Im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 5 ArbSchG hat der Arbeitgeber die Gefährdung seiner Beschäftigten durch Explosionen zu ermitteln, zu beurteilen und die notwendigen Schutzmaßnahmen abzuleiten. Nach TRGS 720 sind die folgenden Gesichtspunkte zu beachten:
- Es ist zu prüfen, ob brennbare feste, flüssige, gasförmige oder staubförmige Stoffe betriebsmäßig vorhanden sind oder unter den in Betracht zu ziehenden Betriebszuständen gebildet werden können.
- Wenn brennbare Stoffe betriebsmäßig vorhanden sind oder gebildet werden können, muss festgestellt werden, ob nach Art des Auftretens dieser brennbaren Stoffe überhaupt mit der Bildung explosionsfähiger Atmosphäre zu rechnen ist.
- Es ist zu beurteilen, ob die zu erwartenden Mengen explosionsfähiger Atmosphäre aufgrund der örtlichen und betrieblichen Verhältnisse gefahrdrohend sind.
- Ist die Bildung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre möglich, sind spezielle Schutzmaßnahmen zu treffen.
- Es sind bevorzugt Stoffe und Zubereitungen einzusetzen, die keine explosionsfähige Atmosphäre bilden können.
- Kann gefährliche explosionsfähige Atmosphäre nicht sicher verhindert werden, hat der Arbeitgeber zu beurteilen:
- die Wahrscheinlichkeit und die Dauer des Auftretens gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre,
- die Wahrscheinlichkeit des Vorhandenseins oder der Entstehung und des Wirksamwerdens von Zündquellen einschließlich elektrostatischer Entladungen und
- die zu erwartenden Auswirkungen von Explosionen.
Entsprechend der Philosophie des Explosionsschutzes sollten den Maßnahmen, welche eine Bildung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre verhindern oder einschränken (brennbarer Stoff, Luftsauerstoff und die Gemischbildung), der Vorrang gegeben werden. Ist das nicht möglich, sind Maßnahmen, welche die Entzündung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre verhindern (Vermeiden wirksamer Zündquellen, einschließlich elektrostatischer Entladungen), durchzuführen.
Von 13 Zündquellenarten sind die folgenden fünf Zündquellen in der Praxis am wichtigsten:
- Heiße Oberflächen
- Flammen und heiße Gase
- Mechanisch erzeugte Funken
- Elektrische Anlagen
- Statische Elektrizität
Weitere Zündquellen:
- Blitzschlag
- Elektrische Ausgleichsströme, kathodischer Korrosionsschutz
- Elektromagnetische Felder im Bereich der Frequenzen von 9 x 10³ Hz bis 3 x 1011 Hz
- Elektromagnetische Strahlung im Bereich der Frequenzen von 3 x 1011 Hz bis 3 x 1015 Hz bzw. Wellenlängen von 1000 µm bis 0,1 µm (optischer Spektralbereich)
- Ionisierende Strahlung
- Ultraschall
- Adiabatische Kompression, Stoßwellen, strömende Gase
- Chemische Reaktionen
Die Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 727 „Vermeidung von Zündgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen“, Ausgabe: Januar 2016 GMBl 2016 S. 256–314 [Nr. 12–17] (v. 26.04.2016), berichtigt Juli 2016, gilt für die Beurteilung und die Vermeidung von Zündgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen in explosionsgefährdeten Bereichen und für die Auswahl und Durchführung von Schutzmaßnahmen zur Vermeidung dieser Gefahren. Diese TRGS ist eine bemerkenswerte Regel, da sie als einzige Regel nur eine einzige Zündquelle – nämlich die Elektrostatik – auf 118 Seiten zum Gegenstand hat.
Ableitfähige Medien oder Gegenstände und Einrichtungen aus ableitfähigen Materialien speichern keine gefährliche elektrische Ladung, wenn sie mit Erde in Kontakt stehen. Als ableitfähig werden auch Gegenstände und Einrichtungen bezeichnet, wenn sie aus ableitfähigen Materialien bestehen. Isolierend sind Medien oder Materialien, die weder leitfähig noch ableitfähig sind. Isolierende Medien sowie Gegenstände und Einrichtungen aus isolierenden Materialien werden unter Berücksichtigung ihrer elektrostatischen Eigenschaften auch als „aufladbar“ bezeichnet. Zu diesen Materialien gehören viele Polymere, z. B. Kunststoffe.
In einem kleinen Videospot von Dr. Krommes (www.dr-peter-krommes.de oder https://exinfos.de/Medien) wird das Thema „Kohlensäurefeuerlöscher – eine fast völlig unbekannte Zündquelle“ mit einigen sehr interessanten experimentellen Versuchen aufgegriffen. Der elektrostatische Funken, der hier beim Betätigen des Löschers bei der Bekämpfung eines Brandes entsteht, dürfte im Regelfall keine Gefahr darstellen! Wenn aber der Kohlensäurefeuerlöscher dazu benutzt wird, eine entstandene Gaswolke oder Dämpfe von verschütteten brennbaren Flüssigkeiten zu verdünnen, wegzublasen oder zu inertisieren, kann dieser Versuch – wie leider schon einige Male geschehen – zur ungewollten Zündung mit fatalen Folgen führen. In der TRGS 727 Punkt 5.2 „Feuerlöscher und Feuerlöschanlagen“ ist Folgendes zu finden:
- Feuerlöscher und Feuerlöschanlagen, deren Löschmittel sich beim Austritt aufladen können, dürfen in explosionsgefährdeten Bereichen nur dann zu Testzwecken ausgelöst werden, wenn sichergestellt ist, dass keine explosionsfähige Atmosphäre vorhanden ist. Hinweis: Z. B. können Wolken aus Löschpulver oder entspanntem Kohlendioxid gefährlich aufgeladen sein.
- Inertgasfeuerlöschanlagen, deren Gas, z. B. CO2, sich beim Austritt auflädt, dürfen bei vorhandener explosionsfähiger Atmosphäre nicht ausgelöst werden.
Hinweis: Eine bereits vorhandene explosionsfähige Atmosphäre soll nicht durch vorbeugendes Einbringen des Löschmittels entzündet werden. Im Brandfall ist nicht mehr von einer explosionsfähigen Atmosphäre auszugehen.
Autor: Patrick Dyrba
Fachmanager Explosionsschutz,
Dyrba Explosionsschutz, Bildung und Beratung
E‑Mail: patrick.dyrba@exinfos.de