Tabelle 1 listet Fälle auf, bei denen die Beteiligung von Lithiumbatterien, allein oder in Geräten, an (Brand-)Unfällen bei der Lagerung dokumentiert ist.
Die Schäden werden von den Schadenversicherern nur dann reguliert, wenn
- öffentlich-rechtliche und
- im Vertrag
vereinbarte Regelungen seitens des Versicherungsnehmers lückenlos eingehalten wurden. Deshalb sind Versicherungsnehmer naturgemäß sehr daran interessiert zu erfahren, was versicherungsgeberseitig von ihnen erwartet wird.
Sind Lithiumbatterien „Gefahrstoffe“?
Zum einen fallen Lithiumbatterien nicht in den Anwendungsbereich der CLP-Verordnung, und zwar
- weder formal: Lithiumbatterien sind Erzeugnisse, und keine Stoffe oder Gemische: Die CLP-Verordnung (und auch die REACH-Verordnung (Sicherheitsdatenblatt!)) gilt nicht für Erzeugnisse.
- noch materiell: Lithiumbatterien erfüllen nicht die chemisch-physikalischen, toxikologischen und ökotoxikologischen Kriterien der CLP-Verordnung: Man kann ihnen als Ganzes keinen H‑Satz zuordnen.
Zum anderen fallen Lithiumbatterien auch nicht unter den Begriff „Gefahrstoffe“ gemäß GefStoffV (Gefahrstoffverordnung); die Lagerung ist also auch nicht gemäß GefStoffV gefährdungsbeurteilungspflichtig, und auch die TRGSen (Technische Regeln für Gefahrstoffe), insbesondere die TRGS 510 „Lagerung“, sind nicht anwendbar. Ob die Lagerung von Lithiumbatterien ein „,Verwenden‘ von ‚Arbeitsmitteln‘ für die Arbeit“ ist und damit gemäß BetrSichV (Betriebssicherheitsverordnung) gefährdungsbeurteilungsbedürftig ist, ist umstritten.
Regelungslage bei der Lagerung von Lithiumbatterien
Für die Lagerung von Lithiumbatterien, die unbeschädigt und keine Abfälle sind, gab und gibt es also zurzeit keine verbindlichen öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Diese regulatorische Lücke füllen aus nachvollziehbarem Grund die Schadenversicherer aus.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat erstmals im Juni 2012 das Merkblatt „Lithium-Batterien“ (VdS 3103) vorgelegt. Um dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu genügen, wurden die Lithiumbatterien zunächst in drei Leistungskategorien eingeteilt (siehe Tabelle 2).
In der Anwendung hatte sich aber herausgestellt, dass die beiden Lagerkategorisierungskriterien „Gewicht“ und „Batteriespannung“ nicht mit den gefahrguttransportrechtlichen Einteilungskriterien korrespondierten und damit in der Lagerpraxis Probleme verursachten.
Deshalb wurde mit der Neufassung des Merkblatts VdS 3103 im Mai 2016 die Zuordnung zu den drei Leistungsstufen an die im Gefahrgutrecht übliche Einteilung angepasst. Diese neue Einteilung und die damit verbundenen Anforderungen an die Lagerung können den Tabellen 3 a und b entnommen werden. Die technischen und betrieblichen Anforderungen sind gegenüber der Fassung Juni 2012 unverändert geblieben. Zur Spalte (11) Sprinkleranlage wurden Anfang 2014 Brandversuche mit Lithiumionenbatterien „mittlerer“ Leistung durchgeführt. Es wurden:
- vier Paletten (0,80 x 1,20 m) mit je zwölf Kisten aus Pappe mit je acht Akkus (30–50 ICR18650-Zellen je Batterie), also 4 x 12 x 8 = 384 Akkus im Block gelagert; das Versuchslager verfügte über eine konventionelle Deckensprinkleranlage.
- 24 solcher Paletten im Regal gelagert; das Versuchslager verfügte über eine konventionelle Regalsprinkleranlage.
Erkenntnis: Die Sprinkleranlage kontrolliert den Brand; sie ist ein geeignetes Mittel, um den Brand einzudämmen. Auf keinen Fall verschlimmert eine Sprinkleranlage die Situation; damit sind Angaben in Sicherheitsdatenblättern oder Produktdatenblättern wie „Wasser ist als Löschmittel nicht geeignet“ unzutreffend. Der GDV möchte das Ergebnis allerdings nicht verallgemeinern, da andere Konstellationen (andere Batteriearten wie Lithiummetallbatterien, Batterietypen, Verpackungsmaterialien) nicht Gegenstand des Versuchs waren. Seit Juni 2019 ergänzt das Merkblatt 3856 „Sprinklerschutz von Lithium-(Ionen)Batterien“ des VdS das Merkblatt 3103.
Lithiumbatterien müssen als Erzeugnisse nicht einer Wassergefährdungsklasse zugeordnet werden; das bedeutet, dass das aus Lithiumbatteriebränden resultierende Löschwasser nicht zurückgehalten werden können muss, da AwSV (Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen) und LöRüRL (Löschwasser-Rückhalte-Richtlinie) nicht gelten.
Das Merkblatt VdS 3103 gilt allerdings ausdrücklich nicht für die Lagerung
- von Batterien in Geräten (UN 3091 beziehungsweise UN 3481) und Fahrzeugen (UN 3171); hierfür gilt VdS CEA 4001
- ungeprüfter Prototypen
- beschädigter oder defekter Lithiumbatterien beziehungsweise von Geräten mit beschädigten oder defekten Lithiumbatterien; diese sind in einem brandschutztechnisch abgetrennten Bereich, der nicht weiter spezifiziert ist, zu separieren und so schnell wie möglich zu entsorgen.
Das neue Merkblatt VdS 3856 gilt
- nicht für Lithiummetallbatterien (allein oder in Geräten = UN 3090 und 3091)
- auch für Lithiumionenbatterien in Geräten (= UN 3481).
Tab. 3a: Für Lithiumbatterien in Geräten (UN 3091 bzw. UN 3481) beziehungsweise in Fahrzeugen (UN 3171) gilt VdS CEA 4001; 1) zusammenhängend; 2) belegt mit UN 3090 bzw. UN 3480; 3) alternativ: Abstand von 5 m zu brennbaren Materialien; 4) gemäß VdS 3856, Einzelheiten hierzu siehe Tab. 3b.
Tab. 3b: Checkliste Lagerung von Lithium(metall/ionen)batterien in Räumen
Empfehlung des US-amerikanischen Schadenversicherers FM Global
Der US-amerikanische Schadenversicherer FM Global empfiehlt generell Folgendes: Lagerung von
- Zellen: gemäß FM Global Datasheet 7–29 (für brennbare Flüssigkeiten), Schema A; das bedeutet für eine Regalanlage:
- Deckensprinkler
- Regalsprinkler: in jeder zweiten Ebene, jeder Palettenstellplatz;
- Elektrowerkzeug-Batteriesätzen: gemäß den Empfehlungen für in Kartons verpackte ungeschäumte Kunststoffe
Sonderfall „Zwischenlagerung von Abfall-Lithiumbatterien“
Abfall-Lithiumbatterien sind im Lagerabschnitt1 II des Lagerbereichs2 von Zwischenlagern3 zu lagern.4 Der Lagerabschnitt II soll nicht an den Lagerabschnitt III (für brennbare Abfälle wie Lösemittel) angrenzen. 5
Sonderfall Lagerung von Elektroaltgeräten mit Lithiumbatterien im Einzelandel
Das Thema „Lagerung von Elektroaltgeräten mit Lithiumbatterien beziehungsweise von Abfall-Lithiumbatterien“ gewinnt durch die Neufassung des ElektroG 2015 an Bedeutung. Seit dem 24. Juli 20166 müssen
- stationäre Einzelhändler mit Verkaufsflächen und
- Onlinehändler mit Lager- und Versandflächen
von jeweils mehr als 400 m² für Elektro- und Elektronikgeräte Altgeräte, auch solche mit Lithiumbatterien, zurücknehmen7; sie haben der zuständigen Behörde die eingerichteten Rücknahmestellen vor Aufnahme der Rücknahmetätigkeit anzuzeigen8; die Nichtrücknahme ist eine Ordnungswidrigkeit9, die mit einem Bußgeld von bis zu 100.000 Euro geahndet werden kann.10
Verkaufsstätten mit Verkaufsräumen mit einer Fläche von mehr als 2.000 m² müssen für Abfälle besondere Räume haben, die mindestens den Abfall von zwei Tagen aufnehmen können; die Räume müssen feuerbeständige Wände und Decken („F90“) sowie mindestens feuerhemmende Türen („T30“)11 haben; hier gehen die Anforderungen der Verkaufsstättenverordnung über die Anforderungen aus VdS 3103 weit hinaus.
1 Vgl. Nr. 2.9 der TRGS 520.
2 Vgl. Nr. 2.7 (2) Ziffer 3 der TRGS 520.
3 Vgl. Nr. 2.7 der TRGS 520.
4 Vgl. Nr. 6.3.4 (6) Satz 1 Ziffer 2 der TRGS 520.
5 Vgl. Nr. 6.3.4 (9) der TRGS 520.
6 Vgl. § 46 (7) Satz 2 des ElektroG.
7 Vgl. § 17 (1) und (2) des ElektroG.
8 Vgl. § 25 (3) Satz 1 des ElektroG.
9 Vgl. § 45 (1) Nr. 13a des ElektroG.
10 Vgl. § 45 (2) des ElektroG.
11 Vgl. § 23 der VkVO.
Autor: Prof. Dr. Norbert Müller
Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für
Gefahrguttransport und ‑lagerung, Duisburg