Die ASR „Lärm“ gilt für geplante sowie für bereits existierende Arbeitsplätze in Arbeitsräumen. Für Arbeitsplätze auf Baustellen oder mit Ultraschallbelastungen sollen zu einem späteren Zeitpunkt ergänzende Regelungen folgen. Eine Ausnahmeregelung beziehungsweise einen Bestandsschutz für existierende Arbeitsplätze gibt es nicht.
Ist die Einhaltung der Vorgaben zum Schallschutz „mit Aufwendungen verbunden, die offensichtlich unverhältnismäßig sind, hat der Arbeitgeber zu prüfen, wie durch andere oder ergänzende Maßnahmen die Sicherheit und der Gesundheitsschutz der Beschäftigten in vergleichbarer Weise gesichert werden kann. Die erforderlichen Maßnahmen hat er durchzuführen“ (Abschnitt 8 (7)).
Der Anwendungsbereich der ASR wird auf A‑bewertete äquivalente Dauerschallpegel unterhalb von 80 dB(A) festgelegt. Für Lärmexpositionspegel ab 80 dB(A) gilt bekanntlich die Lärm- und Vibrationsarbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV) in Verbindung mit den Technische Regeln (TRLV) für den Bereich „Lärm“.
Während es bei der LärmVibrationsArbSchV in erster Linie um den Schutz vor auralen, das heißt das Innenohr betreffende Lärmwirkungen geht (zum Beispiel Gehörschäden), dient die ASR A3.7 insbesondere dem Schutz vor extra-auralen Lärmwirkungen, die über das Gehirn und das Zentralnervensystem auf den gesamten Organismus des Menschen einwirken. Zur Veranschaulichung der vielfältigen extra-auralen Lärmwirkungen enthält die ASR die hier als Abbildung 1 gezeigte, vereinfachte Darstellung. Es geht also um den sogenannten Lärmstress und psychische Folgewirkungen, die Störung der sprachlichen Kommunikation, die Minderung der Arbeitseffektivität, aber auch um das erhöhte Unfallrisiko durch Überhören von Warnsignalen. In der Abbildung 1 findet sich auch der Hinweis, dass durch extra-aurale Lärmwirkungen langfristig gesundheitliche Beeinträchtigungen entstehen können.
Abb. 1: Vereinfachte Darstellung akuter extra-auraler Lärmwirkungen; Quelle: Technische Regeln für Arbeitsstätten ASR A3.7 Lärm
Tätigkeitskategorien und maximal zulässige Beurteilungspegel
Die ASR A3.7 definiert die Tätigkeit als eine zielgerichtete, mit einer Aufgabenerfüllung verbundene Arbeit, die ein bestimmtes Maß an Konzentration oder eine bestimmte Qualität der Sprachverständlichkeit erfordert.
In Anlehnung an die VDI-Richtlinie 2058–3 werden drei Tätigkeitskategorien nach den Anforderungen unterschieden:
- I) hohe Konzentration oder hohe Sprachverständlichkeit
- II) mittlere Konzentration oder mittlere Sprachverständlichkeit
- III) geringere Konzentration oder geringere Sprachverständlichkeit
Zur Beschreibung der Tätigkeitskategorien nennt die ASR A3.7 eine Reihe von Beispielen für entsprechende Tätigkeiten, die hier in Tabelle 1 auszugweise zusammengestellt sind.
Tab. 1: Beschreibung der Tätigkeitskategorien
In Abhängigkeit von der Tätigkeitskategorie legt die ASR A3.7 die in Tabelle 2 angegebenen maximal zulässigen Beurteilungspegel fest.
Tab. 2: Maximal zulässige Beurteilungspegel
Dabei dürfte insbesondere die Einhaltung des maximal zulässigen Beurteilungspegels von 55 dB(A) für Arbeiten in der Tätigkeitskategorie I häufig schwerfallen, wenn viele Personen in einem Raum zu einem hohen zeitlichen Anteil sprechen. Als Beispiel zeigt Abbildung 2 die für einen Büroraum (125 m² Grundfläche) mit einer schallabsorbierenden Decke nach VDI 3760 berechnete Schalldruckpegelverteilung. Für die 10 Personen im Raum wurde dabei jeweils eine relativ entspannte, ruhige Sprechweise mit einem Schallleistungspegel LWA von 63 dB angenommen. Selbst unter diesen verhältnismäßig günstigen raumakustischen Bedingungen ergeben sich hier Schalldruckpegel von rund 60 dB(A). Die Einhaltung eines Pegels von maximal 55 dB(A) lässt sich in diesem Fall nur durch Einsatz von wirksamen Abschirmungen realisieren. Problematisch können aber auch die im Abschnitt 5.1 (4) der ASR A3.7 formulierten Anforderungen sein: „Für Tätigkeiten, bei denen überwiegend sprachabhängige kognitive Aufgabenstellungen zu lösen sind (z.B. Korrektur und Bewertung von Prüfungsergebnissen, Übersetzungen, Verfassen und Redigieren von Texten und Dokumenten, Beratung zu komplexen Produkten und Dienstleistungen im Callcenter oder Beratungsbüro), sollen Arbeitsplätze ohne Belastung durch Hintergrundsprache zur Verfügung gestellt werden. Das Einspielen von Hintergrundrauschen als Maskierer für die Hintergrundsprache soll vermieden werden.“
Abb. 2: Nach VDI 3760 berechnete Schalldruckpegelverteilung für einen Büroraum von 125 m² Grundfläche mit einer schallabsorbierenden Decke und Besetzung mit 10 gleichzeitig ‧sprechenden Personen (LWA = 63 dB); Quelle: VDI 3760
Hier stellt sich die Frage, wie man in einem Callcenter Arbeitsplätze ohne Belastung durch Hintergrundsprache realisieren will. Und warum soll die Maskierung von Hintergrundsprache vermieden werden, obwohl sich Maskierungsgeräusche (bis ca. 45 dB(A)) durchaus bewährt haben und von den Beschäftigten vielfach als Verbesserung empfunden werden (VDI 2569, Entwurf 2016)?
Falls Tätigkeiten der Tätigkeitskategorie I oder II zeitweilig in einer lauten Umgebung ausgeführt werden müssen, zum Beispiel bei der Programmierung einer Maschine oder eines Roboters in der Produktionshalle, darf ausnahmsweise für eine Übergangszeit ein Gehörschutz eingesetzt werden. Soweit möglich sind die entsprechenden Arbeitsplätze dann jedoch durch geeignete Maßnahmen, zum Beispiel eine Schallschutzkabine, veränderte Arbeitsverfahren oder Fernprogrammierung, so umzugestalten, dass die für diese Tätigkeiten vorgegebenen Beurteilungspegel eingehalten werden.
Raumakustische Anforderungen
Da die raumakustische Situation an einem Arbeitsplatz eine große Bedeutung für die Sprachverständlichkeit und das Wohlbefinden der Beschäftigten hat, macht die ASR A3.7 konkrete Vorgaben für die entsprechende Gestaltung von Büroräumen, Räumen in Bildungsstätten und sonstigen Räumen mit Sprachkommunikation.
Büroräume und Bildungsstätten:
Für Büroräume und Bildungsstätten gelten die in Tabelle 3 zusammengestellten Vorgaben zu den Nachhallzeiten in den Oktavbändern von 250 Hz bis 2000 Hz.
Tab. 3: Nach ASR A3.7 in Büroräumen und in Bildungsstätten einzuhaltende Nachhallzeiten (für Oktavbänder von 250 Hz bis 2000 Hz)
Die für Büroräume angegebenen Nachhallzeiten sind jeweils im unbesetzten Zustand einzuhalten. Die vorgegebenen Nachhallzeiten wurden aus einer früheren Fassung der DIN 18041 (5/2004) abgeleitet, indem die dort in Abhängigkeit von den Grundflächen festgelegten absorbierenden Flächen unter Anwendung der sogenannten Sabine´schen Formel auf Nachhallzeiten umgerechnet wurden.
Die für Räume in Bildungsstätten, zum Beispiel Schulen, Hochschulen und Kindertagesstätten, zu realisierende Nachhallzeit wird nach der in der Tabelle 3 angegebenen Formel unter Berücksichtigung des Raumvolumens V berechnet. Diese Nachhallzeit gilt für besetzte Räume und ist in den Oktavbändern von 250 Hz bis 2000 Hz jeweils mit einer Toleranz von +/- 20% einzuhalten.
Die entsprechende Formel zur Berechnung der geforderten Nachhallzeit wurde aus der DIN 18041 übernommen und wird dort für Räume mit kommunikationsintensiver Nutzung mit mehreren gleichzeitigen Sprechern („Unterricht/Kommunikation“) bei einem Besetzungsgrad von 80% vorgegeben. Die Einhaltung der geforderten Nachhallzeiten ist in derartigen Räumen von großer Bedeutung für die sprachliche Verständigung über mittlere bis größere Entfernungen. Durch längere Nachhallzeiten und die damit verbundenen zeitlich stark verzögerten Schallreflexionen werden die in der Sprache enthaltenen Informationen verschliffen, so dass die Verständlichkeit leidet. Zudem führen die Schallreflexionen zu einem höheren Geräuschpegel in dem entsprechenden Raum.
Nach der DIN 18041 kann es erforderlich sein, bei erhöhten Anforderungen an die Sprachverständlichkeit, zum Beispiel bei Unterricht für Personen mit Hörminderung, noch niedrigere Nachhallzeiten zu realisieren. Ein entsprechender Hinweis findet sich auch in der ASR A3.7.
Sonstige Räume mit Sprachkommunikation:
Für alle sonstigen Räume, in denen eine Sprachkommunikation erforderlich ist, macht die ASR A3.7 Vorgaben, die sich an den Regelungen der Technischen Regeln (TRLV) zum Lärm orientieren. Die entsprechenden Anforderungen an die Raumakustik sind in Tabelle 4 zusammengestellt.
Tab. 4: Raumakustische Anforderungen (Alternativen) an sonstige Räume mit Sprach‧kommunikation (für eingerichtete Räume)
Gefährdungsbeurteilung
Bei der Beurteilung der Gefährdung durch Lärm geht es jeweils darum, die für den Arbeitsplatz längerfristig typische Geräuschsituation zu erfassen. Dabei sind einzelne, zufällige oder zeitweilige Schalleinwirkungen durch Dritte auszuschließen, zum Beispiel Lärm durch Einsatz- oder Abfallsammelfahrzeuge, Gartengeräte oder benachbarte Baustellen.
Zur Beurteilung der Arbeitsplatzsituation beschreibt die ASR A3.7 unterschiedliche Vorgehensweisen bzw. Ermittlungsverfahren, die in Tabelle 5 aufgelistet sind.
Tab. 5: Ermittlungsverfahren zur Beurteilung der Gefährdung durch Lärm
Für viele Arbeitsplätze dürfte sich das Verfahren der lärmbezogenen Arbeitsplatzbegehung anbieten, das ohne aufwendige Geräuschmessungen und ‑analysen auskommt. Dieses Verfahren sieht eine Begehung durch mindestens zwei Personen und jeweils eine Entscheidung durch subjektive Beurteilung der Lärmsituation vor. Das bietet sich vor allem für solche Arbeitsplätze an, an denen es offensichtlich keine störenden Schallquellen und Lärmprobleme gibt. Aber auch, falls es bereits Erfahrungswerte durch Messungen oder Berechnungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen gibt. Im Zweifelsfall sind danach jedoch ergänzende Untersuchungen mit genaueren Messungen beziehungsweise Berechnungen erforderlich.
Zur Beurteilung der Lärmbelastungssituation wird in der ASR A3.7 neben dem im Abschnitt 7.5 beschriebenen Messverfahren, das sich an der Messnorm DIN 45645–2 orientiert, auch ein vereinfachtes Verfahren angeboten (orientierende Messung nach Abschnitt 7.4). Da sich der Aufwand dabei nur wenig von der genauen Messung unterscheidet und bei Durchführung der orientierenden Messung zudem deutlich niedrigere Grenzwerte von 46 dB(A) bzw. 61 dB(A) (Tätigkeitskategorien I und II) einzuhalten sind, wird dieses Verfahren in der betrieblichen Praxis wohl nur selten zur Anwendung kommen.
Zur Beurteilung der raumakustischen Situation erlaubt die ASR A3.7 neben der messtechnischen Ermittlung der entsprechenden Kennwerte nach Abschnitt 7.3 auch die Anwendung eines Abschätzverfahrens unter Nutzung von im Anhang 2 der ASR angebotenen Absorptionsgrad-Tabellen.
Maßnahmen zum Lärmschutz
Falls im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung festgestellt wurde, dass die maximal zulässigen Beurteilungspegel für die entsprechende Tätigkeit überschritten oder die raumakustischen Vorgaben nicht eingehalten werden, müssen die Betriebe geeignete Schutzmaßnahmen ergreifen. Wie bei den Technischen Regeln zur LärmVibrationsArbSchV (TRLV) gilt dabei die folgende Reihenfolge (T – O – P):
- T – Technische Lösungen, z.B. lärmarme Maschinen, raumakustische Maßnahmen
- O – Organisatorische Maßnahmen, z.B. räumliche Verlagerung oder zeitliche Verschiebung von lärmintensiven Arbeiten
- P – Persönliche Schutzmaßnahmen, z.B. Einsatz von Gehörschutzmitteln
Gehörschutz kommt dabei nur im Ausnahmefall als vorübergehende Maßnahme in Betracht, zum Beispiel bei einer Baustelle in der Nachbarschaft oder zeitweiligen Programmierarbeiten in einer Produktionshalle.
Falls Schallschutzmaßnahmen offensichtlich mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden sind, „hat der Arbeitgeber zu prüfen, wie durch andere oder ergänzende Maßnahmen die Sicherheit und der Gesundheitsschutz der Beschäftigten in vergleichbarer Weise gesichert werden kann. Die erforderlichen Maßnahmen hat er durchzuführen.“
Literatur
- Arbeitsstättenverordnung – ArbStättV vom 20. März 1975, BGBl. I, S. 729, ersetzt durch: Verordnung über Arbeitsstätten (ArbStättV) vom 12. August 2004, BGBl. I, S. 2179, zuletzt geändert durch Artikel 4 der Verordnung v. 19. Juli 2010, BGBl. I, S. 960
- Technische Regeln für Arbeitsstätten ASR A3.7 „Lärm“, Bek. D. BMAS v. 2.5.2018, Gemeinsames Ministerialblatt v. 18. Mai 2018, S. 445–469
- Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen (Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung – LärmVibrationsArbSchV) v. 6. März 2007, BGBl. I, S. 261, letzte Änderung v. 19. Juli 2010, BGBl. I, S. 964
- Technische Regeln zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (TRLV) Lärm, GMBl. 2010 Nr. 18–20 v. 23. März 2010, letzte Fassung GMBl 2017 Nr. 34/35 v. 5. September 2017
- VDI 2058 Blatt 3: Beurteilung von Lärm am Arbeitsplatz unter Berücksichtigung unterschiedlicher Tätigkeiten. (August 2014)
- VDI 3760: Berechnung und Messung der Schallausbreitung in Arbeitsräumen.
(Februar 1996) - VDI 2569: Schallschutz und akustische Gestaltung im Büro. (Januar 1990 bzw. Entwurf v. Februar 2016)
- DIN 18041: Hörsamkeit in Räumen – Anforderungen, Empfehlungen und Hinweise für die Planung. (März 2016)
- IFA-LSA 01–234: Raumakustik in industriellen Arbeitsräumen – Anforderungen, Grundlagen, Messverfahren, Maßnahmen, Lärmminderungserfolge. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V., August 2014
- DIN 45645–2: Ermittlung von Beurteilungspegeln aus Messungen – Teil 2: Ermittlung des Beurteilungspegels am Arbeitsplatz bei Tätigkeiten unterhalb des Pegelbereiches der Gehörgefährdung. (September 2012)
- Maue, J.H.: Lärmmessung im Betrieb – Anleitung zur normgerechten Ermittlung der Lärmexposition am Arbeitsplatz und der Geräuschemission von Maschinen. ESV-Verlag, Berlin 2011
Langfassung und Gefährdungsbeurteilung
Details zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung finden Sie in der zum Download (PDF) angeboteten ausführlicheren Fassung dieses Beitrags auf
Autor: Dr. Jürgen Maue
Beratung bei Arbeitslärm
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