Beton ist ein vielseitiger Baustoff und auf fast allen Baustellen zu finden. Neben dem Einsatz als Frischbeton wird er zu zahlreichen Produkten wie großformatigen Fertigteilen, Decken, Rohren, Pflastersteinen bis hin zu Zaunpfahlfundamenten verarbeitet. Er wird aus Sand, Kies beziehungsweise Split, Zement und Wasser gemischt und anschließend fließfähig in Formen gefüllt, die am Folgetag ausgeschalt werden. In festerer Konsistenz lässt sich Beton „erdfeucht“ ausformen, sofort aus der Form entnehmen und zum Aushärten auf Brettern abstellen.
Die Betonmischanlagen in den Mitgliedsbetrieben der BG RCI, die sich mit der Herstellung von Beton und Produkten aus Beton befassen, bestehen aus einem Rohstofflager für Sand, Kies, Split und Zement, Fördereinrichtungen, je nach Bauform einem sogenannten Kübelaufzug und dem Herzstück der Anlage, dem eigentlichen Mischer. Beim Mischer handelt es sich um einen Trog, in dem die Ausgangsstoffe mittels kräftiger Rührwerke gemischt werden. Anschließend wird der fertige Beton durch eine Öffnung im Boden des Behälters ausgetragen und der weiteren Verwendung zugeführt. Üblicherweise steht der Betonmischer auf einer Bühne oberhalb der Produktionsebene. Sand und Kies für jede Mischung werden auf Produktionsebene (Erdgleiche) oder in einem Keller in einen Aufzugskübel dosiert. Dieser wird auf schrägen Schienen geführt und von einer Seilwinde auf die Mischerbühne gezogen. Dort wird er schließlich in den Mischer entleert.
Alle diese Vorgänge laufen automatisiert ab und werden zentral von einem Leitstand aus gesteuert. Immer wieder kommt es allerdings zu schweren Unfällen.
Unfallbeispiel 1
„Mischmeister bei Reinigungsarbeiten am Betonmischer mit dem Arm vom Mischwerk erfasst.“ So und ähnlich lauten die Unfallmeldungen aus Betonmischanlagen. Was war passiert?
Der Mischmeister reinigte nach Schichtende Mischerbühne und Mischtrog der Anlage. Ein Sicherheitsendschalter am Mischerdeckel sorgt im Automatikbetrieb dafür, dass die Mischwerkzeuge sich nur drehen können, wenn der Deckel geschlossen ist. Für die Reinigung kann das Rührwerk bei geöffnetem Deckel kurzzeitig im sogenannten Tippbetrieb gedreht werden. Am Unfallabend entdeckte der Mischmeister nach der Reinigung Betonreste an der inneren Wandung und setzte den Mischer über den Tippschalter in Gang. Er ging zügig zum Mischtrog, um die Betonreste zu entfernen. Dabei wurde er vom nachlaufenden Mischwerk an Hand und Arm getroffen. Obwohl die mehrfach gebrochene Hand in einer Spezialklinik für Handchirurgie operiert wurde, führten spätere Komplikationen zum Verlust von Hand und Unterarm.
Wie für alle automatisch arbeitenden Maschinen sind auch für Betonmischanlagen Schutzverkleidungen und Sicherheitsausrüstung sowohl für den Automatikbetrieb, als auch für Reinigung, Störungsbeseitigung und Instandsetzung vorgeschrieben.
Die gesetzliche Grundlage für Maschinenhersteller ist das Produktsicherheitsgesetz, für Arbeitgeber gelten Arbeitsschutzgesetz und Betriebssicherheitsverordnung.
Beim oben geschilderten Unfall führte eine fehlerhafte Steuerung des Tippbetriebes dazu, dass die Rührwerke sich während des Nachlaufs von circa zwölf Sekunden viel weiter als vorgeschrieben drehten und den Mitarbeiter beim Hineingreifen schwer verletzten.
Unfallbeispiel 2
Tödliche Verletzungen zog sich der Mitarbeiter eines Transportbetonwerkes zu, als er unterhalb des Kübelaufzugs Reinigungsarbeiten vornahm. Die untere Position des Kübels befindet sich im sogenannten Kübelkeller, der Zugang dorthin ist mit einem Schutzgitter gesichert, dessen Tür einen Sicherheitsschalter betätigt. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Kübelantrieb abgeschaltet wird, sobald Personen den Bereich betreten.
Während der Mitarbeiter Material in den über ihm befindlichen Kübel schaufelte, setzte sich dieser in Bewegung und quetschte den Mitarbeiter ein, der wegen der räumlichen Enge nicht ausweichen konnte. Er erlag noch vor Ort seinen schweren Verletzungen.
Bei der späteren Unfalluntersuchung stellte sich heraus, dass der Sicherheitsschalter nicht an der Anlagensteuerung aufgeschaltet war. Das heißt, die Anlage befand sich im Automatikbetrieb, während sich der Verunglückte auf den Sicherheitsschalter verlassen hat.
Obwohl die Anlage schon längere Zeit in Betrieb war, war die Funktion der Sicherheitseinrichtungen nicht überprüft worden.
Im Bereich des Kübelaufzugs drohen immer schwerste bis tödliche Verletzungen, daher ist es vorgeschrieben, den Verkehrsbereich der gesamten Kübelaufzugsbahn mit Schutzgittern gegen Betreten und Hineinreichen zu sichern. Die Zugangstüren müssen mit Verriegelungseinrichtungen verbunden sein, die die Maschine abschalten, sobald eine Zugangstür geöffnet wird. Steckbolzensicherungen an mindestens zwei Positionen der Aufzugsbahn verhindern, dass der Kübel absinken oder abstürzen kann, auch wenn die Anlage abgeschaltet ist.
Kontrollen, Beratungen, Schulungen
Die Reihe dieser und ähnlicher Unfallbeispiele hat sich auch in der jüngeren Vergangenheit fortgesetzt, häufig spielten die Manipulation von Sicherheitseinrichtungen insbesondere am Mischer und Kübelaufzug und das Nichtbefolgen von Anweisungen eine Rolle. Dies wurde bei der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie (BG RCI) Anfang 2018 zum Anlass genommen, in den Betrieben der Betonindustrie im Rahmen einer Schwerpunktaktion Kontrollen durchzuführen. Das Unfallgeschehen in Verbindung mit den Ergebnissen der Kontrollen im Jahr 2018 zeigten, dass neben weiteren Maßnahmen im ersten Schritt das Hauptaugenmerk bei Kontrollen, Beratungen und Schulungen in der Betonindustrie auf den beiden beschriebenen Anlagenteilen Betonmischer und Kübelaufzug liegen muss.
Zusammenarbeiten, um Unfälle zu verhindern
Die witterungsbedingten Schwankungen der Auftragslage, unregelmäßige Arbeitszeiten und verschleißbedingte Störungen in diesem rauen Gewerbezweig führen zu Zeitdruck und Stress mit der Folge steigender Risikobereitschaft und Fehlern. Die Führungskräfte müssen dem durch regelmäßige Unterweisungen, Kontrollen und wirkungsvolle Anlagenwartung Rechnung tragen. Sie sind dabei insbesondere auf die Unterstützung ihrer Sicherheitsbeauftragten angewiesen, die vor Ort als Erste von technischen Sicherheitsproblemen erfahren, unsicheres Verhalten ihrer Kollegen erkennen und eingreifen können. Unternehmer, Führungskräfte, Sicherheitsbeauftragte sowie Sicherheitsfachkräfte und nicht zuletzt die Aufsichtspersonen der BG RCI müssen zusammenarbeiten, um diese schweren Unfälle und das menschliche Leid dahinter dauerhaft zu verhindern.
Weitere Informationen
Mehr zur Absicherung von Betonmischanlagen findet man in diesen Schriften:
- Praxishandbuch der BG RCI
- DGUV Information 203–079 „Auswahl und Anbringung von Verriegelungseinrichtungen“
- Checkliste Mischer-Kübelaufzug (Download unter www.steine-und-erden.net)
Die wichtigsten Sicherheitsanforderungen an die Steuerung von Betonmischanlagen:
- Elektrische Verriegelung am Mischerdeckel, zusätzlich Zuhaltungsfunktion bei möglichem Nachlauf der Mischwerkzeuge
- Sicherung gegen Zuschlagen des Mischerdeckels, zum Beispiel Sicherungskette
- Festes Schutzgitter in Schauöffnungen gegen Hineingreifen
- Abschließbarer Hauptschalter im Bereich des Mischers, Vor-Ort-Steuerung in ausreichender Entfernung vom Mischer, bei Tippbetrieb Bewegung der Mischwerkzeuge um maximal 10 Grad (Einhandbetrieb) und um maximal 20 Grad (Zweihandsteuerung), „Totmannschaltung“ ist unzulässig.
- Die Freischaltung der Vor-Ort-Steuerung per Schlüssel muss gleichzeitig die Steuerung vom Steuerstand blockieren
Bei allen Sicherheitseinrichtungen gilt gemäß §6 BetrSichV: Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass die erforderlichen Schutz- oder Sicherheitseinrichtungen funktionieren und auch verwendet werden.