Nähern wir uns dem Thema Fahrzeugprüfung aber der Reihe nach und schauen uns zunächst die grundlegenden Anforderungen an. Alle Arbeitsmittel, die Schäden verursachenden Einflüssen ausgesetzt sind, die zur Gefährdung von Beschäftigten führen können, sind wiederkehrend nach § 14 Abs. 2 Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) durch eine zur Prüfung befähigte Person im Auftrag des Arbeitgebers prüfen zu lassen.
Fahrzeuge sind maschinell angetriebene, nicht an Schienen gebundene Landfahrzeuge und deren Anhängefahrzeuge. Fahrzeug ist auch der fahrzeugtechnische Teil von Arbeitsmaschinen und Arbeitseinrichtungen, sofern sie selbstfahrend oder als Anhängefahrzeuge verfahrbar sind. Fahrzeuge müssen nach § 57 Abs. 1 DGUV-Vorschrift 70 mindestens einmal jährlich durch einen Sachkundigen auf ihren betriebssicheren Zustand überprüft werden.
Wer muss eine Fahrzeugprüfung durchführen?
Hier haben wir schon den ersten Streitansatz. Muss nun ein Sachkundiger oder eine zur Prüfung befähigte Person die Fahrzeugprüfung durchführen? Dazu kommt nun noch ein Sachverständiger ins Spiel, da fallweise die Prüfungen im Rahmen oder in Verbindung mit einer Fahrzeughauptuntersuchung oder Sicherheitsprüfung nach Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) durchgeführt werden.
Nach § 2 Abs. 6 BetrSichV ist eine zur Prüfung befähigte Person eine Person, die durch ihre Berufsausbildung, ihre Berufserfahrung und ihre zeitnahe berufliche Tätigkeit über die erforderlichen Kenntnisse zur Prüfung von Arbeitsmitteln verfügt.
Sachkundiger ist nach Kapitel 2 DGUV-Grundsatz 314–003 (früher BGG 916, davor ZH1/282.2), wer auf Grund seiner fachlichen Ausbildung und Erfahrung ausreichende Kenntnisse auf dem Gebiet der Fahrzeugtechnik hat und mit den einschlägigen staatlichen Arbeitsschutzvorschriften, Unfallverhütungsvorschriften und allgemein anerkannten Regeln der Technik (zum Beispiel BG-Regeln, DIN-Normen, VDE-Bestimmungen, technische Regeln anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder anderer Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum) soweit vertraut ist, dass er den betriebssicheren Zustand von Fahrzeugen beurteilen kann.
Im Ergebnis gibt es jedoch keinen signifikanten Unterschied zwischen dem Sachkundigen und der zur Prüfung befähigten Person. Für die dem Sachkundigen zu übertragenden Prüfaufgaben entspricht dieser einer zur Prüfung befähigten Person nach § 2 Abs. 6 BetrSichV in Verbindung mit TRBS 1203. Auch ein Sachverständiger kann eine zur Prüfung befähigte Person sein, wenn für die an die Prüfaufgabe zu stellende Fachkunde Kenntnisse auf diesem Niveau erforderlich sind. Letztlich werden die Prüfungen von einer zur Prüfung befähigten Person durchgeführt, wenn die konkrete Person den Anforderungen genügt. Hier ist eine Orientierung an § 2 Abs. 6 BetrSichV erforderlich.
Welche Prüfgrundlagen gibt es?
Der Streit, welche Prüfgrundlage für das Arbeitsmittel Fahrzeug heranzuziehen sei, kann dahinstehen. Er ist rechtlich ohne Belang.
Sowohl § 14 Abs. 2 BetrSichV als auch § 57 Abs. 1 DGUV-Vorschrift 70 geben lediglich dem Arbeitgeber/Unternehmer auf, die Fahrzeuge, die Arbeitsmittel sind, prüfen zu lassen. Beide Prüfgrundlagen sagen jedoch nichts über den Inhalt und den Umfang der Fahrzeugprüfung. Sie sind hinsichtlich des Prüfumfangs leere Hüllen und betreffen daher ausschließlich das „Ob“ und nicht das „Wie“ der Prüfungen.
Abgesehen davon, ist ein „§ 10 der Betriebssicherheitsverordnung“ als Prüfgrundlage untauglich. Als rechtshistorischer Ausflug kann festgestellt werden, dass der § 10 in der bis 31. Mai 2015 anzuwendenden Betriebssicherheitsverordnung die Prüfungen der Arbeitsmittel vorsah. Dies ist jedoch seit nunmehr sieben Jahren überholt. Daher ist eine Bezugnahme auf den § 10 BetrSichV rechtssystematisch falsch. Der aktuell (2022) gültige § 10 BetrSichV beschäftigt sich mit Themen der Instandhaltung.
Die beiden voneinander unabhängigen Prüfgrundlagen § 14 Abs. 2 BetrSichV und § 57 Abs. 1 DGUV-Vorschrift 70 sind aufgrund der Dualität des deutschen Arbeitsschutzrechts beursacht. So stammt die BetrSichV aus dem staatlichen Arbeits(schutz)recht, während die DGUV-Vorschrift 70 als autonomes Recht der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung dem Sozialrecht zuzurechnen ist und über § 15 SGB VII seine Verbindlichkeit erfährt.
Da aber beide Rechtsvorschriften inhaltlich nichts voneinander Abweichendes aussagen, können auch beide, ohne Rechtsnachteile befürchten zu müssen, als Grundlage für die Fahrzeugprüfung herangezogen werden.
Grundsätzlich wären Maschinen auf einem Fahrzeug (zum Beispiel Ladebordwände) von der Prüfgrundlage DGUV-Vorschrift 70 nicht umfasst und unterliegen nur allein der BetrSichV. Allerdings unterfällt der fahrzeugtechnische Teil selbstfahrender Arbeitsmaschinen nun doch nach § 2 Abs. 2 DGUV-Vorschrift 70 auch der Unfallverhütungsvorschrift. Dies kann bei Sonderfahrzeugen von Interesse sein.
Wie ist der Prüfumfang definiert?
Die Prüfgrundlagen aus BetrSichV und DGUV-Vorschrift 70 sagen rein gar nichts zum Prüfumfang (dem „Wie“) aus. Sie sind nur der Prüfauftrag oder Durchführungsbefehl an sich. Naturgemäß hat das staatliche Arbeitsschutzrecht einen höheren Abstraktionsgrad, da es für eine allumfassende Aussage herangezogen werden können muss. Das Unfallverhütungsrecht der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ist hier in der Regel sachnäher.
Während die staatliche BetrSichV unter anderem durch die TRBS 1201 zur Durchführung von Prüfungen und Kontrollen immer noch auf hohem Abstraktionslevel sowie etwas sachnäher für mobile Arbeitsmittel durch TRBS 2111–1 konkretisiert wird, bietet das Regelwerk der DGUV mit dem DGUV-Grundsatz 314–003 einen detaillierten Prüfkatalog für das Arbeitsmittel „Fahrzeug“ an.
Daher sollten arbeitsmittelbezogene Fahrzeugprüfungen, die jeweils relevanten Prüfpunkte mindestens der Basis-Prüfliste A sowie die Prüfliste V umfassen. Diese Prüflisten sind nicht abschließend und fallweise hinsichtlich weiterer Prüfpunkte zu ergänzen. Ob durch externe, beauftragte zur Prüfung befähigte Personen/Sachkundige nach erfolgter Prüfung eine Übersicht über die jeweils bearbeiteten Prüfpunkte ausgehändigt wird, ist eine unserer Beurteilung nicht zugängliche Sache der Vertragsgestaltung. Gleichwohl muss der Arbeitgeber nach § 14 Abs. 7 BetrSichV sicherstellen, dass das Ergebnis der Fahrzeugprüfung einschließlich einer Darstellung des Prüfumfangs aufgezeichnet und mindestens bis zur nächsten Prüfung aufbewahrt wird. Somit muss die Darstellung des Prüfumfangs arbeitsmittelbezogen vorhanden sein und vorgehalten werden.
Prüfbericht einer Fahrzeugprüfung
Insoweit ist der Prüfbericht aus Abb. 2 unzureichend, da er lediglich das Ergebnis darstellt, ohne den Prüfumfang zu beschreiben. Abgesehen davon ist dieser Bericht auch widersprüchlich. So wird einerseits links die Aussage getroffen, das Fahrzeug sei „ohne festgestellte Mängel“, andererseits wird rechts explizit ein festgestellter Mangel aufgelistet. Dieser Mangel resultiert aus einem Prüfpunkt der Prüfliste V des DGUV-Grundsatzes 314–003 und führt dazu, dass die Aussage „ohne festgestellte Mängel“ unzutreffend wird. Da zudem die zusammenfassende qualitative Aussage zum Weiterbetrieb fehlt, erschließt sich für den Berichtsadressaten nicht, ob ein solcher möglich wäre, weil der Mangel, unabhängig von seiner gebotenen Behebung, hierauf keinen Einfluss haben könnte.
Auch ist die Aussage „ohne festgestellte Mängel“ nicht ausreichend, da sie darauf abzielt, dass Mängel vorhanden sein könnten, die aber nicht gefunden wurden. Sinn der Prüfung nach BetrSichV und DGUV-Vorschrift 70 ist es aber gerade, alle Mängel zu finden, die zur Gefährdung von Beschäftigten führen können. Wir erinnern uns an § 5 Abs. 1 BetrSichV, in dem es heißt: Der Arbeitgeber darf nur solche Arbeitsmittel zur Verfügung stellen und verwenden lassen, die unter Berücksichtigung der vorgesehenen Einsatzbedingungen bei der Verwendung sicher sind. Und weiter im Absatz 2: Der Arbeitgeber darf Arbeitsmittel nicht zur Verfügung stellen und verwenden lassen, wenn sie Mängel aufweisen, welche die sichere Verwendung beeinträchtigen.
Die Aussage „ohne festgestellte Mängel“ resultiert vermutlich aus der über § 29 StVZO in Verbindung mit Anlage VIII StVZO eröffneten Möglichkeit, bei Hauptuntersuchungen und Sicherheitsprüfungen eine Auswahl auch hinsichtlich der Prüftiefe treffen zu können. Für den Aspekt der Arbeitssicherheit ist dies nicht möglich. Hier legt der Arbeitgeber oder eine nach § 13 ArbSchG verantwortliche Person im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung den Prüfumfang fest, um das Schutzziel aus § 4 Abs. 1 BetrSichV und im Weiteren übergeordnet § 4 ArbSchG erfüllen zu können. Hier ist daher Bezug auf einen festgelegten Prüfumfang zu nehmen und eine zusammenfassende qualitative Aussage zum Weiterbetrieb zu treffen. Die unterschiedlichen Prüfansätze basieren unseres Erachtens auch auf den unterschiedlichen Haftungsarten. So wird im öffentlichen Straßenverkehr unter anderem nach § 7 StVG verschuldensunabhängig durch Verwirklichung der Betriebsgefahr bei der Inbetriebsetzung des Fahrzeugs gehaftet, was sich zum Beispiel auch in § 31 Abs. 2 StVZO niederschlägt: Der Halter darf die Inbetriebnahme nicht anordnen oder zulassen, wenn ihm bekannt ist oder bekannt sein muss, dass […] das Fahrzeug, der Zug, das Gespann, […] nicht vorschriftsmäßig ist […].
Da die Formel „Betriebssicherheit = Verkehrssicherheit + Arbeitssicherheit“ gilt, ist der Arbeitgeber/Unternehmer für die Gewährleistung der Betriebssicherheit verantwortlich und muss für die Durchführung beider Prüfungen beim Arbeitsmittel Fahrzeug sorgen.
Auf Teile der Prüfliste V kann dann verzichtet werden, wenn zeitgleich eine Hauptuntersuchung oder Sicherheitsprüfung nach StVZO im gleichen Umfang durchgeführt wurde.
Aussage zum Weiterbetrieb erforderlich
Allerdings sollte – insbesondere wenn der arbeitsmittelverantwortliche Arbeitgeber keine Angaben zum Prüfumfang erhält, aber auch sonst – am Ende des Berichts eine qualitative Aussage zu Bedenken hinsichtlich des Weiterbetriebs idealerweise mit dem Wortlaut „dem Weiterbetrieb des geprüften Arbeitsmittels (Fahrzeug) stehen keine Bedenken entgegen“ getroffen worden sein. Ohne eine solche Aussage fällt es gerade bei extern durchgeführten Prüfungen naturgemäß dem Arbeitgeber oder der nach § 13 ArbSchG verantwortlichen Person oft schwer, eine Beurteilung vorzunehmen, gerade wenn es gilt, gefundene Mängel hinsichtlich ihrer Auswirkungen zu bewerten.
Fazit zur Fahrzeugprüfung
Die Prüfgrundlagen § 14 Abs. 2 BetrSichV und § 57 Abs. 1 DGUV-Vorschrift 70 können für Fahrzeuge, die Arbeitsmittel sind, ohne Präferenz nebeneinanderstehen. Entscheidend ist, dass ein geeigneter Prüfumfang bearbeitet und diese Bearbeitung dokumentiert wird. Fokus der Prüfung ist die Erfüllung des sich aus § 4 Abs. 1 BetrSichV ergebenden Schutzziels. Dabei bietet sich die Vorlage aus dem DGUV-Grundsatz 314–003 an. Am Ende sollte nach erfolgter und erfolgreicher Prüfung eine zusammenfassende qualitative Aussage zum Weiterbetrieb stehen.
Autor:
Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Markus Klar, LL.M.
EABCon-Ingenieurbüro Klar
Consulting-Elektrotechnik-Arbeitsschutz-Betriebsorganisation