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Aus Fehlern lernen, statt Schuldige zu suchen

Fehlerkultur
Aus Fehlern lernen, statt Schuldige zu suchen

Aus Fehlern lernen, statt Schuldige zu suchen
Niemand ist perfekt, Fehler passieren. Werden aber Fehler konsequent verschwiegen, können sich daraus schwerwiegendere Ereignisse und Zustände entwickeln. Grafik: © Schwarwel – stock.adobe.com
Bei Fehlern ander­er an die Decke zu gehen, eigene Fehler schönzure­den oder alles ein­fach selb­st zu beheben, gehören zu den beliebtesten Ver­hal­tensweisen, die jedoch langfristig zu mehr und meist auch zu schw­er­wiegen­deren Fehlern führen. Fehler nicht als Schick­sal zu begreifen, offen darüber zu sprechen und an den tat­säch­lichen Ursachen anzuset­zen, das führt zu mehr Qual­ität und Sicher­heit und ver­ringert das wieder­holte Auftreten von Fehlern. Doch funk­tion­iert eine Fehlerkultur?

Ein Unheil nimmt seinen Lauf… Als am 11. März 2011 die japanis­che Ostküste von einem schw­eren Erd­beben und einem bis zu 15 Meter hohen Tsuna­mi erschüt­tert wurde, sind wichtige Anla­gen­teile des Kernkraftwerks Fukushi­ma Dai­ichi zer­stört wor­den, und große Men­gen radioak­tiv­en Mate­ri­als kon­nten in die Umwelt gelan­gen. Gab es bei diesem Unglück schick­sal­shafte Ereignisse, oder haben Fehler zu den schw­er­wiegen­den Fol­gen geführt?

Die Inter­na­tion­al Atom­ic Ener­gy Agency (IAEA) stellte in ihrem Abschluss­bericht zum Ereig­nis fest, dass eine Rei­he von im Vor­feld getrof­fe­nen Fehlentschei­dun­gen maßge­blich zu dem ver­heeren­den Ver­lauf beige­tra­gen haben. So sind beispiel­sweise tech­nis­che Maß­nah­men zur Verbesserung der Anla­gen­sicher­heit vom Betreiber Tep­co auf die lange Bank geschoben und eine Über­flu­tung der Anlage ist gar nicht erst in die Sicher­heits­be­tra­ch­tun­gen ein­be­zo­gen worden.

Augen auf: Fehler rechtzeitig erkennen

Wer solche Ereignisse ver­hin­dern oder zumin­d­est ihren fatal­en Ver­lauf eindäm­men möchte, muss Fehler rechtzeit­ig erken­nen. Es ist falsch zu sagen, dass im eige­nen Arbeits­bere­ich Fehler keine gravieren­den Auswirkun­gen haben. Auf diese Weise kön­nen wir uns schnell über unsere tat­säch­liche Ver­ant­wor­tung hin­wegtäuschen. Denn selb­st ein klein­er Fehler kann große Auswirkun­gen haben: Wenn ich beispiel­sweise den Zen­tralschlüs­sel für das Büro ver­loren habe, wenn der Einkäufer eine wichtige Mate­ri­albestel­lung vergessen hat oder auch wenn ein Beina­he-Unfall passiert ist. Ger­ade in solchen Sit­u­a­tio­nen mit wachem Ver­stand zu erken­nen, dass hier ein möglich­er Fehler vor­liegt, ist beson­ders wichtig.

So kann es gehen:

  • Machen Sie sich bewusst, welche Fehler in Ihrem Arbeits­bere­ich auftreten können.
  • Ler­nen Sie zwis­chen kri­tis­chen und unkri­tis­chen Fehlern zu unterscheiden.
  • Fra­gen Sie im Zweifels­fall andere um Rat.

Keine falsche Scheu: Fehler offen ansprechen

Wenn Fehler unent­deckt bleiben oder gar unter den Tep­pich gekehrt wer­den, kön­nen im weit­eren Ver­lauf weitaus größere Schä­den die Folge sein. Trotz­dem wird über Fehler im All­t­ag häu­fig nicht gesprochen. Dies kann daran liegen, dass der Verur­sach­er seinen eige­nen Fehler bere­its eigen­mächtig behoben hat, der Fehler als unbe­deu­tend eingeschätzt wird oder mögliche Kon­se­quen­zen gefürchtet wer­den. Aber egal wie unan­genehm und schwierig es sein mag, Fehler müssen offen ange­sprochen wer­den. In heiklen Fällen kann es helfen Kol­legin­nen und Kol­le­gen, die Fachkraft für Arbeitssicher­heit oder den Betrieb­srat einzubeziehen.

Auch Führungskräfte sind vor Fehlern nicht gefeit. Sie soll­ten mit gutem Beispiel vor­ange­hen und ein­er­seits eigene Fehler nicht totschweigen und ander­er­seits Kri­tik an den eignen Fehlern zulassen. Son­st fehlt ein wichtiges Kor­rek­tiv und das führt über kurz oder lang zu schw­eren Fehlern und Selb­stüber­schätzung. Beim Absturz von Flug 214 der kore­anis­chen Fluglin­ie Asiana Air­lines haben Kom­mu­nika­tions­fehler zwis­chen Pilot und Ko-Pilot einen entschei­den­den Beitrag geleis­tet: Es stellte sich her­aus, dass der Ko-Pilot Fehler erkan­nte, sich aber beim ranghöheren Piloten kein Gehör ver­schaf­fen kon­nte. Deshalb braucht es vor allem Führungskräfte, die Kri­tik auch annehmen können.

In allen Fällen gilt es: Gespräche über Fehler brauchen den gegen­seit­i­gen Respekt, part­ner­schaftliche Kom­mu­nika­tion und den kon­se­quenten Blick auf Lösungen.

So kann es gehen:

  • Erzählen Sie sach­lich, was Sie bemerkt haben beziehungsweise was Ihnen passiert ist, ohne es schönzure­den. Das ermöglicht eine zügige Fehlerbehebung.
  • Bit­ten Sie Ihre Kol­legin­nen und Kol­le­gen beziehungsweise Ihre Beschäftigten regelmäßig um Feed­back. So wird kon­struk­tives Feed­back – auch zu Fehlern – Teil der Regelkom­mu­nika­tion und damit zur Normalität.
  • Suchen Sie in Gesprächen gemein­sam nach Fehlerur­sachen und geeigneten Lösungen.
  • Machen Sie Ihren Kol­legin­nen und Kol­le­gen beziehungsweise Ihren Beschäftigten klar, wie bedeu­tend Fehler­mel­dun­gen sind.
  • Bedanken Sie sich für Fehler­mel­dun­gen. Dadurch zeigen Sie, dass Sie auch mit schlecht­en Nachricht­en gut umge­hen kön­nen und Fehler­mel­dun­gen gewün­scht sind.

Auf Worten folgen Taten: Gemeinsam an den Ursachen arbeiten

Wer wirk­sam Fehlerur­sachen beseit­i­gen und Fol­ge­fehler ver­hin­dern möchte, sollte dies mit Beteili­gung der­jeni­gen tun, die den Fehler verur­sacht haben beziehungsweise von Kor­rek­tur­maß­nah­men betrof­fen sind. Es geht darum, gemein­sam Lösun­gen zu entwick­eln, die von möglichst vie­len akzep­tiert wer­den. Dabei hil­ft es, wenn Beschäftigte nicht nur befragt wer­den, son­dern tat­säch­lich an Entschei­dun­gen mitwirken kön­nen. So wird eine gemein­same Ver­ant­wor­tung für die Umset­zung der Lösun­gen geschaf­fen. Diese Infor­ma­tions- und Beteili­gungsmöglichkeit­en soll­ten in betrieblichen Besprechungsstruk­turen fest ver­ankert wer­den, damit sie sich zu rou­tinierten Abläufen entwickeln.

Bei der Lösungs­find­ung kön­nen dur­chaus Kon­flik­te entste­hen, denn oft­mals herrschen unter­schiedliche Ziel- oder Wertvorstel­lun­gen und Pri­or­itäten vor. Zur Lösung eines Kon­flik­ts sollte unter Ein­bezug der Beteiligten nach Alter­na­tiv­en gesucht werden.

So kann es gehen:

  • Fra­gen Sie in Besprechun­gen und Gesprächen offen nach Auf­fäl­ligkeit­en, Schwierigkeit­en und Lösungsideen.
  • Ermöglichen Sie einen offe­nen Aus­tausch der Beschäftigten über Fehler.
  • Geben Sie den Beschäftigten die Möglichkeit bei Maß­nah­men mitzuentscheiden.
  • Machen Sie die Lösungs­find­ung trans­par­ent, damit alle Beteiligten ver­ste­hen, wie bes­timmte Ergeb­nisse zus­tande kommen.
  • Wenn Kon­flik­te entste­hen, suchen Sie gemein­sam mit den Beteiligten nach ein­er Lösung.

Nichts übersehen: Fehler im Alltag vermeiden

Viele Fehler im Arbeit­sall­t­ag entste­hen durch Unacht­samkeit, Ablenkung oder Rou­tine. Entschei­dend ist die sprich­wörtliche Sekunde, in der man eben mal nicht aufgepasst und ein wichtiges Detail überse­hen hat. Dafür braucht es entsprechende Tech­niken zur Fehlerver­mei­dung, die man selb­st bei der Arbeit ein­set­zen kann. Eigen­ver­ant­wortlich ein­set­zbare Tech­niken sind beispiel­sweise Stopp bei Abwe­ichun­gen, die Selb­stüberwachung STAR und die 3‑Wege Kom­mu­nika­tion (siehe Kas­ten unten).

Eben­so gibt es aber auch Tech­niken zur Fehlerver­mei­dung, die im Betrieb organ­isatorisch einge­bun­den wer­den müssen, um wirk­sam zu sein. Dazu zählen beispiel­sweise die Arbeitsvorbe­sprechung oder das Vier-Augen-Prinzip.

So kann es gehen:

  • Ver­schaf­fen Sie sich einen Überblick, welche Tech­niken zur Fehlerver­mei­dung in Ihrem Unternehmen einge­set­zt werden.
  • Entwick­eln Sie mit Ihren Kol­legin­nen und Kol­le­gen beziehungsweise Ihren Beschäftigten ein gemein­sames Ver­ständ­nis über den Sinn und die Ein­satzmöglichkeit­en von Tech­niken der Fehlervermeidung.
  • Machen Sie sich klar, dass die Tech­niken nur wirk­sam sind, wenn Sie bewusst angewen­det werden.

Fehlerkultur: Von Reaktion zu Prävention

Dem ehe­ma­li­gen Team­chef des McLaren-Mer­cedes Formel-1-Teams, Ron Den­nis, wird das fol­gende Zitat zugeschrieben: „Wir gewin­nen als ein Team und wir ver­lieren als ein Team. Wenn man jeden nach einem Fehler feuern würde, wäre ich selb­st nicht mehr hier.“ Es bringt also nichts, nach einem Fehler die Schuldigen zu suchen. Vielmehr geht es darum, dass Fehler gemacht wer­den dür­fen, nur eben möglichst nicht ein zweites Mal. Diese Ein­stel­lung in einem Team oder Unternehmen ist der Schlüs­sel zum Erfolg.


Was sind Fehler?

Für Hofin­ger (2012) sind Fehler eine Abwe­ichung von einem als richtig ange­se­henen Ver­hal­ten oder von einem gewün­scht­en Hand­lungsziel, das der Han­del­nde eigentlich hätte aus­führen oder erre­ichen kön­nen. Bei Fehlern ist also immer men­schlich­es Han­deln betrof­fen. Fehler set­zen zudem voraus, dass Wis­sen und Kön­nen für die richtige Hand­lungsaus­führung vorhan­den waren.


Eigenverantwortlich umsetzbare Techniken zur Fehlervermeidung

Stopp bei Abwe­ichun­gen: Bei ein­er Abwe­ichung oder Unsicher­heit heißt es: Stopp! Erst weit­er­ar­beit­en, wenn alles gek­lärt ist.

Selb­stüberwachung STAR: Kurz vor Beginn ein­er Tätigkeit kurz innehal­ten und über mögliche Risiken und Beson­der­heit­en nach­denken. Erst dann mit der Arbeit beginnen.

3‑Wege-Kom­mu­nika­tion: (1) Anweisung wird gegeben, (2) Empfänger wieder­holt mit eige­nen Worten, (3) Sender bestätigt mit: „Kor­rekt“.


Techniken zur Fehlervermeidung, die eingeplant werden müssen

Arbeitsvorbe­sprechung: Bei ein­er kom­plex­en Tätigkeit kom­men die Beteiligten direkt vor der Durch­führung zusam­men, um Beson­der­heit­en im Hin­blick auf Arbeitssicher­heit, mögliche Fehlerquellen und Schnittstellen zu besprechen.

Vier-Augen-Prinzip: Eine zweite Per­son kon­trol­liert direkt im Arbeit­sprozess oder anschließend das Ergebnis.


In allen Fällen gilt: Gespräche über Fehler brauchen den gegen­seit­i­gen Respekt, part­ner­schaftliche Kom­mu­nika­tion und den kon­se­quenten Blick auf Lösungen.


Foto: WissensImpuls

Autor: Dipl.-Psych. Robert Gründler

Fachkraft für Arbeitssicherheit

Geschäfts­führer von WissensImpuls

www.wissensimpuls.de

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