Die Unfallstatistiken der meisten Berufsgenossenschaften belegen, dass die Hände die am häufigsten betroffenen Körperteile bei Arbeitsunfällen sind.
Für das Jahr 2017 weist beispielsweise die Statistik der DGUV aus, dass 34,5 Prozent der 877.198 meldepflichtigen Arbeitsunfälle die Hände betrafen.1 Im Jahr 2017 wurden wiederum 18422 beruflich bedingte Hauterkrankungen bestätigt, wovon 515 als Berufskrankheit anerkannt wurden.2
Neben den technischen und organisatorischen Maßnahmen kommen zum Schutz der Hände häufig Schutzhandschuhe als persönlich wirksame Schutzmaßnahme zum Einsatz. Diese decken das Spektrum vom Schutz gegen chemische Gefährdungen (EN 374) und Hitze (EN 407) über den Schutz
vor elektrischen Körperströmen (unter anderem EN 60903) bis hin zum Schutz vor mechanischen Gefährdungen (EN 388) und vielem mehr ab. Auch Handschuhe mit besonderen Aufgaben wie dem Schutz Dritter vor Kontaminationen (Medizinprodukte nach EN 344, oder Handschuhe mit der Eignung zur Zubereitung von Lebensmitteln), aber auch Handschuhe, die Schutz vor mehreren Gefährdungen bieten (zum Beispiel Schweißerschutzhandschuhe nach
EN 12477 oder Feuerwehrschutzhandschuhe nach EN 649), sind verfügbar.
Für manche Gefährdungen existiert hingegen kein wirksamer Schutz durch Handschuhe. So ist beispielsweise ein Schutz vor Quetschverletzungen konstruktionsbedingt mit herkömmlichen Handschuhen nicht darstellbar.
Entscheidend bei der Auswahl des richtigen Schutzhandschuhs ist – wie bei allen Maßnahmen des Arbeitsschutzes – die Gefährdungsbeurteilung. Als Persönliche Schutzausrüstung (PSA) in Verkehr gebracht werden dürfen nur Handschuhe, die die grundsätzlich in der europäischen PSA Richtlinie festgelegten Anforderungen erfüllen.
Handschuhe im gewerblichen Bereich
Einer der häufigsten Einsatzzwecke von Schutzhandschuhen ist der Schutz vor mechanischer Gefährdung, wofür regulär Schutzhandschuhe nach EN 388 eingesetzt werden können. Diese Handschuhe erfüllen die Grundnorm EN 420. Darüber hinaus ist vorgesehen, dass der zuzulassende Handschuh in den Kriterien „Stichfestigkeit“, „Schnittfestigkeit“, „Weiterreißbeständigkeit“ und „Abriebfestigkeit“ weiteren Prüfungen unterzogen wird. Die Güte der Erfüllung dieser Kriterien wird mittels eines Zahlencodes unter dem Piktogramm angegeben (siehe Abbildung 1).
Interessant hierbei ist einerseits, welche Informationen dem Anwender zur richtigen Auswahl des Handschuhs zur Verfügung gestellt werden müssen, aber auch welche Kriterien für die Auswahl und welche entscheidende Informationen gar nicht erhoben werden.
Meist stellt die Schnittfestigkeit für Anwender das entscheidende Kriterium bei der Auswahl der Schutzhandschuhe dar, auch wenn der Preis eines Schutzhandschuhs mit hoher Schnittbeständigkeit ansteigt. Ein nicht unerhebliches Problem ist dabei aber die Bewertung der Schnittgefährdung in der Praxis: Mit in Kraft treten der EN 388: 2017-01 hat der Arbeitsschützer die Möglichkeit, aus zwölf unterschiedlichen Schnittschutzklassen den geeigneten Schutzhandschuh auszuwählen – allerdings wird ihm dadurch keine Hilfestellung bei der Beurteilung der Schnittgefährdung im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung gegeben.
Eine einheitliche Beurteilung der Schnittgefährdung ist derzeit schlicht nicht möglich, allenfalls mag eine erfahrene Fachkraft für Arbeitssicherheit nach der Methode „Pi mal Daumen“ die Schnittgefährdung subjektiv in die Kategorien „hoch“, „mittel“ und „gering“ einteilen können. Damit wird die Auswahl des geeigneten Handschuhs aber nicht einfacher, da zur Auswahl wie dargestellt ja nicht nur zwölf unterschiedliche Schnittschutzklassen zur Auswahl stehen.
Vielmehr müssen auch noch Faktoren wie die Beeinträchtigung des Tastsinns, die Veränderung der Schnittfestigkeit durch Feuchtigkeit, die Griffigkeit in Abhängigkeit vom Zwischenmedium und nicht zuletzt auch wirtschaftliche Kriterien wie der Preis des Handschuhs oder dessen Waschbarkeit herangezogen werden.
Hilfreich und sogar notwendig sind daher auch die Beratungen der Markenhersteller von Handschuhen, die in der Regel ihre Kunden an Ihren eigenen Praxiserfahrungen teilhaben lassen und diese entsprechend beraten können. Dies bedeutet aber, dass in der Praxis nach der Auswahl der vermeintlich geeigneten Schutzhandschuhe immer in der Folge das tatsächliche Unfallgeschehen beobachtet werden muss.
Handschuhe im medizinischen Bereich
Die Verwendung geeigneter Schutzhandschuhe zum Schutz des Patienten vor Infektionen und auch zum Schutz des Personals gegen Gefährdungen (Infektionsgefährdung, mechanische Gefährdung, chemische Gefährdung) ist heute eine nicht mehr wegzudenkende Basismaßnahme im medizinischen Bereich. Handschuhe in der Medizin, egal ob als Untersuchungshandschuhe oder als sterile OP-Handschuhe ausgeführt, müssen in der Regel als Medizinprodukt bereitgestellt werden, das heißt sie wurden also in erster Linie zum Schutz des Patienten vor Infektionen entwickelt. Dessen ungeachtet dienen sie aber zusätzlich auch dem Schutz der Beschäftigten.
Eine immer wieder empfohlene Maßnahme zur Verbesserung des Infektionsschutzes besteht darin, zwei Handschuhe übereinander zu tragen. Hierzu erscheinen bis heute immer wieder Übersichtsarbeiten die durchgehend den Erfolg dieser Schutzmaßnahme im Vergleich zu einfach getragenen Handschuhen belegen.
1 https://www.dguv.de/de/zahlen-fakten/vorlaeufige_zahlen/allgemeine-uv/index.jsp
2 https://www.dguv.de/de/mediencenter/hintergrund/berufskrankheiten/statistik/index.jsp
Autor:
Dr. Andreas Wittmann
Leitende Sicherheitsfachkraft,
Gedore Werkzeugfabrik GmbH & Co. KG
andreas.wittmann@
gedore.com
„Entscheidend bei der Auswahl des richtigen Schutzhandschuhs ist – wie bei allen Maßnahmen des Arbeitsschutzes – die Gefährdungsbeurteilung.“