Ein Unheil nimmt seinen Lauf… Als am 11. März 2011 die japanische Ostküste von einem schweren Erdbeben und einem bis zu 15 Meter hohen Tsunami erschüttert wurde, sind wichtige Anlagenteile des Kernkraftwerks Fukushima Daiichi zerstört worden, und große Mengen radioaktiven Materials konnten in die Umwelt gelangen. Gab es bei diesem Unglück schicksalshafte Ereignisse, oder haben Fehler zu den schwerwiegenden Folgen geführt?
Die International Atomic Energy Agency (IAEA) stellte in ihrem Abschlussbericht zum Ereignis fest, dass eine Reihe von im Vorfeld getroffenen Fehlentscheidungen maßgeblich zu dem verheerenden Verlauf beigetragen haben. So sind beispielsweise technische Maßnahmen zur Verbesserung der Anlagensicherheit vom Betreiber Tepco auf die lange Bank geschoben und eine Überflutung der Anlage ist gar nicht erst in die Sicherheitsbetrachtungen einbezogen worden.
Augen auf: Fehler rechtzeitig erkennen
Wer solche Ereignisse verhindern oder zumindest ihren fatalen Verlauf eindämmen möchte, muss Fehler rechtzeitig erkennen. Es ist falsch zu sagen, dass im eigenen Arbeitsbereich Fehler keine gravierenden Auswirkungen haben. Auf diese Weise können wir uns schnell über unsere tatsächliche Verantwortung hinwegtäuschen. Denn selbst ein kleiner Fehler kann große Auswirkungen haben: Wenn ich beispielsweise den Zentralschlüssel für das Büro verloren habe, wenn der Einkäufer eine wichtige Materialbestellung vergessen hat oder auch wenn ein Beinahe-Unfall passiert ist. Gerade in solchen Situationen mit wachem Verstand zu erkennen, dass hier ein möglicher Fehler vorliegt, ist besonders wichtig.
So kann es gehen:
- Machen Sie sich bewusst, welche Fehler in Ihrem Arbeitsbereich auftreten können.
- Lernen Sie zwischen kritischen und unkritischen Fehlern zu unterscheiden.
- Fragen Sie im Zweifelsfall andere um Rat.
Keine falsche Scheu: Fehler offen ansprechen
Wenn Fehler unentdeckt bleiben oder gar unter den Teppich gekehrt werden, können im weiteren Verlauf weitaus größere Schäden die Folge sein. Trotzdem wird über Fehler im Alltag häufig nicht gesprochen. Dies kann daran liegen, dass der Verursacher seinen eigenen Fehler bereits eigenmächtig behoben hat, der Fehler als unbedeutend eingeschätzt wird oder mögliche Konsequenzen gefürchtet werden. Aber egal wie unangenehm und schwierig es sein mag, Fehler müssen offen angesprochen werden. In heiklen Fällen kann es helfen Kolleginnen und Kollegen, die Fachkraft für Arbeitssicherheit oder den Betriebsrat einzubeziehen.
Auch Führungskräfte sind vor Fehlern nicht gefeit. Sie sollten mit gutem Beispiel vorangehen und einerseits eigene Fehler nicht totschweigen und andererseits Kritik an den eignen Fehlern zulassen. Sonst fehlt ein wichtiges Korrektiv und das führt über kurz oder lang zu schweren Fehlern und Selbstüberschätzung. Beim Absturz von Flug 214 der koreanischen Fluglinie Asiana Airlines haben Kommunikationsfehler zwischen Pilot und Ko-Pilot einen entscheidenden Beitrag geleistet: Es stellte sich heraus, dass der Ko-Pilot Fehler erkannte, sich aber beim ranghöheren Piloten kein Gehör verschaffen konnte. Deshalb braucht es vor allem Führungskräfte, die Kritik auch annehmen können.
In allen Fällen gilt es: Gespräche über Fehler brauchen den gegenseitigen Respekt, partnerschaftliche Kommunikation und den konsequenten Blick auf Lösungen.
So kann es gehen:
- Erzählen Sie sachlich, was Sie bemerkt haben beziehungsweise was Ihnen passiert ist, ohne es schönzureden. Das ermöglicht eine zügige Fehlerbehebung.
- Bitten Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen beziehungsweise Ihre Beschäftigten regelmäßig um Feedback. So wird konstruktives Feedback – auch zu Fehlern – Teil der Regelkommunikation und damit zur Normalität.
- Suchen Sie in Gesprächen gemeinsam nach Fehlerursachen und geeigneten Lösungen.
- Machen Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen beziehungsweise Ihren Beschäftigten klar, wie bedeutend Fehlermeldungen sind.
- Bedanken Sie sich für Fehlermeldungen. Dadurch zeigen Sie, dass Sie auch mit schlechten Nachrichten gut umgehen können und Fehlermeldungen gewünscht sind.
Auf Worten folgen Taten: Gemeinsam an den Ursachen arbeiten
Wer wirksam Fehlerursachen beseitigen und Folgefehler verhindern möchte, sollte dies mit Beteiligung derjenigen tun, die den Fehler verursacht haben beziehungsweise von Korrekturmaßnahmen betroffen sind. Es geht darum, gemeinsam Lösungen zu entwickeln, die von möglichst vielen akzeptiert werden. Dabei hilft es, wenn Beschäftigte nicht nur befragt werden, sondern tatsächlich an Entscheidungen mitwirken können. So wird eine gemeinsame Verantwortung für die Umsetzung der Lösungen geschaffen. Diese Informations- und Beteiligungsmöglichkeiten sollten in betrieblichen Besprechungsstrukturen fest verankert werden, damit sie sich zu routinierten Abläufen entwickeln.
Bei der Lösungsfindung können durchaus Konflikte entstehen, denn oftmals herrschen unterschiedliche Ziel- oder Wertvorstellungen und Prioritäten vor. Zur Lösung eines Konflikts sollte unter Einbezug der Beteiligten nach Alternativen gesucht werden.
So kann es gehen:
- Fragen Sie in Besprechungen und Gesprächen offen nach Auffälligkeiten, Schwierigkeiten und Lösungsideen.
- Ermöglichen Sie einen offenen Austausch der Beschäftigten über Fehler.
- Geben Sie den Beschäftigten die Möglichkeit bei Maßnahmen mitzuentscheiden.
- Machen Sie die Lösungsfindung transparent, damit alle Beteiligten verstehen, wie bestimmte Ergebnisse zustande kommen.
- Wenn Konflikte entstehen, suchen Sie gemeinsam mit den Beteiligten nach einer Lösung.
Nichts übersehen: Fehler im Alltag vermeiden
Viele Fehler im Arbeitsalltag entstehen durch Unachtsamkeit, Ablenkung oder Routine. Entscheidend ist die sprichwörtliche Sekunde, in der man eben mal nicht aufgepasst und ein wichtiges Detail übersehen hat. Dafür braucht es entsprechende Techniken zur Fehlervermeidung, die man selbst bei der Arbeit einsetzen kann. Eigenverantwortlich einsetzbare Techniken sind beispielsweise Stopp bei Abweichungen, die Selbstüberwachung STAR und die 3‑Wege Kommunikation (siehe Kasten unten).
Ebenso gibt es aber auch Techniken zur Fehlervermeidung, die im Betrieb organisatorisch eingebunden werden müssen, um wirksam zu sein. Dazu zählen beispielsweise die Arbeitsvorbesprechung oder das Vier-Augen-Prinzip.
So kann es gehen:
- Verschaffen Sie sich einen Überblick, welche Techniken zur Fehlervermeidung in Ihrem Unternehmen eingesetzt werden.
- Entwickeln Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen beziehungsweise Ihren Beschäftigten ein gemeinsames Verständnis über den Sinn und die Einsatzmöglichkeiten von Techniken der Fehlervermeidung.
- Machen Sie sich klar, dass die Techniken nur wirksam sind, wenn Sie bewusst angewendet werden.
Fehlerkultur: Von Reaktion zu Prävention
Dem ehemaligen Teamchef des McLaren-Mercedes Formel-1-Teams, Ron Dennis, wird das folgende Zitat zugeschrieben: „Wir gewinnen als ein Team und wir verlieren als ein Team. Wenn man jeden nach einem Fehler feuern würde, wäre ich selbst nicht mehr hier.“ Es bringt also nichts, nach einem Fehler die Schuldigen zu suchen. Vielmehr geht es darum, dass Fehler gemacht werden dürfen, nur eben möglichst nicht ein zweites Mal. Diese Einstellung in einem Team oder Unternehmen ist der Schlüssel zum Erfolg.
Was sind Fehler?
Für Hofinger (2012) sind Fehler eine Abweichung von einem als richtig angesehenen Verhalten oder von einem gewünschten Handlungsziel, das der Handelnde eigentlich hätte ausführen oder erreichen können. Bei Fehlern ist also immer menschliches Handeln betroffen. Fehler setzen zudem voraus, dass Wissen und Können für die richtige Handlungsausführung vorhanden waren.
Eigenverantwortlich umsetzbare Techniken zur Fehlervermeidung
Stopp bei Abweichungen: Bei einer Abweichung oder Unsicherheit heißt es: Stopp! Erst weiterarbeiten, wenn alles geklärt ist.
Selbstüberwachung STAR: Kurz vor Beginn einer Tätigkeit kurz innehalten und über mögliche Risiken und Besonderheiten nachdenken. Erst dann mit der Arbeit beginnen.
3‑Wege-Kommunikation: (1) Anweisung wird gegeben, (2) Empfänger wiederholt mit eigenen Worten, (3) Sender bestätigt mit: „Korrekt“.
Techniken zur Fehlervermeidung, die eingeplant werden müssen
Arbeitsvorbesprechung: Bei einer komplexen Tätigkeit kommen die Beteiligten direkt vor der Durchführung zusammen, um Besonderheiten im Hinblick auf Arbeitssicherheit, mögliche Fehlerquellen und Schnittstellen zu besprechen.
Vier-Augen-Prinzip: Eine zweite Person kontrolliert direkt im Arbeitsprozess oder anschließend das Ergebnis.
In allen Fällen gilt: Gespräche über Fehler brauchen den gegenseitigen Respekt, partnerschaftliche Kommunikation und den konsequenten Blick auf Lösungen.
Autor: Dipl.-Psych. Robert Gründler
Fachkraft für Arbeitssicherheit
Geschäftsführer von WissensImpuls