Stand der Dinge und vielfache Forderung ist: Es müssen Atemschutzgeräte entwickelt werden, die eine Reduzierung oder gar keine gesundheitliche Vorsorge nach dem Grundsatz G 26 (siehe Kasten Seite 38) erforderlich machen. Denn mittlerweile ist es auch bei jüngeren Mitarbeitern heute nicht mehr selbstverständlich, dass sie die Anforderungen nach G26/2 und schon gar nicht nach G26/3 erreichen. Oft hört man, „ich werde für die Arbeit bezahlt und nicht um Atemschutz zu tragen“. Ebenfalls gibt es Mitarbeiter, die nicht auf den schmückenden Bart verzichten wollen — gleichzeitig jedoch gilt der „Barterlass“ in der Chemischen Industrie, der aus Vorsorgegründen des Arbeitsgebers unverzichtbar ist. Es kommt auch vor, dass Ausbilder, welche Bartträger für eine Atemschutzgeräteausbildung zu recht abweisen, als diskriminierend dargestellt werden. Um es eindeutig und klar zu formulieren: „Entlang eines Dichtsitzes einer Atemschutzvollmaske kann es keinen Bart geben“. Hier geht es um die eigene Sicherheit des Maskenträgers und nicht um eine Diskriminierung.
Aus den oben genannten Perspektiven kann sich ein nicht-demographiegerechter Atemschutz sehr stark auf die Schichtbesetzung und Schichteinteilung in den Betrieben auswirken. Ein Spannungsfeld und fast schon gordischer Knoten zwischen freier Arbeitsplatzwahl, Arbeitssicherheit und Persönlichkeitsentfaltung.
Was ist nötig und was vorhanden?
Die Mitglieder des Arbeitskreises (AK) Atemschutz hatten im Rahmen einer Bestandsaufnahme und Befragungen folgende zentralen Punkte bearbeitet:
- Welcher Atemschutz ist in Bezug auf Demographie im Fokus?
- Was sind die Anforderungen aus Sicht der Anwender?
Im Folgenden wird eine aktuelle Bestandsaufnahme hinsichtlich Anforderungen, Verfügbarkeit beziehungsweise Stand der Technik von Atemschutzgeräten dargestellt.
Schlauchgeräte
Schlauchgeräte (siehe Tabelle 2) sind nach Meinung des AKs sogenannte „hidden champions“. Bei einer genauen Analyse der Arbeitsabläufe und Örtlichkeiten lässt sich durch diese Geräte einfach und bequem Atemschutz gestalten (Gefährdungsbeurteilung). Und dies frei von zeitlichen Limits, frei von Gewicht und frei von Atemwiderständen. Es gibt auch sehr gute mobile Lösungsmöglichkeiten (Stichwort: Rollator – Technologie) für Betriebe ohne zentrale Atemluftversorgung.
Gebläsefiltergeräte
Auch diese Geräte (siehe Tabelle 3) erfreuen sich zunehmenst einer größeren Beliebtheit, da teilweise die Grenzwerte gegen krebserzeugende Stoffe mit partikelfiltrierenden Geräten nicht mehr einzuhalten sind. Gebläsefiltergeräte sind umluftabhängig, leicht an Gewicht und ohne Atemwiderstand, da die Luft im Überdruck zuströmt.
Atemschutzgeräte für leichte oder moderate Arbeit
Ein (noch nicht verfügbares) Atemschutzgerät für leichte oder moderate Arbeit und für eine begrenzte Einsatzzeit von 20 bis 30 Minuten ist für folgende Anwendungsbereiche geeignet:
- Mitarbeiter in der Produktion (Probenahme, Kontrolle)
- Instandhaltung (z. B. Öffnen von Flanschen)
- Einweisertätigkeiten – im Rahmen der Gefahrenabwehr kann ein Einweiser der Feuerwehr sehr nützliche Informationen am Rande des Gefahrenbereichs geben. Dabei ist der Einweiser immer von einer Führungskraft der Feuerwehr begleitet und ist auch keiner Wärmestrahlung, offener Flamme oder Gefahrstoffen ausgesetzt. Dieser Einweiser kann auch für öffentliche Feuerwehren sinnvoll eingesetzt werden, wenn nämlich im Rahmen von Industrie 4.0 die betrieblichen Anlagen immer vernetzter werden und das Freischalten von Betriebsbereichen nicht mehr nur mit dem Bedienen des Hauptschalters erledigt werden kann.
- Arbeiten im Labor
- Tätigkeiten in der Messwarte, zum Beispiel das kontrollierte Herunterfahren einer Anlage im Rahmen der Gefahrenabwehr
- Atemschutzgerät für Sicherungsposten bei Befahrvorgängen
Solche ein leichtes Atemschutzgerät müsste aus der Sicht des Arbeitskreises folgende Anforderungen erfüllen:
- Einweggerät, d.h. nach einmaligem Gebrauch wird es entsorgt
- Wartung 2 Jahre, Depotgerät mindestens 5 Jahre
- Atemanschluss als Maske, besser als Haube wegen Bartträger bzw. Brillenträger
- Minimales Gewicht ≥ 5kg
- Minimaler Atemwiderstand ≥ 5mbar
- ATEX IIC T3/T4
- Zulassung zur Arbeit und nicht zur Flucht und auch nicht als Feuerwehrgerät (Workrate Class W1 (max. 30l/min Ventilationsrate) und Protection Class PC 4 (0,1% TIL)) gem. ISO 17420
Zusammenfassung
Für die Sauerstoffgeräte, Schlauchgeräte und Gebläsefiltergeräte ist die vorhandene Technik „demografiegerecht“ ausgereift und verfügbar. Diese Techniken sollten verstärkt in der Gefährdungsbeurteilungen und in den Betrieben in Betracht gezogen werden. Weitere Entwicklungen der Hersteller sollten und müssen jetzt an konkreten betrieblichen Anwendungen beziehungsweise Anforderungen gemacht werden. Aus diesem Grund wird der AK keine weiteren Aktivitäten für diese Atemschutzgeräte entwickeln.
Anders jedoch sieht es beim leichten Atemschutzgerät aus. Hier ist die geforderte demografiegerechte Technik nicht verfügbar und es sind dazu noch einige Entwicklungsschritte notwendig. Da dieses Gerät sehr viele Anwendungsmöglichkeiten hat, um demografiegerechten Atemschutz zu ermöglichen, wird sich der AK auch weiter im Jahr 2019 aktiv in die Weiterwicklung einbringen.
G 26 „Atemschutzgeräte“
Zum Tragen von (umluftunabhängigen) Atemschutzgeräten ist die von der Berufsgenossenschaft geforderte arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung nach Grundsatz G 26 „Atemschutzgeräte“ nötig. Die arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung wird dazu in drei Gruppen aufgeteilt:
- Gruppe 1 – Gerätegewicht unter 3 kg mit einem Atemwiderstand 5mBar, z. B.: Partikelfiltermasken oder Geräte, die von außen über einen Schlauch mit Atemluft versorgt werden
- Gruppe 2 – Gerätegewicht unter 5 kg mit einem Atemwiderstand von 5–6 mBar, z. B.: Filtergeräte
- Gruppe 3 – Gerätegewicht über 5 kg mit einem Atemwiderstand 6mBar, z. B.: Pressluft-atmer oder Regenerationsgeräte.
Schwerpunktthemen
Seit 2012 hat sich der Arbeitskreis Atemschutz, Chemikalienschutzkleidung und Messgeräte im Werkfeuerwehrverband Deutschland mit folgenden Themen verstärkt beschäftigt:
- Überprüfung Messgeräte gem. T021 und T023
Ergebnis: Erleichterung für die Feuerwehren - Neuentwicklung gasdichter Chemikalieneinwegschutzkleidung
Ergebnis: Zertifizierte Produkte analog Typ 1a, 1b und 1c sind am Markt verfügbar. Erstellung einer VfdB-Richtlinie steht kurz vor dem Abschluss.
Mit der erfolgreichen Einführung gasdichter Chemikalieneinwegschutzkleidung war der erste Schritt zum demographiegerechten Chemikalienschutz getan. Denn speziell beim analog Typ 1c-Anzug wird mit einem Gesamtgewicht des Atemanschlusses unter 3 kg und einem nicht vorhandenen Atemwiderstand der betriebliche Nutzer massiv entlastet.
Autor: Siegfried Fiedler
BASF SE, Emergency Response
Vorsitzender Arbeitskreis Atemschutz, Chemikalienschutzkleidung und Messgeräte im Werkfeuerwehrverband Deutschland