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Grenzwerte und Schutzmaßnahmen von kanzerogenen Gefahrstoffen

Grenzwerte und Schutzmaßnahmen beachten
Kanzerogene Gefahrstoffe

Kanzerogene Gefahrstoffe
Gefahrstoffe, die Krebs erzeu­gen oder die Kreb­sentste­hung fördern kön­nen, wer­den als kanze­ro­gene Gefahrstoffe beze­ich­net. Wirken solche Stoffe auf den Men­schen ein, kann die Häu­figkeit für Tumore in bes­timmten Orga­nen erhöht sein. Wie sind Beschäftigte zu schützen?

Gefahrstoffe, die Krebs erzeu­gen oder die Kreb­sentste­hung fördern kön­nen (Kanze­ro­gene), wer­den gemäß geset­zlichem beziehungsweise tech­nis­chem Regel­w­erk in die Kat­e­gorien 1A, 1B und 2 eingestuft:

  • Kat­e­gorie 1A: Stoffe, die für den Men­schen bekan­nter­maßen karzino­gen sind. Der Kausalzusam­men­hang zwis­chen der Expo­si­tion eines Men­schen gegenüber dem Stoff und der Entste­hung von Krebs ist aus­re­ichend nachgewiesen.
  • Kat­e­gorie 1B: Stoffe, die wahrschein­lich beim Men­schen karzino­gen sind. Es beste­hen hin­re­ichende Anhalt­spunk­te zu der Annahme, dass die Expo­si­tion eines Men­schen gegenüber dem Stoff Krebs erzeu­gen kann. Diese Annahme beruht im All­ge­meinen auf geeigneten Langzeit-Tierver­suchen oder epi­demi­ol­o­gis­chen Studien.
  • Kat­e­gorie 2: Stoffe, bei denen ein Ver­dacht auf eine karzino­gene Wirkung beim Men­schen beste­ht. Aus geeigneten Tierver­suchen liegen einige Anhalt­spunk­te vor, die jedoch nicht aus­re­ichen, um einen Stoff in Kat­e­gorie 1A oder 1B einzustufen.

Beispiele für Stoffe in den verschiedenen Kategorien

Kat­e­gorie 1A

  • Asbest: Die Her­stel­lung und die Ver­wen­dung von Asbest-Pro­duk­ten sind seit 1993 in Europa ver­boten. Asbest ist jedoch noch in alten Bau­ma­te­ri­alien wie etwa Putzen, Spachtel­massen, Fliesen­kle­bern sowie in Däch­ern (Wellas­best, Asbestze­ment) und Rohrisolierun­gen vorhan­den. Bei stauben­der Bear­beitung wer­den Asbest-Fasern freige­set­zt und kön­nen eingeat­met wer­den. Fest ver­baut stellen Asbest-Fasern kein Risiko für die Gesund­heit dar.
  • Nick­elox­ide: entste­hen beim Schweißen oder Schleifen mit Funken­bil­dung von hochlegierten Chrom-Nickel-Stählen
  • Kat­e­gorie 1B:
  • Chrom(VI)-Verbindungen: entste­hen beim Edel­stahlschweißen oder Trock­en­schleifen von Chrom(VI)-haltigen Beschichtungen
  • Cobalt (einatem­bar­er Met­all-Staub): wird bei der Her­stel­lung von Hart­met­allen eingesetzt
  • Formalde­hyd: wird bei der Her­stel­lung von Span­plat­ten freigesetzt

Kat­e­gorie 2:

  • Holzs­taub (aber: Hartholzstäube sind in 1A)
  • Nick­el­met­all: wird beim Schleifen ohne Funken­flug, Bohren, Drehen, Fräsen, Bürsten, Polieren, Sägen und mech­a­nis­chem Schnei­den von nick­el­halti­gen Legierun­gen freigesetzt

Wer­den kanze­ro­gene Stoffe einge­set­zt, sind diese auf dem Etikett oder im Sicher­heits­daten­blatt an dem Pik­togramm Gesund­heits­ge­fahr [GHS 08, s. unten] sowie den H‑Sätzen H350 / H350i (Kat­e­gorie 1A und 1B) beziehungsweise H351 (Kat­e­gorie 2) zu erken­nen. Die gesund­heitlichen Auswirkun­gen kreb­serzeu­gen­der Gefahrstoffe sind nicht unmit­tel­bar sicht- oder spür­bar, Latenzzeit­en (Zeit zwis­chen Expo­si­tion und Entste­hen eines Tumors) von 30 bis 40 Jahren sind keine Sel­tenheit. Es ist daher sehr wichtig, dass geeignete Schutz­maß­nah­men noch vor Auf­nahme der Tätigkeit angewen­det wer­den, um eine Ein­wirkung zu verhindern.

Luftgrenzwerte für krebserzeugende Gefahrstoffe

Der Arbeit­splatz­gren­zw­ert (AGW) für einen Gefahrstoff gibt an, bei welch­er Konzen­tra­tion eines Stoffes keine akuten oder chro­nisch schädlichen Auswirkun­gen auf die Gesund­heit der Beschäftigten zu erwarten sind (bezo­gen auf eine Acht-Stun­den-Schicht). Arbeit­splatz­gren­zw­erte wer­den auf der Basis arbeitsmedi­zinis­ch­er Erfahrun­gen und toxikol­o­gis­ch­er Erken­nt­nisse fest­gelegt. Bei ein­er Expo­si­tion gegenüber kreb­serzeu­gen­den Stof­fen lässt sich in der Regel keine Konzen­tra­tion fes­tle­gen, unter­halb der kein Erkrankungsrisiko beste­ht (Null­risiko). Daher sind AGW für kreb­serzeu­gende Gefahrstoffe eine Aus­nahme. Gibt es für einen kanze­ro­ge­nen Gefahrstoff den­noch einen Arbeit­splatz­gren­zw­ert (AGW) gemäß der Tech­nis­chen Regel für Gefahrstoffe 900 (TRGS 900 „Arbeit­splatz­gren­zw­erte“), so muss dieser am Arbeit­splatz sich­er unter­schrit­ten werden.

Häu­figer wer­den für kreb­serzeu­gende Gefahrstoffe soge­nan­nte risikobasierte Luft­gren­zw­erte als Expo­si­tions-Risiko-Beziehung (ERB) gemäß der TRGS 910 abgeleit­et. Es wur­den mit dem Akzep­tanzrisiko und dem Tol­er­anzrisiko stof­füber­greifende Risiko­gren­zen fest­gelegt, die ein zusät­zlich­es Leben­szeitrisiko, an Krebs zu erkranken, nach ein­er kon­tinuier­lichen arbeit­stäglichen Expo­si­tion von 40 Jahren definieren. Für diese Risiken wur­den stoff­spez­i­fis­che Luft­gren­zw­erte abgeleit­et, die als Akzep­tanzkonzen­tra­tion (AK) oder Tol­er­anzkonzen­tra­tion (TK) beze­ich­net wer­den. Das Unter­schre­it­en der Akzep­tanzkonzen­tra­tion wird mit einem niedri­gen, hin­nehm­baren Risiko assozi­iert. In diesem Fall ist nur auf die Ein­hal­tung der in der TRGS 910 beschriebe­nen Grund­maß­nah­men zu achten.

Beim Über­schre­it­en der Akzep­tanzkonzen­tra­tion und gle­ichzeit­igem Unter­schre­it­en der Tol­er­anzkonzen­tra­tion befind­et man sich im Bere­ich des mit­tleren Risikos („gelb“), beim Über­schre­it­en der Tol­er­anzkonzen­tra­tion im Bere­ich hohen Risikos („rot“). Im gel­ben und roten Bere­ich sind jew­eils zusät­zliche Schutz­maß­nah­men zu tre­f­fen, die über die Grund­maß­nah­men hin­aus­ge­hen. Am Arbeit­splatz ist eine Unter­schre­itung der Akzep­tanzkonzen­tra­tion anzustreben.

Bezüglich kreb­serzeu­gen­der Met­alle wurde die Tech­nis­che Regel TRGS 561 „Tätigkeit­en mit kreb­serzeu­gen­den Met­allen und ihren Verbindun­gen“ veröf­fentlicht. Der Gel­tungs­bere­ich umfasst Tätigkeit­en mit Expo­si­tio­nen gegenüber kreb­serzeu­gen­den Met­allen und ihren anor­gan­is­chen Verbindun­gen der Kat­e­gorie 1A oder 1B mit einem Arbeit­splatz­gren­zw­ert, ein­er Expo­si­tions-Risiko-Beziehung oder einem risikobasierten Beurteilungs­maßstab. Da die betr­e­f­fend­en Luft­gren­zw­erte teil­weise sehr niedrig sind, hil­ft die TRGS 561 in Verbindung mit den Branchen­regeln der DGUV den betrof­fe­nen Betrieben, die Luft­gren­zw­erte einzuhal­ten. In der TRGS 561 find­en sich Hil­festel­lun­gen und Schutz­maß­nah­men zur Expositionsminderung.

Zusätzliche Schutzmaßnahmen

Für kreb­serzeu­gende Gefahrstoffe gilt – wie für alle Gefahrstoffe –, dass die Schutz­maß­nah­men hier­ar­chisch nach dem STOP-Prinzip getrof­fen wer­den müssen. Als Erstes muss dem­nach geprüft wer­den, ob der Stoff durch einen unge­fährlicheren Stoff erset­zt – sub­sti­tu­iert – wer­den kann (siehe TRGS 600 Sub­sti­tu­tion). Im Anschluss fol­gen Tech­nis­che Schutz­maß­nah­men, Organ­isatorische Schutz­maß­nah­men und nachrangig die Per­sön­lichen Schutzmaßnahmen.

Neben diesen üblichen für Gefahrstoffe zu tre­f­fend­en Schutz­maß­nah­men gibt es für kreb­serzeu­gende Stoffe der Kat­e­gorien 1A und 1B zusät­zliche Schutzmaßnahmen:

  1. Beurteilung der Expo­si­tion der Beschäftigten durch Arbeit­splatzmes­sun­gen oder durch andere geeignete Ermit­tlungsmeth­o­d­en. Die Möglichkeit zur erhöht­en Expo­si­tion infolge eines unvorherse­hbaren Ereigniss­es oder eines Unfalls soll eben­falls in der Gefährdungs­beurteilung berück­sichtigt werden.
  2. Abgren­zung von Gefahren­bere­ichen, in denen Beschäftigte diesen Gefahrstof­fen aus­ge­set­zt sind oder aus­ge­set­zt sein kön­nen. Anbringung von Warn- und Sicher­heit­sze­ichen, ein­schließlich des Ver­bot­sze­ichens „Zutritt für Unbefugte verboten“.
  3. Bei Tätigkeit­en, bei denen eine erhöhte Expo­si­tion der Beschäftigten zu erwarten ist und bei denen jede Möglichkeit weit­er­er tech­nis­ch­er Schutz­maß­nah­men zur Begren­zung dieser Expo­si­tion bere­its aus­geschöpft wurde, hat der Arbeit­ge­ber Maß­nah­men zu ergreifen, um die Dauer der Expo­si­tion der Beschäftigten so weit wie möglich zu verkürzen. Er hat den betr­e­f­fend­en Beschäftigten Per­sön­liche Schutzaus­rüs­tung zur Ver­fü­gung zu stellen, die sie während der gesamten Dauer der erhöht­en Expo­si­tion tra­gen müssen.
  4. Abge­saugte Luft darf nicht in den Arbeits­bere­ich zurück­ge­führt wer­den. Dies gilt nicht, wenn die Luft unter Anwen­dung von behördlich oder von den Trägern der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung anerkan­nten Ver­fahren oder Geräten aus­re­ichend von solchen Stof­fen gere­inigt ist.
  5. Die kanze­ro­ge­nen Gefahrstoffe müssen unter Ver­schluss oder so gelagert wer­den, dass nur fachkundi­ge und zuver­läs­sige Per­so­n­en Zugang dazu haben. Tätigkeit­en mit diesen Stof­fen dür­fen nur von fachkundi­gen oder beson­ders unter­wiese­nen Per­so­n­en aus­ge­führt werden.
  6. Es muss ein Verze­ich­nis über die Beschäftigten geführt wer­den, die Tätigkeit­en mit kreb­serzeu­gen­den Gefahrstof­fen der Kat­e­gorie 1A oder 1B ausüben. Darin sind auch die Höhe und die Dauer der Expo­si­tion anzugeben, der die Beschäftigten aus­ge­set­zt sind. Dieses Verze­ich­nis muss bis 40 Jahre nach Ende der Expo­si­tion auf­be­wahrt wer­den. Bei Beendi­gung von Beschäf­ti­gungsver­hält­nis­sen hat der Arbeit­ge­ber den Beschäftigten einen Auszug über die sie betr­e­f­fend­en Angaben des Verze­ich­niss­es auszuhändi­gen und einen Nach­weis hierüber wie Per­son­alun­ter­la­gen aufzube­wahren. Mit Ein­willi­gung des betrof­fe­nen Beschäftigten kann die Auf­be­wahrungs- und die Aushändi­gungspflicht auf den zuständi­gen geset­zlichen Unfal­lver­sicherungsträger über­tra­gen wer­den. Hier­für wurde die Zen­trale Expo­si­tions­daten­bank ZED eingerichtet.
  7. Bei Tätigkeit­en mit kreb­serzeu­gen­den Gefahrstof­fen (siehe „Verord­nung über die Arbeitsmedi­zinis­che Vor­sorge Anhang Teil 1 (1)) und immer, wenn eine wieder­holte Expo­si­tion nicht aus­geschlossen wer­den kann, muss eine Arbeitsmedi­zinis­che Pflichtvor­sorge organ­isiert wer­den. In allen anderen Fällen ist Ange­botsvor­sorge zu ver­an­lassen. Aus­nah­men sind in der Arbeitsmedi­zinis­chen Regel AMR 11.1 beschrieben. Eine nachge­hende Vor­sorge muss zusät­zlich organ­isiert wer­den. Sie wird erst nach dem Ende des Beschäf­ti­gungsver­hält­niss­es und ein­er vor­ange­gan­genen Tätigkeit mit Expo­si­tion gegenüber kreb­serzeu­gen­den Stof­fen und Gemis­chen der Kat­e­gorie 1A oder 1B ange­boten. Unter gewis­sen Umstän­den kann die Organ­i­sa­tion der nachge­hen­den Vor­sor­gen an den Infor­ma­tions­di­enst für nachge­hende Unter­suchun­gen (ODIN) über­tra­gen werden.

Diese Schutz­maß­nah­men und die weit­eren zu tre­f­fend­en Schutz­maß­nah­men müssen im Rah­men der Gefährdungs­beurteilung unter anderem geplant, durchge­führt, ihre Wirk­samkeit über­prüft, doku­men­tiert und fort­geschrieben werden.


Weitere Informationen zu Gefahrstoffen:


Die gesund­heitlichen Auswirkun­gen kreb­serzeu­gen­der Gefahrstoffe sind nicht unmit­tel­bar sicht- oder spür­bar. Es ist daher sehr wichtig, dass geeignete Schutz­maß­nah­men noch vor Auf­nahme der Tätigkeit angewen­det wer­den, um eine Ein­wirkung zu verhindern.


Foto: BGHM

Autor:
Dr. Carsten Schleh

Fachref­er­ent im Sachge­bi­et Gefahrstoffe und Biostoffe; Abteilung: Gesundheit,
Beruf­sgenossen­schaft Holz und Metall

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