Herr Kunz, wie kam es zu der Idee, die Schulung zu simulieren?
Durch meine langjährige Tätigkeit als Trainer im Trainingscenter Produktion/Logistik in Ingolstadt beobachte ich, dass in den letzten Jahren auch in der Werklogistik vermehrt neue Systeme zur Unterstützung der Mitarbeiter zum Einsatz kommen. Diese sogenannten Pick-by-Systeme sind auch Bestandteil unserer Trainings für neue Mitarbeiter.
Zum Trainieren der Arbeitsprozesse verwenden wir realitätsnahe Anlagen und IT-Systeme, die Kosten verursachen und auch dementsprechend Fläche benötigen. Zusammen mit Mirko Göres, IT Projektmanager aus der Audi Markenlogistik, haben wir uns deshalb nach innovativen, digitalen Lösungen umgesehen.
Wie sind Sie auf das Start-up Varity gekommen?
Im Rahmen eigener Recherchen sind wir auf „Varity“, damals noch unter dem Namen „Modellfabrik Bodensee GmbH“ aufmerksam geworden, die sich im anschließenden Ausschreibungsprozess gegen mehrere Mitbewerber durchsetzen konnten.
Wie lange hat es gedauert, bis das Programm für die ersten Schulungsdurchläufe bereitstand?
Unser Ziel war es, alle bei Audi aktuell genutzten Pick-by-Systeme (Pick-by-light, Pick-by- tablet und Pick-by-voice) als VR-Training abzubilden. Mit jedem Level steigert sich der Schwierigkeitsgrad: Zu Beginn werden noch alle Arbeitsschritte anmoderiert, nach und nach gibt das Programm weniger Hinweise. Im letzten Durchgang muss der Mitarbeiter alle Aufträge ohne Hilfe durchlaufen. Das erhöht die Motivation und spornt den Ehrgeiz der Auszubildenden an. Die Entwicklung hat etwa acht Monate gedauert – angefangen beim Schreiben des Drehbuches über die Abstimmung mit den Fachbereichen bis hin zum Testen der programmierten Module.
Wie oft werden diese genutzt?
Wir halten das Training derzeit mehrmals im Monat ab.
Wie überzeugend empfinden Sie selbst die Simulation?
Das VR-Training zeichnet sich durch eine realitätsnahe Abbildung der Gegenstände und Umgebung aus. Besonderen Wert haben wir dabei auf Wiedererkennbarkeit, Standards und Details gelegt. Auch die sehr schnelle Reaktion der VR-Hardware auf die Bewegungen des Trainees trägt zur realitätsnahen Empfindung bei. Die fotorealistische Darstellung empfinde auch ich als Trainer absolut überzeugend und das Feedback der Mitarbeiter gibt mir Recht.
Gab es auch Kritik an der Anwendung – Schwindel, schlechte Auflösung, mangelnder Tragekomfort etc. ?
Wir befinden uns momentan noch in der Erprobungsphase, aber ich hatte bisher noch keine Teilnehmer, die über Schwindel oder Übelkeit geklagt haben. Vor allem bei den Auszubildenden und den jungen Facharbeitern kommt die VR Technologie sehr gut an. Der eine oder andere kennt bereits VR aus dem Spielebereich und ist dementsprechend mit dem Umgang vertraut. Aber auch über 40-jährige Mitarbeiter haben keine Probleme.
Vor jedem Training gibt es für die Trainees eine kurze Aufwärmeinheit, in der die wichtigsten Bedienungen und Interaktionen mit Objekten geübt werden. Natürlich würde ich mich freuen, wenn zukünftig auch eine kabellose VR-Brille zum Einsatz kommt, da sich damit noch freier trainieren lässt. Die Trainingsdauer sollte übrigens nicht länger als eine halbe Stunde betragen.
Wie sind die Ergebnisse – ist die Fehlerquote signifikant gesunken?
Natürlich trägt eine gute Ausbildung und eine gewisse Routine bei standardisierten Abläufen zu einer höheren Effizienz bei. Unser Fokus bei der Entwicklung des Trainings lag auf der Prozesssicherheit der Mitarbeiter und daraus resultierend reduziert sich auch die Anzahl der Fehler. Konkrete Daten liegen bisher noch nicht vor.
Können Sie sich weitere Anwendungen für VR vorstellen – vielleicht auch in anderen Fertigungsbereichen?
Um virtuelle Trainings künftig möglichst vielen Mitarbeitern zugänglich zu machen, hat bei Audi ein fünfköpfiges Team aus verschiedenen Geschäftsbereichen ein Virtual Reality Software Development Kit (SDK) konzipiert – eine Art Baukasten zum Erstellen von Virtual-Reality-Trainings. Wir im Trainingscenter arbeiten damit derzeit an einer Sensibilisierungssoftware, die das sichere Zusammenspiel von Flurförderzeugen und Fußgängern behandelt.
Ist VR die Technik der Zukunft?
VR ist auf jeden Fall eine Technik der Zukunft … Durch den VR-Einsatz eröffnen sich neue Möglichkeiten in der Qualifizierung der Mitarbeiter und fertige VR-Trainings können auch an anderen Standorten zum Einsatz kommen.
Durch den Vorteil, teure Hardware zur Darstellung des Arbeitsumfeldes zu vermeiden, bieten sich viele Chancen im Trainingsbereich.