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Hinweisgeberschutzgesetz

Zusammenspiel im Sinne des Arbeitsschutzes
Hinweisgeberschutz und Arbeitssicherheit

Saskia Rotterdam
Das Hin­weis­ge­ber­schutzge­setz – viel disku­tiert und kri­tisiert. Zu Recht? Neben dem damit ver­bun­de­nen Ver­wal­tungsaufwand, soll­ten sich Unternehmen vor Augen führen, dass das Gesetz einen Präven­tivcharak­ter hat, der die Möglichkeit bietet, Gefahren und Missstände frühzeit­ig zu erken­nen und zu beseitigen.

Seit 2019 beste­ht bere­its eine EU-Richtlin­ie, die Unternehmen und Kom­munen ani­mieren sollte, ein Hin­weis­ge­ber­sys­tem für Ver­stöße gegen EU-Richtlin­ien und ‑Verord­nun­gen einzuricht­en. Da viele Unternehmen zunächst abwarten woll­ten, bis die EU-Richtlin­ie in nationales Recht trans­feriert wird, ist viel Zeit ins Land gegan­gen. Erst nach ein­er Abmah­nung der EU ist die Richtlin­ie in nationales Recht trans­feriert worden.

Was beinhaltet das nationale Hinweisgeberschutzgesetz?

Das Erstaunen auf­grund des im Bun­desk­abi­nett ver­ab­schiede­ten Hin­weis­ge­ber­schutzge­set­zes war groß. Der nationale Geset­ze­sen­twurf ist schär­fer gefasst als die EU-Richtlin­ie. Neben der Mel­dung von Ver­stößen gegen EU-Geset­ze (Richtlin­ien und Verord­nun­gen), umfasst der aktuelle und bere­its beim Bun­desrat liegende Entwurf auch die nationale Gesetzgebung.

Hinzu kommt, dass Unternehmen ab 50 Mitar­beit­ern dazu verpflichtet wer­den, ein Hin­weis­ge­ber­sys­tem einzuricht­en. Dazu gehört auch, eine fachkundi­ge, neu­trale und unab­hängige Per­son für die Bear­beitung der Hin­weise zu haben. Die Über­gangs­frist ist rel­a­tiv eng gefasst, da die Unternehmen lediglich ein Jahr eingeräumt bekom­men. Ein enger Zeitraum für Mit­tel­stand­sun­ternehmen, die noch kein­er­lei Com­pli­ance Man­age­ment haben, an die das Hin­weis­ge­ber­sys­tem angegliedert wer­den kann.

Der Anwen­dungs­bere­ich umfasst alle Per­so­n­en im Unternehmen­su­m­feld, die Ken­nt­nis von Ver­stößen erlangt haben. Neben eines inter­nen Meldekanals sind auch externe Meldekanäle vorge­se­hen. Welche Kanäle der Hin­weis­ge­ber nutzt, ist freigestellt. So dür­fen Sie als Unternehmer keines­falls Ihren Mitar­beit­ern vorschreiben, dass diese auss­chließlich die unternehmen­seige­nen Ansprech­part­ner zu kon­tak­tieren haben. Ein Hin­weis­ge­ber darf nach wie vor auch direkt an Behör­den oder andere öffentliche Stellen einen Ver­stoß melden.

Aber auch der Hin­weis­ge­ber hat einiges zu beacht­en. Ein Schutz vor Repres­salien oder ander­weit­i­gen Sank­tio­nen tritt nur dann ein, wenn die Anforderun­gen an eine Mel­dung einge­hal­ten wer­den. So darf beispiel­weise ein Hin­weis­ge­ber nicht miss­bräuch­lich Hin­weise geben, um Per­so­n­en zu schaden.

Was haben das Arbeitsschutzgesetz und das Hinweisgeberschutzgesetz miteinander zu tun?

Die Ausweitung der Geset­ze und Vorschriften, die im Rah­men des Hin­weis­ge­ber­schutzge­set­zes gemeldet wer­den kön­nen, haben gravierende Auswirkun­gen auf das Arbeit­srecht. So sind beispiel­sweise das Arbeitss­chutzge­set­zes (§ 17 Absatz 2 Satz 3), das Arbeit­szeit­ge­setz, das Arbeit­nehmerüber­las­sungs­ge­setz und das Betrieb­sver­fas­sungs­ge­setz betroffen.

Meldet ein Hin­weis­ge­ber betriebliche Missstände hin­sichtlich des Arbeitss­chutzes, greift § 17 des Arb­SchG. Dort heißt es: „Sind Beschäftigte auf Grund konkreter Anhalt­spunk­te der Auf­fas­sung, dass die vom Arbeit­ge­ber getrof­fe­nen Maß­nah­men und bere­it­gestell­ten Mit­tel nicht aus­re­ichen, um die Sicher­heit und den Gesund­heitss­chutz bei der Arbeit zu gewährleis­ten, und hil­ft der Arbeit­ge­ber darauf gerichteten Beschw­er­den von Beschäftigten nicht ab, kön­nen sich diese an die zuständi­ge Behörde wen­den.“ Dem Unternehmen bzw. den Ver­ant­wortlichen dro­hen neben erhe­blichen Geld- auch Frei­heitsstrafen. Dafür müssen es gar nicht ein­mal gravierende Ver­stöße wie beispiel­sweise ver­stellte Fluchtwege oder man­gel­nde Schutzaus­rüs­tung sein. Bere­its ein Unter­lassen der Unter­weisungspflicht des Arbeit­ge­bers oder eine man­gel­nde Doku­men­ta­tion der Gefährdungs­beurteilun­gen reichen hier oft­mals schon aus.

Ein effek­tives Abstellen eines solchen Miss­standes kann nur erre­icht wer­den, wenn die für den Arbeitss­chutz ver­ant­wortlichen Per­so­n­en davon Ken­nt­nis erlan­gen. Dies set­zt eine entsprechende Berück­sich­ti­gung im Meldesys­tem des Unternehmens voraus. Es ist daher zu empfehlen, dass der Com­pli­ance Offi­cer / die Ombudsper­son, welche die Hin­weise im ersten Schritt bear­beit­et, mit der Abteilung Arbeitssicher­heit eng zusam­me­nar­beit­et und kommuniziert.

Fazit

Die Erfahrung hat gezeigt, dass eine gute inter­diszi­plinäre Zusam­me­nar­beit und umfassende Kom­mu­nika­tion zwis­chen dem Com­pli­ance Man­age­ment und den ver­schiede­nen Abteilun­gen im Unternehmen das Ver­trauen in ein Hin­weis­ge­ber­sys­tem stärken und die Mitar­beit­er eher dazu ver­an­lassen, die interne Stelle zu kontaktieren.

Mit­tel­stand­sun­ternehmen mit mehr als 50 Mitar­beit­ern sind auf­grund des Hin­weis­ge­ber­schutzge­set­zes nicht nur in der geset­zlichen Verpflich­tung, ein Hin­weis­ge­ber­sys­tem einzuführen, son­dern ste­hen auch vor der Her­aus­forderung, im Unternehmen eine entsprechende Fachkunde und Kul­tivierung ein­er inter­diszi­plinären Kom­mu­nika­tion zur Behe­bung von gemelde­ten Missstän­den zu schaffen.

Unternehmen, die sich bis­lang noch nicht mit der Ein­rich­tung eines Hin­weis­ge­ber­sys­tems beschäftigt haben – viele Unternehmen sind bere­its auf­grund des § 8 des Liefer­ket­tenge­set­zes zu ein­er Ein­rich­tung verpflichtet –, soll­ten die im Hin­weis­ge­ber­schutzge­setz bein­hal­tete Über­gangs­frist nicht bis zum let­zten Augen­blick aus­reizen. Die Umset­zung der Anforderun­gen bedür­fen mehr zeitliche und per­son­elle Kapaz­itäten, als sich viele bewusst sind. Kommt dazu noch die Notwendigkeit ein­er Verbesserung der inter­nen Kom­mu­nika­tion­skul­tur, haben Sie einiges zu tun.

Binden Sie auf jeden Fall von Anfang an alle Abteilun­gen mit ein und leg­en Sie die Zuständigkeit­en und Abläufe beim Erhal­ten von Hin­weisen bzgl. des Arb­SchG fest. Kom­pe­ten­zgerangel und man­gel­nde Kom­mu­nika­tion kosten ihr Unternehmen dann nicht nur Zeit, son­dern kön­nen im schlimm­sten Fall sehr teuer wer­den und auch Ihrer Rep­u­ta­tion langfristig schaden. Ein Hin­weis­ge­ber, der sich nicht ernst genom­men fühlt, wird sich unweiger­lich an Behör­den oder andere öffentliche Stellen wenden.


Saskia Rotterdam
Sask­ia Rot­ter­dam; Foto: © Tan­ja Schedl

Autorin:
Sask­ia Rotterdam
Freiberu­fliche Com­pli­ance Con­sul­tant, Unternehmensmit­glied des DICO Deutsches Insti­tut für Compliance,
Dozentin für Com­pli­ance Management 

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