Führungskräfte geben in ihren Teams die Richtung vor und zeigen den Beschäftigten, was zu tun ist und was sie erwarten. Das kommunizieren sie in Teambesprechungen, Schichtübergaben, persönlichen Gesprächen und über ihr eigenes Verhalten. Geht es dabei nur um Produktionszahlen, Lieferengpässe und Qualitätsprobleme oder kommt auch Arbeitsschutz vor? Und wenn ja – wie kommt er vor? Gibt es nur die Unfallmeldungen und wenn nichts passiert ist, wird dann zum nächsten Thema übergegangen? Häufig existiert kein Verständnis darüber, was man noch sagen könnte oder sollte.
Erwartungen klar kommunizieren
Wenn Arbeitsschutz nicht oder nur wenig thematisiert wird, lässt dies viel Spielraum für eigene Interpretationen. Wenn beispielsweise gefordert wird, dass eine Lieferung dringend raus muss: Welche Nachricht nehmen die Beschäftigten wahr, während sie den Druck spüren und das Ziel erreichen wollen? „Raus um jeden Preis“? Gehen sie Kompromisse ein, die aus Arbeitsschutz-Sicht nicht in Ordnung sind? Oder nehmen sie sich die Zeit, den sicheren Weg zu gehen?
Wenn eine Führungskraft möchte, dass Mitarbeitende in dieser Situation den sicheren Weg wählen, muss sie das klar kommunizieren. Je öfter, desto besser – bis es sicher in den Köpfen der Mitarbeitenden verankert ist. Idealerweise nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern einem Hinweis auf Augenhöhe. Wenn Mitarbeitende nicht sicher sind, ob die Führungskraft eine Verzögerung akzeptieren würde und sie im Zweifel Ärger bekommen, dass sie es nicht schnell genug geschafft haben, werden sie wahrscheinlich den schnelleren, riskanteren Weg wählen.
Wichtig: regelmäßige Botschaften
Um mehr Fokus auf Arbeitssicherheit zu lenken, hilft es, sich in allen Regelmeetings, in denen die wichtigen Dinge des täglichen Arbeitens besprochen werden, auch über Arbeitssicherheit zu unterhalten – weil es zum täglichen Job selbstverständlich dazu gehört. Damit sind auch die größeren Versammlungen, offiziellen Anlässe und Entscheidungsgremien gemeint, in denen die oberste Führungsetage über Ziele, Erfolge und Herausforderungen des Unternehmens spricht. Hier wird die Richtung vorgegeben.
Hat Arbeitsschutz TOP-Priorität?
In fast allen Firmen gibt es Werte und Leitbilder, die in irgendeiner Form versprechen, dass Arbeitssicherheit eine hohe Priorität hat. Meist die TOP-Priorität. Nun ist es von entscheidender Bedeutung, ob dies auch so gemeint ist und sich in den einzelnen kleinen Entscheidungen, wie oben beschrieben, widerspiegelt. Hat sicheres Arbeiten auch noch bei Zeitdruck und Kundenbeschwerden Priorität?
Integrität gehört zu den wichtigsten Führungsstärken, die es hier braucht. Das schafft Vertrauen und Erfolg auch in anderen Bereichen. Wenn darüber gesprochen wird, dass Arbeitsschutz im Unternehmen TOP-Priorität hat: Glauben die Mitarbeitenden das oder rollen sie mit den Augen?
Ziele richtig formulieren
Wenn Arbeitsschutz eine hohe Priorität hat oder haben soll, wird häufig das Ziel null Unfälle proklamiert. Es kommt sehr darauf an, wie dieses Ziel kommuniziert wird. Wenn eine obere Führungskraft nachdrücklich dominant fordert, dass es in der Firma keine Arbeitsunfälle mehr gibt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass diese eher nicht mehr gemeldet werden. Die Angst und der Druck steigen. Bewirken wird diese Forderung eher das Gegenteil. Mit weniger Meldungen können auch weniger Gefahrstellen beseitigt werden. Es wird Vertrauen benötigt, um Fehler, Risiken und unsichere Situationen melden und beseitigen zu können.
Eine ähnliche negative Wirkung beobachtet man bei den lange Zeit beliebten Unfallfrei-Tafeln am Werkseingang. Natürlich transportieren sie eine positive Botschaft, wie lange bereits unfallfrei gearbeitet wurde. Allerdings wird es für denjenigen, der dafür verantwortlich ist, dass die Zahl wieder auf 0 zurückgestellt wird, ungemütlich.
Keiner will mit einem verursachten Unfall zum Gesprächsthema werden und im Zweifel dafür verantwortlich sein, dass eine versprochene Belohnungsfeier für, beispielsweise, 1000 Tage unfallfrei ausfällt. So bewirkt die Tafel auch, dass sozialer Druck steigt und kritische Situationen eher nicht gemeldet werden. Die Botschaft, es gut und vieles richtig zu machen im Arbeitsschutz, kann man besser anders rüberbringen.
Führung und Präventionskultur: Auswirkungen verschiedener Führungsstile
Präventionskennzahlen verkünden
Manager führen und sprechen gerne über Kennzahlen. Die Anzahl der Arbeitsunfälle ist eine passende Größe dafür, die man kommunizieren kann – allerdings nicht allein. Wenn ein Unfall passiert und damit die Statistik schlecht ist, heißt das nicht, dass alle Bemühungen im Arbeitsschutz gescheitert sind.
Es gibt leider keine allgemein passenden und überzeugenden Präventionskennzahlen. Unfälle, die nicht passiert sind, kann man nicht messen. Viele Firmen haben sich eigene Präventionskennzahlen gegeben, die helfen, über Präventionsaktivitäten und ‑erfolge zu sprechen.
Arbeitsschutz-Gesprächsthemen
Unabhängig von Kennzahlen geht es darum, zu zeigen, dass der Arbeitsschutz wichtig ist. Je authentischer das gelingt, desto besser. Um ihn in den Fokus zu bringen, kann man etwa sprechen über:
- eigene Beobachtungen: Wenn Führungskräfte mit offenen Augen durch die Fertigung gehen, werden ihnen Dinge auffallen, die sie anerkennen oder anprangern können. Diese Dinge anzusprechen hilft, sie in den Fokus zu nehmen und ihre Wichtigkeit zu verdeutlichen, zum Beispiel zur Nutzung von persönlicher Schutzausrüstung, Schutzeinrichtungen, Stolperfallen, und so weiter. Wenn Mängel am nächsten Tag abgestellt sind, ist das einen Dank wert. Wenn Mitarbeitende richtige Entscheidungen getroffen, etwa im obigen Beispiel den sicheren Weg gewählt haben, auch wenn die Zeit knapp war, können Führungskräfte dies würdigen.
- umgesetzte Maßnahmen: Wenn aufgrund der Gefährdungsbeurteilung oder anderer Hinweise Arbeitsbedingungen verbessert wurden, kann man das für alle sichtbar würdigen. Damit sendet man die Botschaft: „Ihr Mitarbeitende seid und die Arbeitsbedingungen sind uns wichtig, wir kümmern uns darum. Wenn euch auch etwas einfällt, gern her damit.“
- gemeldete Gefahrstellen/Beinaheunfälle: Wenn Beschäftigte Gefahrstellen melden, sollte man Dankbarkeit und Wertschätzung für die aufmerksame Beobachtung zeigen. Das spornt auch andere an, nach solchen Situationen Ausschau zu halten. Falls das Risiko nicht sofort behoben werden kann, hilft wenigstens der Hinweis auf das Risiko, zu sensibilisieren, dass nichts passiert, bis das Problem beseitigt ist.
- Investitionen: Mit Investitionen, die die Arbeitsbedingungen verbessern, reduziert man das Unfallrisiko. Dies ist eine positive Meldung für den Arbeitsschutz und zeigt den Mitarbeitenden, dass dem Unternehmen die Arbeitsbedingungen wichtig sind. Ständige Verbesserungen sind wichtig und wir kümmern uns um euch.
- abgelehnte Investitionen: Es kommt vor, dass nicht alle Wünsche sofort realisiert werden können. Dennoch ist es wichtig, auch darüber zu sprechen, warum eine gewisse Investition abgelehnt oder verschoben wurde und welche Ersatzmaßnahmen getätigt werden, um das dahinterstehende Risiko zu minimieren. Andernfalls beobachten die Mitarbeitenden nur, dass nichts passiert, wundern sich, und fühlen sich nicht gehört.
All das braucht kein formalisiertes Konzept, auf dem man hinterher unterschreiben muss, dass man die Maßnahmen tatsächlich durchgeführt hat. Es geht einfach darum, es zu tun – denn es hilft weiter. Wenn zum Arbeitsschutz innerhalb des Unternehmens Themen vor- und aufbereitet werden, wird es für die einzelnen Abteilungen einfacher, häufiger und attraktiver über Arbeitsschutz zu sprechen.
Kommunizieren per Storytelling
Das Konzept des Storytellings bietet für Kommunikation im Arbeitsschutz wertvolle Tipps. Arbeitsschutzbotschaften in Form von Geschichten zu erzählen, verbindet Fakten mit Emotionen und erhöht damit die Chance auf Umsetzung deutlich. Außerdem hören alle gern Geschichten und lassen sich lieber unterhalten als belehren.
Mit etwas Übung werden die Themen für eigene Erfahrungsgeschichten oder Anekdoten nicht ausgehen. Mit einem „Ich habe heute früh gehört, dass in einem Nachbarbetrieb XY passiert ist.“ hat man sicherlich alle Aufmerksamkeit bei sich. Die darauffolgende Frage „Könnte so etwas auch bei uns passieren?“ sorgt für hilfreiche Diskussionen über Verbesserungsmöglichkeiten und wiederum Aufmerksamkeit auf sicheres Arbeiten.
Ergänzend und für besonders wichtige Botschaften kann es wertvoll sein, einen kurzen Film zu produzieren oder eine Geschichte in Comic-Form zu kommunizieren. Damit erreicht man die Menschen anders. Auch Veröffentlichungen im Intranet oder der Mitarbeiterzeitung unterstützen den Fokus auf sicheres Arbeiten im Unternehmen.
Fazit
Im Arbeitsschutz passiert es schnell, dass man viel über negative Dinge spricht: über Arbeitsunfälle, Fehler, nicht getragene PSA, umgangene Schutzeinrichtungen. Es ist ein ständiges Ermahnen und Bemängeln. Den Fokus vermehrt auf positive Botschaften zu rücken hilft, Arbeitsschutz in ein positiveres Licht zu rücken, mehr darüber zu sprechen und somit mehr Unterstützung für Präventionsmaßnahmen zu erhalten.
Es soll kein Zweifel aufkommen, dass die Führung immer den sicheren Weg bevorzugt. Je facettenreicher man das immer wieder beleuchtet, desto eher prägt es sich in die Köpfe der Mitarbeitenden ein. Schließlich ist es das Ziel, dass Mitarbeitende in der entscheidenden Situation, in der sie zwischen einem kurzen, riskanten oder einem sicheren Weg wählen müssen, den sicheren Weg nehmen. Dafür müssen sie überzeugt sein, die Rückendeckung des Chefs zu haben, auch wenn der Auftrag damit länger dauern sollte.