Auch der Gesetzgeber hat dies erkannt und zahlreiche detaillierte Regelungen für den Umgang mit überwachungsbedürftigen Anlagen geschaffen. Im Zentrum der Regelungen steht die Betriebssicherheitsverordnung. Auf gesetzlicher Ebene waren diese Anlagen hauptsächlich Teil der alten Fassung des Produktsicherheitsgesetzes. Ein fundamentales eigenständiges Gesetz hat es nicht gegeben – dies hat sich nun mit dem Gesetz zu überwachungsbedürftigen Anlagen (ÜAnlG) geändert.
Modernisierungen der Regelungen der Anlagensicherheit
Die Erwartungen an Unternehmer in der heutigen Zeit gehen weit über die Sicherung eines wirtschaftlichen Erfolges hinaus. Immer mehr geht es auch um das Bewusstsein für die eigene Unternehmung und ihre Wirkungen auf die Umwelt, den Menschen und die Zukunft. Das zeigt sich auch daran, dass es über die letzten Jahre zu zahlreichen Modernisierungen im Regelungsbereich des Arbeitsschutzes gekommen ist.
Daneben bildet die Anlagensicherheit eine weitere besonders relevante Säule, wenn es um die Gewährleistung der Sicherheit der Schutzziele geht. Auch hier hat sich über die letzten Jahre eine komplexe Rechtssystematik entwickelt, die sich über verschiedene Gesetze, Verordnungen, Technische Regeln und viele Handlungsempfehlungen erstreckt. Die Problematik der grundsätzlichen Vorschriften über überwachungsbedürftige Anlagen bestand dabei jedoch nicht nur darin, dass sie in keinerlei logischem Zusammenhang im Produktsicherheitsgesetz zu finden waren, sondern zusätzlich darin, dass es sich um veraltete Vorschriften handelt, die seit 1953 kaum verändert wurden. So war eine Überarbeitung, auch in Angleichung an den stark mit der Anlagensicherheit verbundenen Bereich des Arbeitsschutzes, wichtig und nötig.
Eine vernünftige, wirkungsorientierte und vollständige Sicherheitspolitik setzt voraus, dass Arbeitsschutz und Anlagensicherheit Hand in Hand gehen. Dafür ist es besonders wichtig, gerade die überwachungsbedürftigen Anlagen im Blick zu haben und hier präventiv Maßnahmen zu treffen, die die von ihnen ausgehenden Gefahren minimieren. Um die Relevanz beider Bereiche gleichwertig auch Arbeitgeber:innen und Unternehmer:innen eindeutig zu vermitteln, ist es unumgänglich, für beide Bereiche die die Grundsätze festlegenden Gesetze als Fundament zu haben.
Erstmals eigenständiges Gesetz zu überwachungsbedürftigen Anlagen
Die besonderen Umstände überwachungsbedürftiger Anlagen, die zu einer Gefahrerhöhung führen können, setzen voraus, dass der Regelungsbereich ihre Bereitstellung, ihren Betrieb, ihre Instandhaltung und ihre Änderung umfasst. Um dem Fortschritt in der industriellen Welt gerecht zu werden, kam es in den bislang anzuwendenden Normen stets zu Anpassungen und Verbesserungen, die den neuesten Stand der Technik aufgreifen und sich an ihm orientieren. Diese zeigten sich vor allem in der Veröffentlichung weiterer Technischer Regelungen und DIN-Normen.
Das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage als eigenständige Säule, die die Relevanz der Anlagen betont, stellte jedoch eine Lücke in der Rechtssystematik dar, insbesondere unter Berücksichtigung der Normenhierarchie, in der das Gesetz Vorrang vor der Verordnung und diese wiederum Vorrang vor weiteren (technischen) Regelungen hat.
Im Rahmen der Neuordnung des Produktsicherheitsgesetzes, die auch eine Anpassung der Betriebssicherheitsordnung umfasst, wurde dies schließlich geändert und in Form des Gesetzes über überwachungsbedürftige Anlagen am 27.07.2021 erstmalig eine eigenständige Grundlage zu dieser Thematik erlassen.
Diese ist mit 34 Paragrafen und 6 Abschnitten weitaus ausführlicher als die bisherigen Regelungen. Weiterhin adressiert das Gesetz über überwachungsbedürftige Anlagen jede Person oder Institution, die in einem Verantwortungszusammenhang mit überwachungsbedürftigen Anlagen steht oder stehen könnte. Das Gesetzes über überwachungsbedürftige Anlagen gliedert sich dabei wie folgt:
- Abschnitt 1: Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
- Abschnitt 2: Pflichten der Betreiber
- Abschnitt 3: Aufgaben und Pflichten der zugelassenen Überwachungsstellen
- Abschnitt 4: Zulassung von Prüfstellen als zugelassene Überwachungsstellen, Aufsicht
- Abschnitt 5: Aufsichtsbehörden
- Abschnitt 6: Verordnungsermächtigungen, Bußgeld- und Strafverfolgungsvorschriften, Übergangsvorschriften.
Zentrale Rolle des Betreibers
Das Gesetz über überwachungsbedürftige Anlagenzeichnet sich durch einige Klarstellungen aus, die es vorher in der Regelungssystematik des Anlagenschutzes nicht gegeben hat und ist somit als Modernisierung des Rechts zu verstehen. Dennoch zeigt es an mehreren Stellen, dass nach wie vor die Abhängigkeit zu der Betriebssicherheitsverordnung erhalten bleibt. So lässt sich aus praktischer Perspektive sagen, dass es sich um eine Rahmenvorschrift handelt, die die wichtigsten Grundsätze präzise festhält.
Abschnitt 1 enthält einige klare Begriffsdefinitionen, die bislang entweder nicht vorhanden waren oder die sich der Anwender über weitere Vorschriften erschließen musste. So werden zunächst die überwachungsbedürftigen Anlagen in § 2 Nr. 1 ÜAnlG definiert. Jedoch wird auch hier wieder auf weitere Vorschriften, zu deren Erlass ermächtigt wurde, verwiesen, so dass nach wie vor eine abschließende Aufzählung des Gesetzgebers zu überwachungspflichtigen Anlagen fehlt. Es ist vielmehr auch an dieser Stelle weiterhin auf die Betriebssicherheitsverordnung zurückzugreifen und die hier genannten Voraussetzungen in ihren Anhängen zu prüfen. Deren Regelungen gelten für alle Arbeitsmittel und Anlagen, unabhängig von ihrer Überwachungsbedürftigkeit; in Ergänzung sind zusätzliche Regelungen nur für überwachungsbedürftige Anlagen enthalten. Eine ganz klare Zuweisung der Verantwortung für die Anlage erfolgt jedoch durch die eindeutige Adressierung des Betreibers als umsetzungspflichtige Person der Vorgaben. Der Betreiber wird hier klar definiert. Dabei wird vor allem auf seine Wirkungsmacht abgestellt, d.h. auf den bestimmenden Einfluss, den er auf die Errichtung, Prüfung und den Betrieb einer Anlage ausüben kann.
Der weitere Aufbau des Gesetzes über überwachungsbedürftige Anlagenorientiert sich an der Systematik des Arbeitsschutzes bzw. des Arbeitsschutzgesetzes und der darin enthaltenen Pflichten des Arbeitgebers. So enthält § 3 die Grundlegenden Anforderungen, respektive die Grundpflichten des Betreibers, die Verpflichtung zur Gefährdungsbeurteilung findet sich in § 4 und die Pflicht zur Einführung notwendiger und geeigneter Schutzmaßnahmen in § 5 ÜAnlG.
Die Grundpflichten des Betreibers sind dabei recht abstrakt formuliert. Ihm obliegt die Verantwortung für die Gewährleistung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes Beschäftigter und anderer Personen während des gesamten Daseins und der Nutzungsdauer einer Anlage. Damit hat der Gesetzgeber dem Betreiber keine klaren Anweisungen zur Umsetzung gegeben. Vielmehr kann die Regelung als Aufforderung verstanden werden, eine Haltung der Sicherheitsförderung zum Etablieren einer Sicherheitskultur einzunehmen und die Thematik der überwachungsbedürftigen Anlage im betrieblichen Alltag als wesentlichen Bestandteil wahrzunehmen.
TOP-Prinzip und Dokumentationspflichten
Dies zeigt auch die weitere Struktur des Gesetzes über überwachungsbedürftige Anlagen. So greifen die Vorschriften die für die Erstellung einer fundierten Gefährdungsbeurteilung wesentlichen Begriffe auf. Darunter fällt z. B. die Einhaltung des TOP-Prinzips in § 5 Abs. 1 oder die Pflicht zur Dokumentation in § 5 Abs. 3 ÜAnlG. Jedoch wird gleichzeitig auf konkrete Anweisungen verzichtet. Für die Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung und das Finden geeigneter Schutzmaßnahmen können auch weiterhin die Betriebssicherheitsverordnung und die Technischen Regeln genutzt werden. Diese Systematik macht durchaus Sinn – da hier eine gefahrenbasierte und risikospezifische Ermittlung der richtigen Maßnahmen ermöglicht wird.
Zur Festlegung der geeigneten Schutzmaßnahmen sind weiterhin die nachfolgenden Aspekte der Anlage zu prüfen und zu dokumentieren:
- die Gebrauchstauglichkeit
- die ergonomische Gestaltung
- sicherheitsrelevante Zusammenhänge zwischen Arbeitsplatz, Arbeitsmittel, Arbeitsverfahren und Arbeitsorganisation
- vorhersehbare Störungen.
Insgesamt sind jedoch, wie erwähnt, weitere Konkretisierungen als Handlungshilfen zu nutzen, insbesondere die Technische Regel zur Betriebssicherheit TRBS 1111.
Konkretere Regelungen finden sich an einzelnen Stellen, wie in § 7 ÜAnlG. Dieser umfasst Einzelheiten zu Rahmenbedingungen der Prüfung und beinhaltet die einzelnen Fristen zur Prüfung der Anlage auf ihren sicheren und ordnungsgemäßen Zustand, nämlich vor der ersten Inbetriebnahme, vor Wiederinbetriebnahme nach prüfpflichtigen Änderungen und nach außergewöhnlichen Ereignissen, und fordert den Betreiber direkt zur Einhaltung auf. Auch die weiteren Vorschriften des Paragrafen legen Rahmenbedingungen für den Betreiber fest. Dabei wird unterschieden zwischen Prüfungen, die er selbst vornehmen muss, Prüfungen durch zugelassene Überwachungsstellen und behördlich angeordnete Prüfungen.
Vorgaben für Prüfstellen
Die Abschnitte 3 und 4 wiederum richten sich direkt an die zugelassenen Prüfungsstellen und geben vor, wie Prüfungen durch sie zu erfolgen haben. Zudem wird in § 10 geregelt, wie bei der Feststellung von Mängeln vorzugehen ist.
Zu beachten ist § 11 ÜAnlG. Hier werden die Länder aufgefordert, Anlagenkataster einzuführen und zu pflegen, in welchem sämtliche überwachungsbedürftigen Anlagen, die der Aufsicht der Länder unterliegen, zu erfassen sind.
Im weiteren Verlauf des Gesetzes zu überwachungsbedürftigen Anlagen werden die Anforderungen zur Zulassung von Prüfstellen als zugelassene Überwachungsstellen genannt und erläutert. Auch hier handelt es sich um eine neue Regelungssystematik, indem diese Vorschriften im selben Kontext wie die weiteren Anforderungen über überwachungsbedürftige Anlagen aufgeführt werden. § 18 ÜAnlG betont zudem die erforderliche Objektivität und Unabhängigkeit der Überwachungsstellen. So darf es zu keinen Interessenkonflikten kommen. Stattdessen soll eine Neutralität und Qualitätssicherung gefördert werden.
Die Ermächtigung in § 31 ÜAnlG lässt darauf schließen, dass die rechtliche Neuordnung hinsichtlich der überwachungsbedürftigen Anlagen noch nicht abgeschlossen ist. Sie enthält die Aufforderung an das BMAS, zahlreiche weitere Vorschriften zu näheren Konkretisierungen des ÜAnlG zu erlassen. Damit ist natürlich in erster Linie der in der Praxis gewohnte Rückgriff auf die Betriebssicherheitsverordnung und die Technischen Regelungen gemeint – dennoch ist das BMAS in der Pflicht, die noch bestehenden Lücken zu schließen.
Von besonderer Bedeutung ist dabei die Aufforderung an das BMAS, einen Katalog der überwachungsbedürftigen Anlagen zu stellen, da im Zuge der Neuordnung die wichtige, wenn auch nicht vollständige Liste aus § 2 Nr. 30 Produktsicherheitsgesetz weggefallen ist.
Angleichung der Rechtssystematik Arbeitsschutz und Anlagensicherheit
Der Vergleich zwischen dem Arbeitsschutz und der Anlagensicherheit zeigt, dass beide Bereiche das Ziel haben, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten und Dritter bei der Ausübung von Tätigkeiten und in der Umgebung von Anlagen, Maschinen, Geräten und Werkzeugen zu gewährleisten. Dazu gibt es unterschiedliche Regelungszweige. Grundsätzlich ist die Normenhierarchie jedoch dieselbe, wie die nebenstehende Abbildung zeigt.
Die Vorschriften für die Arbeits- und Anlagensicherheit werden folglich nicht nur vom Gesetzgeber oder den Bundesministerien erlassen. Zur Durchführung, Einhaltung und Überprüfung gibt es weiterhin eine Vielzahl von Institutionen, so z. B. die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) für den Arbeitsschutz oder den Ausschuss für Betriebssicherheit (ABS).
Neben den Schutzzielen entsprechen auch die einzuhaltenden Pflichten des Arbeitgebers bzw. des Betreibers einander. So sind die Grundpflichten des Arbeitgebers in § 3 ArbSchG festgelegt. In der BetrSichV finden sich diese für Betreiber in § 4, das neue ÜAnlG fasst sie in § 3 zusammen. Diese umfassen in allen drei Vorschriften die Zuschreibung der Verantwortung für die Erfüllung der Schutzziele demjenigen, in dessen Herrschaftsbereich das Arbeitsumfeld liegt: dem Arbeitgeber oder dem Betreiber. Ergänzend hierzu fordern alle drei Vorschriften die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung, die Festlegung von Schutzmaßnahmen und ihre Dokumentation. Die untenstehende Tabelle fasst die Überschneidungen und Gemeinsamkeiten des Arbeitsschutzgesetzes, der Betriebssicherheitsverordnung und des Gesetzes über überwachungsbedürftige Anlagen zusammen.
Die Synopse zeigt, dass bei der Umsetzung der Anlagensicherheit grundsätzlich auch der Arbeitsschutz mitgedacht werden muss. Dies entspricht auch der Praxis, in welcher der Betreiber einer Anlage in den meisten Fällen auch den Arbeitgeber darstellt.
Verantwortung des Betreibers
Zusammengefasst treffen den Betreiber auf Grundlage des Gesetz zu überwachungsbedürftigen Anlagen die nachfolgenden Pflichten:
- die Einhaltung der Grundpflichten, § 3
- das Erfordernis einer GBU, § 4
- die Planung und Durchführung von Schutzmaßnahmen, § 5
- die Prüfung von Anlagen, § 7
- die Ausübung eines Betriebsverbots, § 8
Diesen Pflichten kann er insbesondere dann gerecht werden, wenn er
- die Schutzziele über den gesamten Lebenszyklus der Anlage berücksichtigt, d.h., eine grobe Festlegung der eigenen Sicherheitspolitik vornimmt,
- die zum Zeitpunkt der Bereitstellung geltenden Rechtsvorschriften des Binnenmarktes vor erster Inbetriebnahme der Anlage oder bei eigener Herstellung einer Anlage für eigene Zwecke analysiert und umsetzt sowie
- die für die jeweilige Anlage geltenden weiteren Vorschriften ebenfalls analysiert und umsetzt.
Durch die Angleichung der Betreiberverantwortung in die praxistaugliche Umsetzungsstruktur des Arbeitsrechtes werden Betreiber befähigt, ein schlüssiges und vollständiges Sicherheitskonzept zu entwickeln, welches durch die Kombination beider Ansätze die Schutzziele auf eine moderne und zeitgemäße Weise sicherstellt.
Zusammenfassung zum Gesetz zu überwachungsbedürftigen Anlagen
Zusammengefasst bildet das neue ÜAnlG eine gute Grundlage zur Findung einer neuen Regelungsstruktur zur Anlagensicherheit, adäquat zu der Systematik der Vorschriften im Arbeitsschutz. Dies stellt eine enorme Verbesserung zur Vergangenheit dar, in der die einzelnen Vorschriften zu überwachungsbedürftigen Anlagen häufig deplatziert waren. Der Erlass des Gesetzes führt definitiv zu mehr Klarheit in Bezug auf die Verpflichtungen und Verantwortungen, auch weil wichtige Begriffe eindeutig bestimmt werden. Es hat dennoch keinen fundamentalen Einfluss auf die gewohnte praktische Umsetzung, da die Gewährleistung der Sicherheit einer überwachungsbedürftigen Anlage nach wie vor im Wesentlichen durch die Betriebssicherheitsverordnung und ihr nachrangige Technische Regeln und Handlungshilfen bestimmt wird. So haben diese nicht an Bedeutung eingebüßt. Nach wie vor sind die Technischen Regeln in die Umsetzung der Anlagensicherheit einzubeziehen und als Grundlage für die Ermittlung der Schutzmaßnahmen, die den Kern der Anlagensicherheit bilden, zu nutzen. Dies soll jedoch die Relevanz des Gesetzes nicht schmälern – eine Festlegung dieser Grundsätze war ein wichtiger Schritt in Richtung einer präzisen und zielorientierten Rechtssystematik.
Autor:
Donato Muro
Naturwissenschaftler, Ingenieur und Jurist