Bei konsequentem Einkauf lärmarmer Produkte und dem Austausch älterer Maschinen durch leisere neue lassen sich auf lange Sicht deutliche Lärmminderungserfolge erreichen, ohne dass dem Betrieb dadurch zusätzliche Kosten für die Lärmminderung entstehen.
Kennwerte zur Beschreibung der Geräuschemission
Um die Geräuschemission einer Maschine zu beschreiben, sind vor allem die folgenden Kennwerte von Bedeutung, die die Geräuschabstrahlung unabhängig von den räumlichen Bedingungen und von Fremdgeräuschen beschreiben:
- der Emissions-Schalldruckpegel am Arbeitsplatz Lp ist ein Maß für den von der Maschine an dem zugehörigen Arbeitsplatz verursachten Schalldruckpegel ohne die Rückwirkung durch den Arbeitsraum und ohne Fremdgeräusche. Er entspricht dem Schalldruckpegel am Arbeitsplatz, wenn die Maschine im Freien und in ruhiger Umgebung aufgestellt ist (Idealfall).
- der Schallleistungspegel LW ist ein Maß für die von der Maschine insgesamt abgestrahlte Schallenergie je Zeiteinheit.
Der Unterschied zwischen den beiden Größen Schallleistung und Schalldruck lässt sich am Beispiel der Beheizung eines Raumes verdeutlichen. Die Schallleistung entspricht dabei der Wärmeleistung der Wärmequelle, zum Beispiel eines Heizlüfters mit 1000 W. Der Schalldruck entspricht der nach längerem Betrieb in dem Raum erreichten Temperatur, zum Beispiel von 23 °C. Zwischen dem Schallleistungspegel einer Maschine und dem durch die Schallabstrahlung verursachten Schalldruckpegel besteht folgender zahlenmäßiger Zusammenhang: Bei Aufstellung der Maschine im Freien (ungehinderte Schallausbreitung) und ohne nennenswerte Fremdgeräuscheinwirkung errechnet sich der Schallleistungspegel LW aus dem mittleren Schalldruckpegel LP auf einer die Maschine einschließenden Messfläche (Messflächen-Schalldruckpegel) und der Größe der Messfläche (Messflächeninhalt) S nach der folgenden Formel:
- LW = LP + 10 lg (S /1 m²) dB bzw.
- LW = LP + LS dB
mit:
- LP — Messflächen-Schalldruckpegel – mittlerer Schalldruckpegel auf der Messfläche S
- S — Messflächeninhalt
- LS = 10 lg (S /1 m²) – Messflächenmaß
Abbildung 1 zeigt ein Beispiel für eine Messfläche S mit fünf Messpunkten zur Ermittlung des Schallleistungspegels nach DIN EN ISO 3746 [2]. Der Messabstand d zur Maschinenoberfläche (Bezugsfläche) wird dabei in der Regel mit 1 m festgelegt.
Unter diesen besonderen Bedingungen (Freifeld und keine Fremdgeräuscheinwirkung) unterscheidet sich der Schallleistungspegel also nur durch das sogenannte Messflächenmaß LS von dem Messflächen-Schalldruckpegel. Das Messflächenmaß LS ergibt sich aus dem Messflächeninhalt S nach der oben genannten Formel (LS = 10 lg (S /1 m²)) oder nach dem in Abbildung 2 abgebildeten Diagramm.
Der Schallleistungspegel LW fällt also jeweils um das Messflächenmaß LS höher aus als der Messflächen-Schalldruckpegel LP und kann damit deutlich höhere Zahlenwerte annehmen als die allgemein bekannten Grenzen für Schalldruckpegel von zum Beispiel 80 und 85 dB(A). Der Emissions-Schalldruckpegel am Arbeitsplatz liegt dagegen in der Regel auf dem gleichen Niveau wie der mittlere Schalldruckpegel auf der Messfläche Lp , da sich der Arbeitsplatz etwa im gleichem Abstand zu der Maschine befindet wie die Messpunkte auf der Messfläche. So ergeben sich zwischen dem Emissions-Schalldruckpegel Lp und dem Schallleistungspegel LW vielfach Unterschiede von circa 8 bis 25 dB – je nach Größe der Maschine, der Richtcharakteristik der Schallabstrahlung und der Lage des Arbeitsplatzmesspunkts.
Während der Schallleistungspegel in der Regel die für den Einkäufer einer Maschine wichtigste Geräusch-Kenngröße ist, interessiert sich der Arbeitsschutz oft eher für den Emissions-Schalldruckpegel am Arbeitsplatz, weil dieser Wert in der gleichen Größenordnung liegt wie der am Arbeitsplatz zu erwartende Schalldruckpegel. Auch kann die Auswahl einer Maschine A mit einem etwas höheren Schallleistungspegel als die Maschine B durchaus sinnvoll sein, falls die Maschine A eine geringere Schallabstrahlung in Richtung des Arbeitsplatzes und dadurch einen niedrigeren Emissions-Schalldruckpegel aufweist.
Zur Bestimmung der Geräuschemissionskennwerte gibt es eine Reihe unterschiedlicher Verfahren, die sich je nach Umgebungsbedingungen und geforderter Genauigkeit sinnvoll anwenden lassen. Die Durchführung der entsprechenden normgerechten Geräuschmessungen ist im Taschenbuch „Lärmmessung im Betrieb“ [3] ausführlich beschrieben und anhand von Beispielen erläutert.
Normen zur Bestimmung der Emissions-Kennwerte
Bei den Normen zur Geräuschemissions-Messung kann man zwischen den Grundnormen und den darauf aufbauenden maschinenspezifischen Normen unterscheiden. In den Grundnormen werden die unterschiedlichen Verfahren zur Bestimmung der Geräuschemissions-Kennwerte ganz allgemein beschrieben. In den maschinenspezifischen Normen werden jeweils die für eine bestimmte Maschinengruppe anzuwendenden Verfahren und weitere Details zur Durchführung der Messung festgelegt, zum Beispiel die zu realisierenden Aufstell- und Betriebsbedingungen (Drehzahl, Last usw.).
Die Ermittlung des Emissions-Schalldruckpegels am Arbeitsplatz wird in den Grundnormen DIN EN ISO 11201 bis DIN EN ISO 11205 [4] beschrieben. Für die Ermittlung des Schallleistungspegels in üblichen Arbeitsräumen sind vor allem die Grundnormen DIN EN ISO 3744 und DIN EN ISO 3746 [2] von Bedeutung. Je nach Maschinenart und Aufstellbedingungen lassen sich aber auch andere Grundnormen zur Bestimmung des Schallleistungspegels sinnvoll einsetzen.
Das bereits erwähnte Taschenbuch „Lärmmessung im Betrieb“ [3] gibt einen vollständigen Überblick über die Grundnormen und die Messverfahren zur Bestimmung der Geräuschemissionskennwerte.
Geräuschemissionsangabe
Um Unternehmen die notwendigen Informationen zur Auswahl lärmarmer Maschinen zur Verfügung zu stellen, verpflichtet die EG-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG [5] beziehungsweise deren nationale Umsetzung durch die 9. Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (9. ProdSV) [6] den Hersteller und Vertreiber von Maschinen zur Angabe der Geräuschemission in der Betriebsanleitung sowie in Verkaufsprospekten oder Katalogen, in denen Leistungsmerkmale der Maschine beschrieben werden. Die DGUV-Information FB HM-023 „Emissionsangaben Lärm u. Vibrationen“ [7] gibt einen Überblick über die wesentlichen Inhalte der hier genannten gesetzlichen Bestimmungen.
Die Geräuschkennwerte sind in der Regel als A‑bewertete Pegel anzugeben, um damit annähernd die Frequenzabhängigkeit der Hörempfindung zu berücksichtigen. Als Geräuschemissions-Kennwert ist dann zunächst einmal der Emissions-Schalldruckpegel am Arbeitsplatz LpAd gefragt. Wie in Tabelle 1 dargestellt, kann man bei Emissions-Schalldruckpegeln bis zu 70 dB(A) entweder den Wert „70 dB(A)“ oder den tatsächlichen Emissionswert angeben. Erst bei Emissions-Schalldruckpegeln LpAd über 80 dB(A) ist zusätzlich die Angabe des Schallleistungspegels LWAd erforderlich. Sollte im Einzelfall ein extrem hoher Spitzenschalldruckpegel auftreten, so ist dieser als Spitzenwert (Peak-Wert) in der Frequenzbewertung C anzugeben.
Bei der Geräuschangabe für eine Maschine muss neben dem Geräuschemissions-Kennwert (LWA bzw. LpA) auch jeweils die damit verbundene Unsicherheit K angegeben werden. Sie berücksichtigt sowohl die Unsicherheit des Messverfahrens als auch die Unsicherheit durch die Produktionsstreuung eines Maschinenloses. Falls es für die entsprechende Maschinenart eine maschinenspezifische Norm gibt, sollte dort die anzunehmende Unsicherheit festgelegt sein. Tabelle 2 zeigt ein Beispiel für die Geräuschangabe entsprechend der Technischen Regeln zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (TRLV Lärm) [8].
Empfehlungen für den Einkauf lärmarmer Maschinen
Wie bereits in der Einleitung angesprochen, muss sich der Unternehmer vor dem Kauf einer Maschine über die zu erwartende Geräuschemission informieren, um danach eine möglichst leise Maschine auszuwählen. Leider gibt es dabei häufig Probleme, zum Beispiel weil:
- die Geräuschauszeichnung durch die Maschinenhersteller fehlerhaft ist
- die Geräuschangaben für Einkäufer unverständlich sind, das heißt er kann mit den Emissions-Kennwerten (Emissions-Schalldruckpegel und Schallleistungspegel) nichts anfangen
- der Betriebszustand im realen Einsatz erheblich von den in der Messnorm vorgegebenen Messbedingungen abweichen kann
- die Einkäufer nicht erkennen, welche Bedeutung die Geräuschemission der zu beschaffenden Maschine für die Lärmsituation an den Arbeitsplätzen hat
- bei der Beschaffung vorrangig andere Maschinendaten, wie Preis und Leistung, eine Rolle spielen
In einer groß angelegten Studie unter Beteiligung von 14 EU-Mitgliedsstaaten (NOMAD-Studie – Noise Machinery Directive) wurde festgestellt, dass vier von fünf Betriebsanleitungen von Maschinen nicht den gesetzlichen Anforderungen zum Lärm entsprechen, weil die Geräuschemissionsangabe fehlt oder unbrauchbar ist. Erfahrungsgemäß sind viele beim Verkauf einer Maschine getroffenen Vereinbarungen bezüglich Lärmemission missverständlich, weil zwar ein Pegelwert genannt wird, ohne aber zu sagen, um welchen Kennwert es sich dabei handelt und nach welcher Norm dieser zu ermitteln ist.
Um die Herstellerangaben nach der Aufstellung der Maschine überprüfen zu können, sollten nach Möglichkeit jeweils konkrete Werte für die Geräuschemission und das anzuwendende Messverfahren (maschinenspezifische Messnorm) vereinbart werden. Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, sich die Geräuschemissionswerte für den geplanten Einsatz der Maschine garantieren zu lassen, wenn der reale Betrieb (z.B. Drehzahl, Last) deutlich von den Vorgaben der maschinenspezifischen Norm abweicht.
Nach den Technischen Regeln zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung [8] (Teil 3, Abschnitt 4.2 (8)) muss sich der geforderte Geräuschemissionswert am Stand der Technik orientieren, falls für die jeweilige Maschinenart entsprechende Erfahrungswerte vorliegen. Falls sich der Stand der Lärmminderungstechnik für die entsprechende Maschinenart nicht ohne weiteres angeben lässt, zum Beispiel bei Einzelanfertigungen beziehungsweise Sondermaschinen, sollten mehrere Alternativangebote eingeholt werden, um dann eine möglichst leise Maschine auszuwählen. Leider wird der Aspekt der Lärmemission beim Einkauf von Maschinen vielfach nicht ausreichend berücksichtigt, weil die Bedeutung der lärmarmen Gestaltung der Arbeitsplätze für das Wohlbefinden und die Gesundheit der Beschäftigten unterschätzt wird. Deshalb kommt es nach der Aufstellung neuer Maschinen oft zu Klagen der Beschäftigten aufgrund hoher Lärmbelastungen. Dabei sollten sich die Lärmbelastungen durch eine gezielte Auswahl lärmarmer Maschinen in der Regel reduzieren lassen, ohne dass dem Betrieb dadurch nennenswerte zusätzliche Kosten entstehen.
Autor
Dr.-Ing. Jürgen Maue
ehemaliger Referatsleiter „Lärm“ im Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA),
E‑Mail: juergen.maue@dguv.de