun­den­schlaf naturgemäß am größten. Beson­ders zwis­chen 2 und 3 Uhr sinkt die Aufmerk­samkeit auf den Tief­punkt. Die meis­ten Verkehrsun­fälle ereignen sich nach Angaben des Zen­trums für Schlafmedi­zin und Schlaf­forschung Inter­som zwis­chen 2 und 5 Uhr sowie nach­mit­tags zwis­chen 16 und 17 Uhr. Der „zirka­di­an­is­che Rhyth­mus“ gibt als inner­er biol­o­gis­ch­er Diri­gent den Takt vor, auch wenn er indi­vidu­ell unter­schiedlich aus­geprägt ist. So gibt es den Typus der „Lerchen“ – Men­schen, die früh­mor­gens fit sind – und den der „Eulen“, die am Abend beson­ders auf­blühen. Arbeit­szeit­mod­elle mit Gleitzeit kom­men den indi­vidu­ellen Schlaf- und Aktiv­ität­srhyth­men entgegen.

Überwachung macht schläfrig

Dass Fahrende im Straßen­verkehr beson­ders anfäl­lig für Sekun­den­schlaf sind, liegt auch an der Monot­o­nie und Reizarmut ihrer Tätigkeit. Bei­de Fak­toren senken die Aufmerk­samkeit. Rund 25 Prozent aller tödlichen Unfälle auf bayrischen Auto­bah­nen sind laut ein­er Studie des Ver­sicherung­sun­ternehmens HUK auf Schläfrigkeit am Steuer zurück­zuführen. Piloten beschäftigten sich, so Ruff, auf lan­gen Flü­gen, wenn der Autopi­lot in Aktion ist, vor­sor­glich mit anderen Auf­gaben, um aufmerk­sam zu bleiben – sie arbeit­en beispiel­sweise Check­lis­ten ab, lösen Denksportauf­gaben oder kom­mu­nizieren pri­vat. Auch beim autonomen und automa­tisierten Fahren der Zukun­ft müsse man dies im Blick haben.

Monotone Tätigkeiten durchbrechen

„Monot­o­nie und Reizarmut betr­e­f­fen aber generell alle Überwachungs­berufe. Nicht nur im Fahrzeug, son­dern auch an ein­er Mas­chine, an einem Bild­schirm oder vor einem Schwimm­beck­en“, sagt Jür­gen Wie­gand von der DGUV: Da man mehr beobachte als sel­ber zu agieren, sinke der Span­nungspegel und steige die Gefahr, unaufmerk­sam und schläfrig zu wer­den – und kurz einzuschlafen. Manche Maschi­nen und Geräte fordern deshalb vor­sor­glich eine regelmäßige Aktiv­ität ein, etwa das Drück­en ein­er Taste, um die Aufmerk­samkeit sicherzustellen. In Kraft­wa­gen find­en sich mitunter schon serien­mäßig „Müdigkeitswarn­er“. Sie werten das Fahrver­hal­ten und das Ver­hal­ten der Augen aus, ver­gle­ichen sie mit vorher erhobe­nen Ist-Werten und senden bei Abwe­ichung Signale.

Nickerchen in der Pause

„In Betrieben ist es ger­ade bei Überwachungstätigkeit­en wichtig, eine indi­vidu­elle Pausen­gestal­tung zu ermöglichen und ide­al­er­weise auch den Pausen­raum so einzuricht­en, dass dort ein kleines Nick­erchen möglich ist“, emp­fiehlt Wie­gand. Außer­dem sollte eine überwachende Tätigkeit – sofern möglich – nicht den ganzen Arbeit­stag aus­füllen, son­dern nur begren­zte Zeit­en umfassen.

Nicht alleine arbeiten

Generell dient der Vor­beu­gung von Müdigkeit auch die richtige Aus­gestal­tung des Arbeit­splatzes und des Arbeit­sum­felds. Über­las­tun­gen der Augen kön­nen beispiel­sweise ermü­den. Bei monot­o­n­er Arbeit gilt es, Einze­lar­beit­splätze zu ver­mei­den. Auch angemessene Frischluftzu­fuhr, die passenden Raumtem­per­a­turen und die richtige Beleuch­tung kön­nen die Aufmerk­samkeit fördern.

Schichtarbeit: Schneller Wechsel empfohlen

Schichtar­beit­er sind naturgemäß von Müdigkeit und Sekun­den­schlaf beson­ders betrof­fen. Dauer­haft gegen den natür­lichen Wach-Schlaf-Rhyth­mus zu leben oder ständi­ge Arbeit­szeit-Wech­sel zu bewälti­gen, fällt schw­er. Emp­fohlen werde, so Wie­gand, ein schneller Wech­sel zwis­chen den Schicht­en in dieser Rei­hen­folge: zwei Früh‑, zwei Spät- und zwei Nachtschicht­en, gefol­gt von Ruheta­gen. „Wech­selt die Schicht wochen­weise, dreht man durch. Mit jed­er Nachtschicht steigt das Schlafde­fiz­it und steigen die Fehlerzahlen.“

Auch die mor­gendliche Heim­fahrt nach ein­er Nachtschicht berge Gefahr: Die Arbeit ist vor­bei, die Umge­bung ver­traut, die Span­nung lässt nach – und der Schlaf kommt.


Foto: privat

Autorin:
Bernadett Groß
Freie Journalistin


Folgenreicher Unfall nach Sekundenschlaf

Weil sie kurzfristig ein­schlief, ver­lor eine 59-jährige Aut­o­fahrerin am Sam­stag, 01. Jan­u­ar 2022, gegen 15:45 Uhr auf der Mannheimer Straße in Hei­del­berg die Kon­trolle über ihr Fahrzeug. Sie kam nach links von der Fahrbahn ab, kol­li­dierte mit einem Verkehrss­child und fuhr schließlich gegen einen Baum. Die schw­er ver­let­zte Frau wurde mit einem Ret­tungswa­gen in ein Kranken­haus gebracht. Sie musste ihren Führerschein abgeben und erwartet nun eine Anzeige wegen Gefährdung des Straßenverkehrs.

Quelle: Polizeiprä­sid­i­um Mannheim

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