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Novelle

Gefahrstoffverordnung 2016
Novelle

Novelle
Foto: © guy/Fotolia
Es erin­nert irgend­wie an die erste Hälfte der „Nuller­jahre“ dieses Jahrhun­derts: Auch damals wartete die Fach­welt jahre­lang auf die angekündigte Neu­fas­sung der Gefahrstof­fverord­nung. Das Arbeitsmin­is­teri­um hat­te die Idee eines „Ampelmod­ells“ in die Welt geset­zt, es gab jedoch viele Wider­stände und teil­weise auch Unver­ständ­nis für die Vorstel­lun­gen aus dem Ministerium.

Dr. Ulrich Welzbacher

Dies führte damals dazu, dass sich die Ver­ab­schiedung der Verord­nung immer wieder verzögerte, bis schließlich 2005 endlich eine Neu­fas­sung ver­ab­schiedet wer­den kon­nte. Auch jet­zt sollte die Neu­fas­sung der Verord­nung eigentlich spätestens bis zum 31. Mai 2015 in Kraft treten kön­nen, da zu diesem Ter­min die CLP-Verord­nung voll­ständig in Kraft getreten ist und die alten Bezüge auf das frühere EG-Recht in der Gefahrstof­fverord­nung ein­fach nicht mehr „passten“.

Das damals disku­tierte Ampelmod­ell kon­nte auch 2016 noch nicht umge­set­zt wer­den. Dies lag dies­mal jedoch weniger daran, dass dieses Mod­ell mit Akzep­tanz- und Tol­er­anzw­erten nach TRGS 910 heute inhaltlich umstrit­ten gewe­sen wäre, son­dern dass dieses risikobe­zo­gene Maß­nah­menkonzept für Tätigkeit­en mit kreb­serzeu­gen­den Gefahrstof­fen mit ein­er Neu­fas­sung der Vorschriften über die Tätigkeit­en mit Asbest verknüpft wer­den sollte.

Und hier lag dann der Hase im Pfeffer.

Die Vorgeschichte

Mitte dieses Jahrzehnts war den Akteuren näm­lich ins Bewusst­sein getreten, dass Asbest in viel mehr Bere­ichen – ins­beson­dere in der Bauwirtschaft – eine Rolle spielt als bish­er angenommen:

So war Asbest in vie­len Baupro­duk­ten enthal­ten, an die zuvor nie­mand gedacht hat­te und für die das in der Öffentlichkeit auch kaum bekan­nt war, wie etwa in Putzen und Spachtel­massen für den Innen- und Außenbereich.

Dies bedeutet, dass weitaus mehr Beschäftigte der Bauwirtschaft bei ihren Tätigkeit­en gegenüber Asbest exponiert waren – und bei Ren­ovierungsar­beit­en auch heute noch sind –, ohne dass dies bish­er prob­lema­tisiert wurde, etwa

  • Maler und Anstre­ich­er bei der Grundierung und beim Glät­ten von Ober­flächen vor einem neuen Anstrich oder vor dem Tapezieren oder
  • Elek­trik­er beim Stem­men von Schlitzen für die Ver­legung neuer Elek­tro- oder Kommunikationsleitungen.

Hinzu kommt, dass diese Tätigkeit­en eigentlich nach Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Zif­fer 2 der Verord­nung ver­boten sind:

„(1) Arbeit­en an asbesthalti­gen Teilen von Gebäu­den, Geräten, Maschi­nen, Anla­gen, Fahrzeu­gen und son­sti­gen Erzeug­nis­sen sind ver­boten. Satz 1 gilt nicht für

1. Abbruchar­beit­en,

2. Sanierungs- und Instand­hal­tungsar­beit­en mit Aus­nahme von Arbeit­en, die zu einem Abtrag der Ober­fläche von Asbest­pro­duk­ten führen, es sei denn, es han­delt sich um emis­sion­sarme Ver­fahren, die behördlich oder von den Trägern der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung anerkan­nt sind. Zu den Ver­fahren, die zum ver­bote­nen Abtrag von asbesthalti­gen Ober­flächen führen, zählen ins­beson­dere Abschleifen, Druck­reini­gen, Abbürsten und Bohren,

3. …“

Da in diesem Bere­ich man­gels Prob­lem­be­wusst­sein bish­er keine emis­sion­sar­men Ver­fahren entwick­elt wur­den, greift hier eigentlich das oben genan­nte Ver­bot zum Beispiel für Maler, Anstre­ich­er und Elek­trik­er. Da man solche Arbeit­en natür­lich nicht ein­fach ver­bi­eten oder den Gebäudeeigen­tümern – in vie­len Fällen auch möglicher­weise wenig finanzkräfti­gen Pri­vateigen­tümern – aufgeben kann, die asbesthalti­gen Putze und so weit­er zu ent­fer­nen und zu entsor­gen, suchte man im Arbeitsmin­is­teri­um nach ein­er Lösung für dieses Prob­lem. Betrof­fen hier­von sind alle Gebäude, die vor dem Asbestver­bot in Deutsch­land (1993) errichtet wur­den. Nach aktuellen Erken­nt­nis­sen sind etwa 25 Prozent dieses Altbe­standes mit Asbest belastet.

Da der­ar­tige Regelun­gen – gle­ich wie sie gestal­tet wer­den – unter Umstän­den wegen möglicher­weise entste­hen­der zusät­zlich­er Kosten auf erhe­blichen Wider­stand der Betrof­fe­nen – ins­beson­dere auch der Gebäudeeigen­tümer, die diese Kosten tra­gen müssten – stoßen kön­nen, war man im Arbeitsmin­is­teri­um in höch­stem Maße sen­si­bil­isiert und vor dem Hin­ter­grund der (poli­tis­chen) Prob­leme mit der Arbeitsstät­ten­verord­nung und der Betrieb­ssicher­heitsverord­nung Anfang 2015 extrem vorsichtig.

Auch die – teil­weise irrealen – Äng­ste der Bewohn­er solch­er Gebäude wird man in diesem Zusam­men­hang nicht außer Acht lassen dürfen.

Und ein weit­eres Prob­lem muss in diesem Zusam­men­hang gelöst wer­den: Der AGS hat­te in sein­er Sitzung im Mai 2015 einen „Beurteilungswert“ für Quarz-Fein­staub in Höhe von 50 µg/m³ beschlossen, wobei allerd­ings nie­mand wusste, welche rechtliche Bedeu­tung einem solchen „Beurteilungswert“ eigentlich zukom­men sollte.

Der AGS hat in sein­er Sitzung im Novem­ber 2015 darüber berat­en, welche prak­tis­chen Kon­se­quen­zen sich aus diesem Beschluss ergeben (soll­ten). Möglicher­weise wird es darauf hin­aus­laufen, dass bei der Über­schre­itung dieses Wertes Atem­schutz (Staub­schutz­maske) getra­gen wer­den muss.

Ein solch­er Beschluss hätte jedoch eben­falls erhe­bliche Auswirkun­gen auf alle im Baubere­ich Täti­gen, da Quarz in nahezu allen min­er­alis­chen Baustof­fen enthal­ten ist und Fein­staub (A‑Fraktion) bei jed­wed­er Art mech­a­nis­ch­er Bear­beitung (schleifen, bohren, stem­men und so weit­er) freige­set­zt wer­den kann.

Arbeitss­chutz­maß­nah­men zur Unter­schre­itung des oben genan­nten Beurteilungswerts für Quarz wür­den allerd­ings „automa­tisch“ dazu führen, dass auch die Expo­si­tion gegenüber Asbest unter den Akzep­tanzw­ert von 10.000 Fasern/m³ nach dem Expo­si­tion-Risiko-Konzept abge­senkt würde, da der Asbest­ge­halt in den genan­nten Baustof­fen ver­gle­ich­sweise niedrig ist.

Den­noch fällt die Vorstel­lung bish­er sicher­lich noch schw­er, dass Maler und Elek­trik­er zukün­ftig bei der Woh­nungsren­ovierung Atem­schutz­masken tra­gen sollen. Auch dies kann sicher­lich zu ein­er nicht uner­he­blichen Verun­sicherung der Bewohn­er führen.

Man erken­nt, dass das Arbeitsmin­is­teri­um hier in einem äußerst sen­si­blen Bere­ich tätig ist und sicher­lich nicht ganz zu Unrecht befürchtet, dass die Arbeit­ge­ber (BDA) jede nur erden­kliche Möglichkeit nutzen wer­den, der ungeliebten „Min­dest­lohn­min­is­terin“ – die zudem derzeit auch über eine Beschränkung des Miss­brauchs von Lei­har­beit und Werkverträ­gen nach­denkt – ein weit­eres Mal „einen reinzuwürgen“.

Um dieses Prob­lem zu lösen, hat das Min­is­teri­um Ende 2015 einen „Nationalen Asbest­di­a­log“ ins Leben gerufen; wann dieser Dia­log für alle Beteiligten tragfähige Ergeb­nisse liefern wird, ist auch heute noch nicht erkennbar.

Drohungen der EU-Kommission

Im Früh­jahr 2016 platzte der EU-Kom­mis­sion dann der Kra­gen: Sie dro­hte der Bun­desre­pub­lik Deutsch­land mit der Ein­leitung eines Ver­tragsver­let­zungsver­fahrens wegen Nicht-Umset­zung der Aus­führungsregelun­gen zur CLP-Verord­nung; hier­durch geri­et das Bun­desmin­is­teri­um für Arbeit und Soziales unter Zeit­druck und hat die Neu­fas­sung der Regelun­gen zu Asbest in der Verord­nung (vor allem Anhang I Nr. 2.4 und Anhang II Nr. 1) – eben­so wie die anderen geplanten inhaltlichen Änderun­gen – vor­erst aus­ge­set­zt und Ende Mai einen Ref­er­ente­nen­twurf für eine „Verord­nung zur Umset­zung der Richtlin­ie 2014/27/EU und zur Änderung von Arbeitss­chutzverord­nun­gen“ als Artikelverord­nung vorgelegt.

Diese Nov­el­le „light“ beschränkt sich nun im Wesentlichen darauf, die for­malen Anpas­sun­gen vor allem an die Nomen­klatur der CLP-Verord­nung vorzunehmen. Der Bun­desrat hat diese Verord­nung in sein­er 949. Sitzung am 14. Okto­ber 2016 ver­ab­schiedet; die Neu­fas­sung wurde im Bun­des­ge­set­zblatt Teil I (BGBl. I) Nr. 54 vom 18. Novem­ber 2016 auf S. 2549 veröf­fentlicht und ist am 19.11.2016 in Kraft getreten.

Neben der Änderung der Gefahrstof­fverord­nung enthält die Verord­nung in Artikel 2 auch einige – allerd­ings recht umfan­gre­iche – Anpas­sun­gen und redak­tionelle Klarstel­lun­gen zur Betrieb­ssicher­heitsverord­nung von 2015. Artikel 3 enthält Fol­geän­derun­gen in der Verord­nung zur Arbeitsmedi­zinis­chen Vor­sorge (ArbMedVV) und der Verord­nung über Sicher­heit und Gesund­heitss­chutz auf Baustellen (Baustel­len­verord­nung).

Entschließung des Bundesrates zu Asbest

Das inter­es­san­teste Ergeb­nis der Sitzung des Bun­desrates am 14. Okto­ber war aber eine Entschließung, die unab­hängig von der Verord­nung selb­st ein­stim­mig angenom­men wurde. Diese Entschließung enthält die Auf­fas­sung der Bun­deslän­der zur Neu­fas­sung der Asbe­stregelun­gen in der Gefahrstoffverordnung.

So fordert der Bun­desrat die Bun­desregierung auf, in Bezug auf gefährliche Stoffe in der Gebäudesub­stanz Infor­ma­tion­spflicht­en des Auf­tragge­bers oder Bauher­rn gegenüber dem Auf­trag­nehmer vorzuschreiben.

Der Bun­desrat ist der Auf­fas­sung, dass es nicht ein­er zufäl­li­gen Ken­nt­nis oder Unken­nt­nis eines Auf­tragge­bers über­lassen bleiben darf, ob ein in Bestands­baut­en tätiger Handw­erks­be­trieb die für seine Gefährdungs­beurteilung notwendi­gen Infor­ma­tio­nen über das Vorhan­den­sein von Asbest und anderen Schad­stof­fen erhält.

Die bish­eri­gen Anforderun­gen an

  • Sachkunde‑, Zulas­sungs- und Anzeigepflichten,
  • die Zuver­läs­sigkeit der an asbesthalti­gen Mate­ri­alien arbei­t­en­den Betriebe und der dort ver­ant­wortlichen Per­so­n­en sowie
  • die Qual­i­fika­tion für Tätigkeit­en an asbesthalti­gen Materialien

sollen erhal­ten werden.

Der Bun­desrat spricht sich dafür aus, Aus­nah­men vom Ver­bot von Tätigkeit­en mit Asbest nicht mehr an den Begriff „ASI-Arbeit­en“ (Abbruch – Sanierung – Instand­hal­tung) oder ähn­lich gelagerte Begriffe zu knüpfen. Soweit Aus­nah­men vorge­se­hen wer­den, dür­fen diese ein kün­ftiges Ent­fer­nen asbesthaltiger Mate­ri­alien nicht verhindern.

Nach Auf­fas­sung des Bun­desrates sollte aus dem Recht­s­text ein­fach und zweifels­frei erkennbar sein, unter welchen Voraus­set­zun­gen bes­timmte gefahrstof­frechtliche Pflicht­en gelten.

Der Bun­desrat ist weit­er­hin der Auf­fas­sung, dass der bis­lang beste­hende Regelungs­bezug auf die Kat­e­gorien „fest gebun­den“ und „schwach gebun­den“ nur unzure­ichend geeignet ist, die Gefährlichkeit ein­er Tätigkeit an einem asbesthalti­gen Mate­r­i­al zu beschreiben. Vielmehr kann eine Bear­beitung auch bei soge­nan­nten fest gebun­de­nen Mate­ri­alien zu ein­er erhe­blichen Freiset­zung von Asbest­fasern führen.

Auch ist das Ziel ein­er Tätigkeit – zum Beispiel „Instand­hal­tung“ – in der Regel kein geeigneter Anknüp­fungspunkt für das Vorschreiben von Schutz­maß­nah­men, da das Aus­maß ein­er Freiset­zung von Asbest­staub nicht vom Tätigkeit­sziel, son­dern vom bear­beit­eten Mate­r­i­al und vom Bear­beitungsver­fahren abhängt.

Außer­dem soll­ten ausle­gungs­fähige Begriffe und Sachver­halte ver­mieden wer­den, die nach dem All­t­agsver­ständ­nis oder durch Def­i­n­i­tio­nen in anderen Rechts­bere­ichen unter­schiedlich inter­pretiert wer­den kön­nen. Son­st entste­hen Zuord­nung­sprob­leme, die das Han­deln der Auf­sichts­be­hör­den erschw­eren. Solche Zuord­nung­sprob­leme gibt es bei den Asbe­stregelun­gen der Gefahrstof­fverord­nung derzeit beson­ders beim Begriff der „ASI-Arbeit­en“.

Der Bun­desrat fordert die Bun­desregierung auf, Art und Umfang der gefahrstof­frechtlichen Pflicht­en bei Tätigkeit­en an asbesthalti­gen Mate­ri­alien am Risikopoten­zial der Tätigkeit­en auszu-richt­en, weil Fehler bei der Aus­führung von Tätigkeit­en schw­er­wiegende Fol­gen für die Gesund­heit von Men­schen haben. Neben dem Schutz der Beschäftigten soll im Übri­gen auch erre­icht wer­den, dass aus den Tätigkeit­en mit Gefahrstof­fen keine Gefährdung der Umwelt resultiert.

Die Ein­hal­tung des Standes der Tech­nik zur Ver­hin­derung der Aus­bre­itung asbesthalti­gen Staubes soll im Übri­gen auch für pri­vate Gebäudeeigen­tümer gel­ten, da Gefahren für Men­schen und Umwelt auch ein­treten kön­nen, wenn solche Tätig-keit­en von Pri­vat­per­so­n­en durchge­führt werden.

Was soll sich außerhalb der Asbestproblematik ändern?

Soweit bish­er bekan­nt, soll es außer­halb der Asbest­prob­lematik fol­gende Änderun­gen geben:

  • Ein­bindung des risikobasierten Grenzwertkonzeptes,
  • Pflicht zur Ein­hol­ung ein­er Erlaub­nis für bes­timmte Tätigkeit­en mit Biozid­pro­duk­ten und Pflanzenschutzmitteln,
  • Anzeigepflicht­en
  • für Tätigkeit­en mit Biozid­pro­duk­ten und Pflanzenschutzmitteln,
  • bei Lagerung von 25 t Ammoniumnitrat,
  • beim Über­schre­it­en von Tol­er­anzkonzen­tra­tio­nen (für Tätigkeit­en mit Asbest, wenn die Akzep­tanzkonzen­tra­tion über­schrit­ten wird),
  • Befähi­gungss­cheine (max­i­mal sechs Jahre gültig) für Tätigkeit­en mit Biozid­pro­duk­ten und Pflanzenschutzmitteln.

Was hat sich nun konkret 2016 geändert?

Durch REACH und GHS wur­den neue Begriffe in das Chemikalien­recht einge­führt, die jet­zt umge­set­zt wur­den, zum Beispiel

  • die neuen Gefahren­klassen statt der bish­eri­gen Gefährlichkeitsmerkmale
  • Ver­wen­dung des Begriffs „Gemis­che“ statt „Zubere­itun­gen“.

Bei der konkreten Umset­zung dieser neuen Begriffe in die Prax­is ergaben sich jedoch – wie auch bei anderen Regelun­gen, etwa der Stör­fal­lverord­nung oder der Chemikalien-Ver­botsverord­nung, Prob­leme dadurch, dass die Kri­te­rien der Gefährlichkeitsmerk­male nach bish­erigem EG-Recht mit den Gefahren­klassen und ‑kat­e­gorien der heuti­gen CLP-Regelun­gen nicht übere­in­stim­men. Es mussten also Kom­pro­misse gefun­den wer­den, für welche Gefahren­klassen oder ‑kat­e­gorien bish­erige Regelun­gen nach bes­timmten Gefährlichkeitsmerk­malen gel­ten sollten.

Begriffsbestimmungen

Bei den Begriffs­bes­tim­mungen wird in der Verord­nung 2016 wo immer möglich auf die CLP-Verord­nung verwiesen.

Neu aufgenom­men wur­den die Begriffe

· „Physikalisch-chemis­che Gefährdun­gen“ und

· „Umwelt­ge­fährlich“.

Der Begriff „Umwelt­ge­fährlich“ wurde über den Begriff „wasserge­fährdend“ nach CLP hin­aus definiert als „Stoffe oder Gemis­che, wenn sie selb­st oder ihre Umwand­lung­spro­duk­te geeignet sind, die Beschaf­fen­heit von Naturhaushalt, Boden oder Luft, Kli­ma, Tieren, Pflanzen oder Mikroor­gan­is­men der­art zu verän­dern, dass dadurch sofort oder später Gefahren für die Umwelt her­beige­führt wer­den kön­nen“.

Die bish­eri­gen Gefährlichkeitsmerk­male wur­den durch den Begriff und die Def­i­n­i­tio­nen der Gefahren­klassen nach CLP ersetzt.

Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung

Hin­sichtlich Ein­stu­fung, Kennze­ich­nung und Ver­pack­ung wur­den zusät­zliche Regelun­gen zu Biozid­pro­duk­ten aufgenom­men, nach denen der Liefer­ant neben den Vorschriften der CLP-Verord­nung auf dem Kennze­ich­nungss­child auch zusät­zliche Angaben entsprechend der Biozid-Verord­nung (EU) Nr. 528/2012 machen muss.

Die bish­eri­gen in der Gefahrstof­fverord­nung enthal­te­nen Aus­nah­meregelun­gen nach § 19 Abs. 4 für die Kennze­ich­nung von Klein­pack­un­gen wur­den gestrichen, weil es in Anhang I Nr. 1.5.2.1 der CLP-Verord­nung entsprechende Regelun­gen für Klein­pack­un­gen bis 125 mL Inhalt gibt, die (auch) in Deutsch­land unmit­tel­bar gel­ten. Für nationale Regelun­gen ist hier also kein Raum mehr.

Tätigkeiten mit Gefahrstoffen

Schon bish­er gab es in der Gefahrstof­fverord­nung eine Regelung, dass beim Fehlen entsprechen­der Prüf­dat­en bes­timmte gefährliche Eigen­schaften zu unter­stellen sind (§ 6 Abs. 14). Dies gilt nach der jet­zi­gen Verord­nung für Stoffe und Gemische

  • der Gefahren­klasse Akute Tox­iz­ität (oral, der­mal und inhala­tiv) Kat­e­gorie 3,
  • Ätz-/Reizwirkung auf die Haut Kat­e­gorie 2,
  • Sen­si­bil­isierung der Haut Kat­e­gorie 1,
  • Keimzell­mu­ta­gen­ität Kat­e­gorie 2 oder
  • Spez­i­fis­che Zielor­gan-Tox­iz­ität, wieder­holte Expo­si­tion (STOT RE) Kat­e­gorie 2.

Hin­sichtlich der Spez­i­fizierung der anzuwen­den­den Ein­stu­fungskat­e­gorien sind die entsprechen­den nach § 20 Absatz 4 Num­mer 1 bekan­nt gegebe­nen Regeln und Erken­nt­nisse (das heißt der TRGS) zu berücksichtigen.

Das Ver­bot der Rück­führung von abge­saugter Raum­luft in den Arbeits­bere­ich nach § 10 Abs. 5 wurde jet­zt auch auf repro­duk­tion­stox­is­che Stoffe der Kat­e­gorie 1A oder 1B aus­geweit­et. Nach ein­er neuen Über­gangsregelung in § 25 gilt dies ab dem 1. Jan­u­ar 2019 auch hin­sicht-lich der fruchtschädi­gen­den Wirkun­gen von repro­duk­tion­stox­is­chen Stof­fen oder Gemischen.

Aufbewahrung und Lagerung

Ein beson­deres „Schmankerl“ hat sich der Verord­nungs­ge­ber allerd­ings mit den Regelun­gen zu § 8 Abs. 7 geleis­tet: Dieser Absatz enthält wie bish­er die Regelun­gen zur Auf­be­wahrung von bes­timmten Gefahrstof­fen unter Ver­schluss, um Miss- sowie Fehlge­brauch zu ver­mei­den. Die Regelun­gen wur­den in der Verord­nung von 2016 an die CLP-Verord­nung angepasst und dabei gegenüber den bish­eri­gen Regelun­gen differenziert:

  1. Stoffe und Gemis­che, die als
  2. akut tox­isch Kat­e­gorie 1, 2 oder 3,
  3. spez­i­fisch zielor­gan­tox­isch Kat­e­gorie 1,
  4. kreb­serzeu­gend Kat­e­gorie 1A oder 1B oder
  5. keimzell­mu­ta­gen Kat­e­gorie 1A oder 1B

eingestuft sind, müssen unter Ver­schluss gehal­ten oder so auf­be­wahrt oder gelagert wer­den, dass nur fachkundi­ge und zuver­läs­sige Per­so­n­en Zugang haben;

Tätigkeit­en mit diesen Stof­fen und Gemis­chen sowie mit repro­duk­tion­stox­is­chen (Kat­e­gorie 1A oder 1B) oder atemwegssen­si­bil­isieren­den Stof­fen und Gemis­chen dür­fen nur von fachkundi­gen oder beson­ders unter­wiese­nen Per­so­n­en aus­ge­führt werden.

Diese Regelun­gen gel­ten nicht für

  1. Kraft­stoffe an Tankstellen oder son­sti­gen Betankung­sein­rich­tun­gen sowie für
  2. Stoffe und Gemis­che, die als akut tox­isch Kat­e­gorie 3 eingestuft sind, sofern diese vor­mals nach der Richtlin­ie 67/548/EWG oder der Richtlin­ie 1999/45/EG als gesund­heitss­chädlich bew­ertet wurden.

Zuverlässig oder besonders unterwiesen?

Nicht nur, dass diese Regelung durch die Dif­feren­zierung zwis­chen Auf­be­wahrung ein­er­seits und Tätigkeit­en ander­er­seits unüber­sichtlich­er wird als bish­er, es stellt sich auch die Frage, worin in der prak­tis­chen Anwen­dung der Unter­schied zwischen

  • zuver­läs­si­gen und
  • beson­ders unter­wiese­nen Personen

beste­hen soll? Müssen die fachkundi­gen oder beson­ders unter­wiese­nen Per­so­n­en, die Tätigkeit­en mit diesen Stof­fen aus­führen, nicht zuver­läs­sig sein? Was nützt es, wenn eine zuver­läs­sige fachkundi­ge Per­son, die Zugang zu den unter Ver­schluss auf­be­wahrten Stof­fen (oder Gemis­chen) hat, diese dann ein­er zwar beson­ders unter­wiese­nen aber unzu­ver­läs­si­gen Per­son für Tätigkeit­en überlässt?

„Rückgriff“ auf nicht mehr gültige Regelungen

Der eigentliche „Clou“ dieser Regelung ist aber die Aus­nahme für Stoffe und Gemis­che, die als akut tox­isch Kat­e­gorie 3 eingestuft sind, aber vor­mals nach der alten Stof­frichtlin­ie 67/548/EWG oder der Zubere­itungsrichtlin­ie 1999/45/EG als gesund­heitss­chädlich bew­ertet wurden!

Abge­se­hen davon, dass eine Bezug­nahme auf gar nicht mehr gültige Vorschriften schon rechtssys­tem­a­tisch äußert zweifel­haft ist, bedeutet dies doch in der Prax­is, dass Anwen­der solch­er Stoffe und Gemis­che die alten Ein­stu­fun­gen nach obso­letem EG-Recht aufheben müssen!

Mag dies bei bere­its in Gebrauch befind­lichen Pro­duk­ten vielle­icht noch möglich sein, so stellt sich doch die Frage, woher ein (nachgeschal­teter) Anwen­der die frühere Ein­stu­fung eines Pro­duk­tes ken­nen soll, das erst­mals in seinem Betrieb ver­wen­det wird? Er kann natür­lich den Liefer­an­ten fra­gen, wie dieses Pro­dukt früher ein­mal eingestuft war; ist der Liefer­ant ein Händler, muss der wom­öglich beim Her­steller (gegebe­nen­falls in Chi­na?) nachfragen!

Was ist aber bei neu entwick­el­ten Pro­duk­ten, die niemals eine alte EG-Ein­stu­fung hat­ten? Muss ein Liefer­ant ein neues Pro­dukt – ent­ge­gen der CLP-Verord­nung – auch zukün­ftig noch nach altem EG-Recht ein­stufen? Schließlich ist er verpflichtet, dem Anwen­der alle Infor­ma­tio­nen zur Ver­fü­gung zu stellen, die dieser zum Schutz sein­er Mitar­beit­er und zur Erfül­lung sein­er geset­zlichen Pflicht­en benötigt!

Prax­is­gerecht ist diese Regelung – offen­bar ein „ober­fauler“ Kom­pro­miss bei den Beratun­gen zur neuen Verord­nung – sich­er nicht!

Hinzu kommt, dass für die in der Tabelle auf dieser Seite dargestell­ten Gefahrenklassen/Kategorien nach Anhang I der CLP-Verord­nung für die Kennze­ich­nung der P‑Satz P405 „Unter Ver­schluss auf­be­wahren“ vorge­se­hen ist.

Man erken­nt, dass für die Gefahrenkategorien

  • Verätzung der Haut
  • CMR-Stoffe Kat­e­gorie 3,
  • Spez­i­fis­che Zielor­gan-Tox­iz­ität (ein­ma­lige Expo­si­tion) Kat­e­gorie 2
  • Spez­i­fis­che Zielor­gan-Tox­iz­ität (ein­ma­lige Expo­si­tion); Reizung der Atemwege oder narko­tis­che Wirkun­gen Kat­e­gorie 3 und
  • Aspi­ra­tions­ge­fahr

nach CLP zwar der P405 vergeben ist, die dort aus­ge­drück­te Forderung jedoch in der neuen Gefahrstof­fverord­nung nicht (beziehungsweise für akut tox­is­che Stoffe und Gemis­che Kat­e­gorie 3 nur teil­weise) umge­set­zt ist.

Auch wenn der P 405 nicht unbe­d­ingt auf jedem Kennze­ich­nungss­child von Gefahrstof­fen mit den vorste­hend genan­nten Eigen­schaften erscheint – weil der Liefer­ant ggf. bei ein­er größeren Anzahl von ein­schlägi­gen P‑Sätzen höch­stens die sechs wichtig­sten auswählen soll – wird dies in der Prax­is sich­er zu Verun­sicherung führen.

Immer­hin ist aber pos­i­tiv anzumerken, dass atemwegssen­si­bil­isierende Stoffe und Gemis­che nur von fachkundi­gen oder beson­ders unter­wiese­nen Per­so­n­en ver­wen­det wer­den dürfen.

Verwendungsbeschränkungen

Anhang XVII Num­mer 6 der REACH-Verord­nung bet­rifft die Her­stel­lung und das Ver­wen­den chrysotil­haltiger Diaphrag­men für die Chlo­ral­ka­lielek­trol­yse in beste­hen­den Anla­gen; die bish­erige Frist „zum Ende ihrer Nutzung“ wurde 2016 auf den 1. Juli 2025 begren­zt. Die Voraus­set­zun­gen für die Inanspruch­nahme dieser Regelung bleiben unverän­dert bestehen.

In die Gefahrstof­fverord­nung von 2016 wurde jedoch eine Bericht­spflicht an die Bun­desstelle für Chemikalien bis zum 31. Jan­u­ar eines jeden Kalen­der­jahres neu aufgenommen.

Die Anhänge der Verordnung

In den Anhän­gen der Gefahrstof­fverord­nung haben sich nur wenige Änderun­gen ergeben. So gilt für die Schädlings­bekämp­fung nach Anhang I Nr. 4 nun­mehr die Regelung, dass diese Vorschriften außer den dort expliz­it genan­nten Bega­sungsmit­teln auch für Stoffe oder Gemis­che gel­ten, die als

  • akut tox­isch Kat­e­gorie 1, 2 oder 3 oder
  • spez­i­fisch zielor­gan­tox­isch Kat­e­gorie 1

einzustufen und für diese Tätigkeit­en zuge­lassen sind.

Im Übri­gen bleibt die Verord­nung derzeit inhaltlich unverändert.


Autor

Dr. Ulrich Welzbach­er, Sankt Augustin

E‑Mail:

Autor@Gefahrstoffinformation.de

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