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Psychoterror am Arbeitsplatz

Ausgrenzung und die Folgen
Mobbing – Psychoterror am Arbeitsplatz

Kerstin Hillbrink
Wo Men­schen zusam­me­nar­beit­en, kommt es zu Kon­flik­ten. Das ist nor­mal. Mob­bing ist jedoch mehr. Es ist Psy­choter­ror am Arbeit­splatz – mit fatal­en Fol­gen für Betrof­fene und das gesamte Betrieb­skli­ma. Unternehmen und Führungskräfte ste­hen in der Ver­ant­wor­tung, solchen Fehlen­twick­lun­gen aktiv vorzubeugen.

Wer Mob­bing und Psy­choter­ror am Arbeit­splatz ver­hin­dern will, muss auf mehreren Ebe­nen anset­zen. Davon ist Ker­stin Hill­brink, Diplom-Psy­cholo­gin und Bera­terin Gesund­heits­man­age­ment bei B·A·D, überzeugt. So spielt auch bei der Analyse der Gefährdungs­beurteilung psy­chis­ch­er Belas­tun­gen (GB Psych) die Frage nach der Arbeit­sat­mo­sphäre, nach Kon­flik­ten und erlebter Unter­stützung durch Kol­legin­nen und Kol­le­gen eine wichtige Rolle.

Was ist Mobbing?

Klären wir zunächst die Begriffe: Wenn wir über Mob­bing reden, dann reden wir davon, dass eine Per­son über einen län­geren Zeitraum schikaniert, drangsaliert und benachteiligt wird – oft von mehreren Kol­legin­nen und Kol­le­gen. Ist der Chef die mobbende Per­son, beze­ich­nen wir dies als Boss­ing. Ziel von Mob­bing ist die Aus­gren­zung und Zer­mür­bung ein­er Per­son – meist um sie loszuw­er­den und zur Kündi­gung zu bewe­gen. Bei einem Kon­flikt fehlt zunächst diese Absicht. Da sind vielle­icht zwei Per­so­n­en unter­schiedlich­er Mei­n­ung zu wichti­gen The­men und find­en keine Lösung, sie stre­it­en und polar­isieren. Erst wenn der Kon­flikt sich ver­härtet, Lösun­gen gar nicht mehr angestrebt, Ver­bün­dete ins Boot geholt wer­den und das Ziel nur noch die Schädi­gung der anderen Per­son ist, sind wir auf der Mob­bing-Ebene gelandet.

Folgen von Mobbing

Nahezu alle Men­schen, die auf­grund von Mob­bing-Erfahrun­gen am Arbeit­splatz zu mir in die Beratung kom­men, haben gesund­heitliche Prob­leme. Viele sind zum Zeit­punkt der Beratung arbeit­sun­fähig gemeldet, häu­fig schon über einen lan­gen Zeitraum. Schlaf­störun­gen, Äng­ste, Ner­vosität, Konzen­tra­tionss­chwäche, Kopf- und Magen­schmerzen sind nur einige Reak­tio­nen des Kör­pers auf die Schika­nen am Arbeitsplatz.

Langfristig kön­nen Depres­sio­nen und eine erhöhte Suizidge­fahr auftreten. Die Kosten für das Unternehmen durch Min­der­leis­tun­gen, Fehlzeit­en und Fluk­tu­a­tion sind immens. Mob­bing kostet deutsche Unternehmen jährlich Milliarden.

Mobbing-Tagebuch

In der psy­cho-sozialen Beratung kön­nen wir dann nur noch ver­suchen, die Betrof­fe­nen zu sta­bil­isieren und sie wieder in die Hand­lungs­fähigkeit zu brin­gen. Kaum etwas lässt sich schw­er­er ertra­gen als das Gefühl von Ohn­macht und Aus­geliefert­sein. Wenn klar ist, dass man der Mob­bing-Sit­u­a­tion weit­er­hin aus­geliefert sein wird, empfehlen wir, ein Tage­buch zu führen. Darin sollte alles, was an unfairem Ver­hal­ten durch Kol­legin­nen und Kol­le­gen oder Vorge­set­zte erlebt wurde, ganz konkret und detail­liert doku­men­tiert wer­den, mit Datum und Uhrzeit. Das ist bei ein­er eventuellen juris­tis­chen Auseinan­der­set­zung wichtig.

Im Beratungs­set­ting nutzen wir diese Aufze­ich­nun­gen, um sub­jek­tive Wahrnehmungen auf Real­ität zu über­prüfen. Wir reflek­tieren zum Beispiel, ob andere Reak­tio­nen möglich gewe­sen wären. „Jet­zt, im Nach­hinein betra­chtet, hät­ten Sie in der Sit­u­a­tion anders reagieren wollen? Was war gut? Wür­den Sie sich wün­schen, das näch­ste Mal etwas anders zu machen?” Das stoppt zwar nicht das Mob­binggeschehen, ist aber zur psy­chis­chen Sta­bil­isierung wichtig.

Prävention durch Kulturwandel

Unternehmen kön­nen präven­tiv einige wirkungsvolle Maß­nah­men gegen Mob­bing tre­f­fen. Ins­beson­dere Arbeit­splatzsicher­heit, die gelebte Fehler- und Kon­flik­tkul­tur und natür­lich das Führungskräftev­er­hal­ten bee­in­flussen stark, ob das Phänomen Mob­bing in der Organ­i­sa­tion Raum find­et. Manch­mal ist hier ein regel­rechter Kul­tur­wan­del notwendig. Wie bei einem von mir betreuten IT-Unternehmen: Dort hat­te es einen Wech­sel in der Geschäfts­führung gegeben.

Die neue Leitung war sich der betrieb­swirtschaftlichen Auswirkun­gen eines schlecht­en Arbeit­skli­mas aus Erfahrung bewusst und ist das The­ma ange­gan­gen. Zunächst wurde gemein­sam mit der Mitar­beit­er­vertre­tung eine Betrieb­svere­in­barung geschlossen: „Zur Abwehr von Mob­bing, Diskri­m­inierung und sex­ueller Beläs­ti­gung sowie zur Förderung part­ner­schaftlichen Ver­hal­tens am Arbeit­splatz“. Zugegeben eine etwas sper­rige Beze­ich­nung, aber das angestrebte Ziel sowie der Stand­punkt des Man­age­ments zu dem The­ma wer­den klar.

Erfolgsfaktor Konfliktmanagement

In der Betrieb­svere­in­barung wurde auch die Bere­it­stel­lung ein­er exter­nen Kon­flik­t­beauf­tragten vere­in­bart. Sowohl Mitar­bei­t­erin­nen und Mitar­beit­er als auch Führungskräfte haben damit die Möglichkeit, sich im Bedarfs­fall anonym berat­en zu lassen und mögliche weit­ere Schritte abzus­prechen. Auf Wun­sch der Beteiligten kön­nen pro­fes­sionelle Medi­a­tio­nen durch die Kon­flik­t­beauf­tragte durchge­führt wer­den. Ein durch­dacht­es Kon­flik­t­man­age­ment ist fun­da­men­tal wichtig, da sys­tem­a­tis­ches Mob­bing fast immer aus ver­härteten Kon­flik­ten entste­ht. Kön­nen diese früh genug durch Medi­a­tion oder Kon­flik­t­ber­atung gelöst wer­den, kann das viel Unheil ver­hin­dern. Ein Kul­tur­wan­del ist gelun­gen, wenn Kon­flik­te als etwas Hor­i­zon­ter­weit­ern­des mit viel Lern­poten­zial gese­hen, genutzt und wert­geschätzt werden.

Führungskräfte in der Verantwortung

Wie bei so vie­len The­men, haben Führungskräfte auch beim The­ma Mob­bing eine Schlüs­sel­funk­tion. Bei nahezu allen Mob­bing-Fällen, die mir bekan­nt sind, ist davon auszuge­hen, dass die Team-Kol­legin­nen und Kol­le­gen sowie Führungskräfte, die nicht aktiv am Geschehen beteiligt sind, wegschauen oder zumin­d­est nicht so genau hin­schauen. Das ent­bindet sie aber nicht von der Ver­ant­wor­tung. Denn durch das Ignori­eren und Tolerieren wird die Schikane erst möglich.

Das heißt für Unternehmen, die die The­men Mob­bing und Kon­flik­te ange­hen wollen, dass sie ihre Führungskräfte und diese ihre Mitar­bei­t­en­den mit­nehmen müssen.

Bei dem oben genan­nten IT-Unternehmen wur­den die Leitungskräfte auf Basis der Betrieb­svere­in­barung geschult und so mit ins Boot geholt. Ziel der dreistündi­gen Webina­re war es, die Führungskräfte für das The­ma zu sen­si­bil­isieren und sie in die Lage zu ver­set­zen, schnell einzu­greifen und sich klar zu posi­tion­ieren, wenn mob­bing­typ­is­che Sit­u­a­tio­nen auftreten. Beschäftigte, die sich gemobbt fühlen, sollen Unter­stützung find­en – intern und extern. Dem Team beziehungsweise dem Verur­sach­er soll klar sig­nal­isiert wer­den, dass ein der­ar­tiges Ver­hal­ten uner­wün­scht ist.

Die Vor­bild­funk­tion der Führungskräfte spielt eben­falls eine große Rolle. Wird wertschätzen­des und respek­tvolles Ver­hal­ten von oben vorgelebt, sind das die besten Voraus­set­zun­gen für ein förder­lich­es Betriebsklima.

Psychische Belastungen im Fokus

Auch die Gefährdungs­beurteilung psy­chis­ch­er Belas­tun­gen wurde in dem oben genan­nten IT-Unternehmen noch ein­mal ern­sthafter umge­set­zt. Warum? Weil zu viel Leis­tungs­druck, Stress und psy­chis­che Belas­tun­gen zu Äng­sten, Reizbarkeit und ver­stärk­tem Konkur­ren­z­denken führen. Men­schen fühlen sich bei Dauer­stress schneller bedro­ht und reagieren eher im „Kampf­modus“. Umgekehrt erhöhen Kon­flik­te am Arbeit­splatz die psy­chis­chen Belas­tun­gen deut­lich. Wer weniger Kon­flik­te, Mob­bing und unfaires Ver­hal­ten im Unternehmen haben will, kommt nicht darum herum, sich die psy­chis­chen Belas­tun­gen anzuschauen und nach sin­nvollen Maß­nah­men zur Reduzierung zu suchen. Natür­lich darf und soll es auch weit­er­hin Konkur­renz und Wet­tkampf geben – aber trans­par­ent und fair auf allen Seit­en. Und das gelingt halt am besten aus ein­er (Arbeit­splatz-) sicheren Posi­tion heraus.

Mobbing ist Chefsache

Wenn es erst ein­mal zum sys­tem­a­tis­chen Mob­bing ein­er Per­son gekom­men ist, ist eine kon­struk­tive Zusam­me­nar­beit in der Regel nicht mehr möglich. Die meis­ten Betrof­fe­nen erkranken früher oder später und ver­lassen den Arbeit­ge­ber, oder zumin­d­est das Team. Daran kann auch die beste psy­chol­o­gis­che Beratung nichts ändern.

Mein Appell geht daher ganz deut­lich in Rich­tung Präven­tion. Eine klare, für alle spür­bare Hal­tung der Geschäfts­führung gegen Mob­bing und unfaires Ver­hal­ten am Arbeit­splatz ist das effek­tivste Mit­tel und wird sich pos­i­tiv auf das Ver­hal­ten der Beschäftigten auswirken. Für ein gesun­des Miteinan­der, zum Schutz der Mitar­bei­t­erin­nen und Mitar­beit­er und für eine erfol­gre­iche Zusam­me­nar­beit – eine echte Win-Win-Sit­u­a­tion für alle.


Kerstin Hillbrink
Ker­stin Hill­brink; Foto: © B·A·D GmbH

Autorin: 
Ker­stin Hillbrink
Diplom-Psy­cholo­gin und Bera­terin Gesund­heits­man­age­ment bei B·A·D

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