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Maskenchaos und falsche Zertifikate im Rahmen der Coronapandemie

Ein Kommentar
Ist eine Maske eine Maske?

Ist eine Maske eine Maske?
Foto: © Kai Felmy
In jen­em kurzen Augen­blick, als die Poli­tik­er im Zuge der Coro­na-Pan­demie zum ersten Mal die Wörter „Mund­schutz“, „Schutz­maske“ und „Atem­schutz­maske“ in die geöffneten Mikro­fone sprachen, nahm das Dra­ma seinen Lauf …

Denn als die Poli­tik sich im Zuge der Coro­na-Pan­demie dazu entschloss, eine Maskenpflicht zu erlassen, schnellte die Nach­frage nach Masken, die den Mund und die Nase bedeck­en, explo­sion­sar­tig in die Höhe. Mit­tler­weile dürften alleine in Deutsch­land inner­halb weniger Wochen Masken in dreis­tel­liger Mil­lio­nen­zahl auf den Markt gekom­men sein. Und ein Ende dieser regel­recht­en Flutwelle ist noch nicht abse­hbar. Und lei­der war der Bedarf im Medi­z­in­we­sen nach Schutzaus­rüs­tun­gen (Atem­schutz­masken, Schutzbrillen, etc.) enorm gestiegen und kon­nte nicht mehr wirk­lich gedeckt werden.

Somit über­stieg das bish­erige Ange­bot die Nach­frage bei weit­em, zumal viele Atem­schutz­masken (Per­sön­liche Schutzaus­rüs­tung, FFP1–3) bere­its für ihre eigentlichen Zwecke vorbestellt und reserviert waren.

Und plöt­zlich boten mit einem Mal tausende Liefer­an­ten aus der Volk­sre­pub­lik Chi­na ihre „Masken“ an. Und schon war das Chaos per­fekt. Denn irgend­wie hat­te man hierzu­lande schein­bar ver­drängt, dass es für Schutz­masken DIN- und EN-Nor­men gibt. Die taucht­en nun unverse­hens wieder aus der Versenkung auf, wo sie die Fach­leute ver­steckt hat­ten, weil ihnen der Umgang mit ihnen vol­lkom­men geläu­fig ist. Das war und ist ein riesiges Prob­lem, alldieweil die Masken aus Chi­na regelmäßig nach anderen Stan­dards als in Europa üblich und erforder­lich gefer­tigt sind. Da standen unver­mutet Beze­ich­nun­gen wie „N95“ oder „KN95“ auf den Masken, anstelle des bekan­nten „FFP2“, wie man es bis­lang im Arbeitss­chutz gewöh­nt war. So etwas Dummes aber auch.

Erschw­erend kam und kommt hinzu, dass die Chi­ne­sen ein uraltes, vom Kon­fuzian­is­mus diszi­plin­iertes Han­delsvolk sind – und wenn die Europäer nach FFP2 fra­gen, nun, dann kann diese Hürde lock­er und lächel­nd genom­men wer­den. Und somit druck­ten halt massen­haft chi­ne­sis­che Pro­duzen­ten FFP1/2/3 zusät­zlich auf die Ver­pack­un­gen und auf die Masken – gar kein Prob­lem. Dies wurde in der Ver­gan­gen­heit auch schon bere­itwillig mit dem CE-Zeichen getan, das als­bald für „Chi­na Export“ stand. Ruck­zuck waren die Kar­tons mit­samt den Masken mit allen „gewün­scht­en“ Beze­ich­nun­gen in Europa und in Deutsch­land angekommen.

Jedoch: Die Europäer erwiesen sich als hart­näck­ig. Blitzschnell ver­langten sie nun „Zer­ti­fikate“ von den chi­ne­sis­chen Expor­teuren – Zer­ti­fikate, die nach­weisen, dass die Masken nach der europäis­chen Prüfnorm EN 149 für fil­tri­erende Halb­masken von ein­er benan­nten Stelle für PSA geprüft wur­den. Und wieder, Ruck­zuck, taucht­en viele Zer­ti­fikate auf, die falsch, ungültig oder gefälscht waren (Fal­si­fikate).

Doch bedauer­licher­weise war der Masken­strom der­art über­wälti­gend, dass trotz aller Wach­samkeit Mil­lio­nen von Masken aus Chi­na in Europa ange­langt sind, ein Großteil davon sog­ar auf dem schnellen Luft­frachtweg. Die Impor­teure wollen diese Masken nun natür­lich nicht ver­schrot­ten, und so müssen wir uns weit­er­hin mit Maske­nange­boten herum­pla­gen, die lei­der nichts wert sind, weil die Ware nicht verkehrs­fähig ist. Das ist „unschön“ für alle Beteiligten, sog­ar für die ser­iösen chi­ne­sis­chen Anbi­eter, die es auch gibt.

Wissen ist wichtig

Nach dem Anfangschaos ist es inzwis­chen allen Anwen­dern bewusst, dass es ganz unter­schiedliche Maske­narten gibt – und dass es wichtig ist, die ver­schiede­nen Typen voneinan­der zu unterscheiden.

Die bekan­nten OP-Masken, die im Fach­jar­gon medi­zinis­che Gesichts­masken genan­nt und nach der europäis­chen Norm EN 14683:2019 hergestellt und geprüft wer­den, sind vom Geset­zge­ber als Medi­z­in­pro­dukt eingestuft und unter­liegen damit der europäis­chen Richtlin­ie über Medi­z­in­pro­duk­te (93/42/EWG) sowie der Verord­nung (EU) über Medi­z­in­pro­duk­te 2017/745.

Die par­tikelfil­tri­eren­den Halb­masken, die als Atem­schutz in Gewer­be­be­trieben oder auch von Heimw­erk­ern einge­set­zt wer­den, unter­liegen der europäis­chen Verord­nung (EU) 2016/425 über per­sön­liche Schutzaus­rüs­tun­gen. In aller Regel wer­den sie, um verkehrs­fähig zu sein, nach der europäis­chen Norm EN 149:2001 hergestellt und geprüft.

Die soge­nan­nten „All­t­ags­masken“, die von jedem als Mund-Nase-Bedeck­ung im Sinne der von den einzel­nen Bun­deslän­dern erlasse­nen Coro­na-Verord­nun­gen genutzt wer­den, unter­liegen einzig der europäis­chen Richtlin­ie 2001/95/EG über die all­ge­meine Pro­duk­t­sicher­heit, die durch das deutsche Gesetz über die Bere­it­stel­lung von Pro­duk­ten auf dem Markt (Pro­duk­t­sicher­heits­ge­setz – ProdSG) in nationales Recht umge­set­zt wird. Für diese Masken gibt es keine Produktnorm.

Theorie und Praxis

Damit wäre eigentlich alles klar geregelt und gut durch­schaubar. Soweit die The­o­rie; in der Prax­is gibt es allerd­ings begrif­fliche Ver­mis­chun­gen und Ver­wech­selun­gen der drei Masken­typen, und es taucht­en halt auch Stan­dards aus fer­nen Län­dern auf, die man in Europa bis­lang meis­tens nur vom Hören­sagen kennt.

Ins­beson­dere bei den par­tikelfil­tri­eren­den Halb­masken (Per­sön­liche Schutzaus­rüs­tung) ist große Ver­wirrung ent­standen. Her­vorgerufen wurde diese Kon­fu­sion ins­beson­dere durch Masken, die mit den Beze­ich­nun­gen N95 und KN95 im Markt auf­taucht­en und von ganz neuen Anbi­etern größ­ten­teils sog­ar online bewor­ben und verkauft wer­den. Nun sind die bei­den Stan­dards N95 (USA) und KN95 (VR Chi­na) kein Teufel­swerk, son­dern anerkan­nte Regeln der Tech­nik – nur halt nicht in Europa. Der EU-Bin­nen­markt hat sich eigene Regeln aufer­legt und deshalb fand man bei uns fast auss­chließlich Halb­masken nach der EN 149:2001, eingeteilt in die drei Schutz- bzw. Geräteklassen FFP1, FFP2 und FFP3. Die Ein­hal­tung dieser Norm löst nach den europäis­chen Reg­u­lar­ien die Ver­mu­tung aus, dass diese Masken den Sicher­heits- und Gesund­heitss­chutzan­forderun­gen der Verord­nung (EU) 2016/425 entsprechen.

Wer nun aber N95- oder KN95-Masken für alle Anwen­dungs­bere­iche in der EU in den Verkehr brin­gen möchte – was nicht grund­sät­zlich ver­boten ist – der muss die Kon­for­mität mit den Anforderun­gen der EU-Verord­nung sehr dezi­diert und aufwändig nach­weisen. Ein solch­es Ver­fahren kostet viel Geld und dauert lange. Deshalb waren die N95- oder KN95-Masken in Europa bis­lang auch so gut wie nicht anzutreffen.

Auf­grund der enor­men Nach­frage und der einge­trete­nen Ver­sorgung­sprob­leme hat­te sich die deutsche Regierung im April dazu entschlossen, das sehr aufwändi­ge Kon­for­mitätsver­fahren für Masken, die in den Vere­inigten Staat­en von Ameri­ka, Kana­da, Aus­tralien oder Japan verkehrs­fähig sind, aus­nahm­sweise und für die Dauer der Coro­na-Krise zu erle­ichtern, wenn diese Masken auss­chließlich als Pan­demie-Atem­schutz im medi­zinis­chen Bere­ich und für Ein­satzkräfte ver­wen­det wer­den. Diese Aus­nah­meregelung haben hun­grige Anbi­eter sogle­ich dahinge­hend aus­gelegt, als sei nun plöt­zlich alles erlaubt und N95- sowie KN95-Masken dürften über­all­hin verkauft wer­den. Dem ist allerd­ings mit­nicht­en so.

Was tun?

Bei all dem Tohuwabo­hu und den vie­len bun­ten Zer­ti­fikat­en zweifel­hafter Prove­nienz (siehe oben), die noch zusät­zliche Ver­wirrung stiften, kann man eigentlich nur eines tun, um auf Num­mer Sich­er zu gehen, und zwar sich beim Einkauf die oblig­a­torische „EU-Kon­for­mität­serk­lärung“ des Her­stellers oder seines in der EU ansäs­si­gen Bevollmächtigten nach Anhang IX der Verord­nung (EU) 2016/425 über per­sön­liche Schutzaus­rüs­tun­gen vom Liefer­an­ten vor­legen zu lassen. Sie enthält alle Angaben zum Pro­dukt, die man fachkundig über­prüfen sollte.


 
Foto: © Thomas Vierhaus

Autor: Thomas Vierhaus

Haupt­geschäfts­führer beim VTH Ver­band Tech­nis­ch­er Han­del e.V.,

E‑Mail: TVierhaus@vth-verband.de

www.vth-verband.de

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