Wer für eine Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts oder für eine öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft unentgeltlich tätig wird oder sich in Vereinen oder Verbänden im Auftrag der Kommune ehrenamtlich engagiert, genießt per Gesetz den Schutz der Unfallversicherung. Hierzu gehören beispielsweise gewählte Elternvertreter in der Schule, Gemeinderäte oder auch Ministranten. Versichert sind außerdem Personen, die ehrenamtliche Tätigkeiten für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit Zustimmung einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft übernehmen. Diese Regelung kam einer Frau zugute, die für die Anerkennung ihres Arbeitsunfalls bis vor das Bundessozialgericht ging.
Auf dem Weg verunglückt
Die Klägerin war Mitglied eines Frauenchors, der Anfang Dezember 2016 in den Räumlichkeiten einer evangelischen Kirchengemeinde ein öffentliches Adventssingen darbieten wollte. Auf dem Weg zu diesem Auftritt verunglückte die Frau bei Glatteis mit ihrem Pkw und verletzte sich so schwer, dass sie seitdem unter einer Lähmung aller Extremitäten leidet.
Den Auftritt hatte die Vorsitzende des Frauenchors mit dem Pfarrer abgesprochen. Die Raumnutzung erfolgte im Einverständnis mit der Kirchengemeinde, die die Veranstaltung im örtlichen Amtsblatt unter der Rubrik „Kirchliche Nachrichten“ als Weihnachtskonzert öffentlich ankündigte. Zuwendungen oder Aufwandsentschädigungen bekamen die Chormitglieder für den Auftritt nicht.
Urteil des Bundessozialgerichts
Sowohl die Unfallkasse als auch die für Vereine und Religionsgemeinschaften zuständige Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) lehnten Versicherungsschutz für die Frau ab, weshalb sie vor Gericht zog. Das Bundessozialgericht verurteilte schließlich die VBG zur Anerkennung des Unglücks als Arbeitsunfall. Das Adventssingen des privat organisierten Frauenchors habe freiwillig, unentgeltlich und im Interesse des Gemeinwohls im Rahmen einer kirchlichen Veranstaltung stattgefunden. Damit sei die Klägerin für eine private Organisation – den Frauenchor – mit ausdrücklicher Einwilligung einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft – der evangelischen Kirche – tätig geworden, heißt es in der Begründung. Dieses mittelbar ehrenamtliche Tätigwerden für eine Religionsgemeinschaft über eine privatrechtliche Organisation sei für den Versicherungsschutz ausreichend.
Dass die Klägerin in dem Chor vornehmlich aus Freude am Gesang und der Gemeinschaft singe, sahen die obersten Sozialrichter als nicht hinderlich an. Dass eine ehrenamtliche Tätigkeit mit Freude daran oder an der Gemeinschaft ausgeübt werde, gehöre schließlich zum Wesen des Ehrenamts.
(Urteil des Bundessozialgerichts vom 08.12.2022, Az. B 2 U 19/20 R)