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Mutterschutzgesetz - was hat die Novellierung gebracht?

Schwangerschaft und Stillzeit im Betrieb
Was hat die Novellierung des Mutterschutzgesetzes konkret gebracht?

Was hat die Novellierung des Mutterschutzgesetzes konkret gebracht?
Schwangere Frauen stehen unter besonderem Schutz, doch nicht immer wird dieser konsequent umgesetzt. Foto: © loreanto – stock.adobe.com
Dr. Joerg Hensiek

Durch das 2018 nov­el­lierte Mut­ter­schutzge­setz haben schwan­gere und stil­lende Frauen erst­mals einen ein­deutig for­mulierten rechtlichen Anspruch auf den Schutz der Gesund­heit und eine Gle­ich­stel­lung am Arbeit­splatz. Die betriebliche Real­ität sieht für die betrof­fe­nen Frauen aber den­noch häu­fig noch ganz anders aus, wie eine aktuelle DGB-Studie nahelegt. Wie aber kön­nte eine müt­ter- und fam­i­lien­fre­undliche Arbeit­splatzgestal­tung aussehen?

Das Mut­ter­schutzge­setz (MuSchG) legt fest, dass Mut­ter und Kind während der Schwanger­schaft, nach der Ent­bindung und in der Stil­lzeit beson­ders vor schädlichen Ein­wirkun­gen geschützt wer­den müssen, Müt­ter ihre Beschäf­ti­gung in dieser Zeit ohne Gefährdung ihrer Gesund­heit oder der ihres Kindes fort­set­zen kön­nen und Benachteili­gun­gen während der Schwanger­schaft, nach der Geburt und in der Stil­lzeit ver­hin­dert wer­den. 2018 wurde das Gesetz nach fast 70 Jahren nov­el­liert und in diesem Zusam­men­hang auch die Verord­nung zum Schutze der Müt­ter am Arbeit­splatz (MuSchAr­bV) geän­dert, neu struk­turi­ert und erweit­ert. Wichtige neue Ele­mente der Regel­w­erke sind zum Beispiel das Ver­bot von zu lan­gen Arbeit­szeit­en oder ein­er Kündi­gung auf­grund der eingeschränk­ten Arbeits­fähigkeit in dieser Zeit. Das Mut­ter­schutzge­setz ist bei sein­er Nov­el­lierung zwar voll­ständig neu struk­turi­ert, inhaltlich jedoch nicht grundle­gend erneuert wor­den. Durch die neuen Regelun­gen haben schwan­gere und stil­lende Frauen jedoch erst­mals einen rechtlichen Anspruch auf den Schutz der Gesund­heit und eine Gle­ich­stel­lung am Arbeit­splatz. Der diskri­m­inierungs­freie Gesund­heitss­chutz war zwar schon vor der Nov­el­lierung im Mut­ter­schutzge­setz und in der Verord­nung zum Schutze der Müt­ter am Arbeit­splatz for­muliert, jedoch nicht aus­drück­lich als Zielset­zung erk­lärt. Das Gesetz gilt für alle (wer­den­den) Müt­ter in einem Arbeitsver­hält­nis – also auch für Heimar­bei­t­erin­nen, Hau­sangestellte, ger­ingfügig Beschäftigte und weib­liche Auszubildende.

Mutterschutzgesetz sieht Gefährdungsbeurteilung und Arbeitsplatzgestaltung vor

Die wichtig­sten Punk­te des Geset­zes für den betrieblichen Arbeits- und Gesund­heitss­chutz sollen an dieser Stelle nur kurz zusam­menge­fasst wer­den. Der Arbeit­ge­ber muss eine wer­dende oder stil­lende Mut­ter während der Schwanger­schaft und nach der Ent­bindung so beschäfti­gen und ihren Arbeit­splatz ein­schließlich der Maschi­nen, Werkzeuge und Geräte so ein­richt­en, dass sie vor Gefährdun­gen für die Gesund­heit aus­re­ichend geschützt ist. Bei ein­er im Vor­feld durchge­führten Gefährdungs­beurteilung hat der Arbeit­ge­ber dem beson­deren Schutzbe­darf der Frau und ihres Kindes Rech­nung zu tra­gen. Darüber hin­aus ist der Arbeit­ge­ber verpflichtet, die betrof­fe­nen Frauen, alle anderen Beschäftigten im Arbeits­bere­ich der schwan­geren oder stil­len­den Mitar­bei­t­erin­nen sowie, wenn vorhan­den, den Betriebs- oder Per­son­al­rat über die Ergeb­nisse der Gefährdungs­beurteilung über die zu ergreifend­en Schutz­maß­nah­men zu informieren, sobald das möglich ist. Dabei reicht eine form­lose Unter­rich­tung aus. In der Folge sind die betrof­fe­nen Arbeit­splätze und Arbeit­sprozesse entsprechend der Ergeb­nisse der Gefährdungs­beurteilung umzugestal­ten. Ins­beson­dere dür­fen Tätigkeit­en mit gefährlichen Sub­stanzen oder Arbeit­en, bei denen schw­er gehoben wer­den muss, von den Frauen nicht mehr durchge­führt wer­den. Dies trifft auch auf Arbeit­en mit Dämpfen, Erschüt­terun­gen, Lärm, Kälte, Hitze oder Nässe zu.

Eines der wichtig­sten Rechte ein­er Schwan­geren oder stil­len­den Mut­ter – und damit auch die vielle­icht wichtig­ste Anforderung an die Arbeit­splatzgestal­tung – ist das Recht, die Arbeit zwis­chen­durch kurz zu unter­brechen und sich auszu­ruhen. Hier­für muss der Arbeit­ge­ber der Frau einen Ruher­aum zur Ver­fü­gung stellen, der beson­dere Anforderun­gen erfüllen muss.

Die Befunde der DGB-Studie

Soweit zur The­o­rie. Wie aber sieht es in der betrieblichen Prax­is aus? Ein Eval­u­a­tions­bericht der Bun­desregierung, der Ende Juni 2022 veröf­fentlicht wurde, urteilte pos­i­tiv über die Geset­zes­nov­el­le und kam zu dem Faz­it, dass die Reform durch die befragten Betriebe „in hohem Maße wahrgenom­men“ werde. Auch lägen in immer­hin einem Drit­tel der befragten Betriebe mut­ter­schutzspez­i­fis­che Gefährdungs­beurteilun­gen vor. Erste wertvolle Infor­ma­tio­nen aus der Betrof­fe­nen­per­spek­tive lieferte eine im Mai veröf­fentlichte Studie des Deutschen Gew­erkschafts­bun­des (DGB) mit dem Titel „Erfahrun­gen mit dem Mut­ter­schutz am Arbeit­splatz“, welche die Nov­el­lierung teil­weise deut­lich kri­tis­ch­er beurteilte als der Bericht der Bundesregierung.

Im Rah­men ein­er Online-Befra­gung kon­nten Dat­en von ins­ge­samt 1.193 Teil­nehmerin­nen erhoben und analysiert wer­den, die seit dem 30.06.2018 ein Kind geboren haben oder zum Zeit­punkt der Erhe­bung schwanger waren, während ihrer Schwanger­schaft in einem abhängi­gen Beschäf­ti­gungsver­hält­nis standen und ihre Schwanger­schaft bere­its im Betrieb mit­geteilt hat­ten. Zunächst die gute Nachricht: Zusam­men­fassend lässt sich sagen, dass das neue Mut­ter­schutzge­setz aus Sicht der Schwan­geren und stil­len­den Arbeit­nehmerin­nen deut­lich mehr Schutz bietet, als es in der vor 2018 gel­tenden Fas­sung der Fall war. Durch die Nov­el­lierung entspräche es aus Sicht der Infor­man­tinnen viel stärk­er als früher dem zeit­gemäßen Leit­bild ein­er gle­ich­berechtigten Erwerb­s­beteili­gung von Frauen. Diese unter dem Strich pos­i­tive Bilanz rel­a­tivieren die Stu­di­en­au­toren aber mit einem Hin­weis auf den sozialen Hin­ter­grund der Befragten. Denn ein großer Teil der befragten Frauen war hochqual­i­fiziert, in Deutsch­land geboren, Gew­erkschaftsmit­glied und zu einem Großteil auch gutver­di­enend, also nicht repräsen­ta­tiv für die Gesamtheit der beschäftigten Müt­ter und Stillenden.

Defizite und Pflichtverstöße gegen das novellierte Mutterschutzgesetz

Trotz der pos­i­tiv­en Gesamt­bi­lanz und des rel­a­tiv priv­i­legierten sozialen Hin­ter­grun­des viel­er Infor­man­tinnen bericht­en immer noch viele Frauen von gravieren­den Defiziten und Pflichtver­stößen in ihren Unternehmen. Wichtige Kri­tikpunk­te waren:

  • Nicht ein­mal der Hälfte der Schwan­geren wurde nach der Mel­dung der Schwanger­schaft von den Arbeit­ge­bern das geset­zlich vorge­se­hene gemein­same Gespräch ange­boten, in dem etwaige Beson­der­heit­en der Schwanger­schaft, die indi­vidu­ellen Bedarfe und Bedürfnisse der Frauen und gegebe­nen­falls erforder­liche Schutz­maß­nah­men im Kon­text der konkreten Arbeit­splatzbe­din­gun­gen besprochen wer­den müssten.
  • Weit­er­hin wurde bei mehr als jed­er drit­ten Schwan­geren die Verpflich­tung zur Durch­führung ein­er Gefährdungs­beurteilung zum Schutz der Gesund­heit der Frau und des Kindes am Arbeit­splatz ignori­ert (35 Prozent).
  • Nur bei ein­er knap­pen Mehrheit der Befragten wur­den Schutz­maß­nah­men seit­ens der Arbeit­ge­ber ergrif­f­en (54 Prozent).
  • Dort, wo Gefährdungs­beurteilun­gen stat­tfan­den und ein Betrieb­srat bzw. Per­son­al­rat vorhan­den war, wurde dieser nur in jedem vierten Fall eingebunden.
  • Mehr als der Hälfte der Befragten stand kein Ruher­aum zur Ver­fü­gung, und fast vier von zehn der Befragten hat­ten keine (räum­lichen oder arbeit­sor­gan­isatorischen) Möglichkeit­en, sich jed­erzeit unter geeigneten Bedin­gun­gen aus­ruhen zu können.

Schwangerschaft immer noch Abweichung von der Norm

Die ange­führte DGB-Studie kommt zu dem Schluss, dass Schwan­gere und stil­lende Arbeit­nehmerin­nen in der Arbeitswelt auch heute noch als Abwe­ichung von der Norm wahrgenom­men wer­den. Auf Grund der steigen­den Erwerb­s­beteili­gung von Frauen wird eine Schwanger­schaft in Zukun­ft, so sind die Stu­di­en­mach­er jedoch sich­er, noch viel häu­figer ein Teil der Arbeitswelt sein und die Gle­ichzeit­igkeit von Schwangerschaft/Geburt und eigen­er Erwerb­ssi­t­u­a­tion den betrieblichen All­t­ag immer häu­figer prä­gen. Sie fordern, dass sich deshalb vor allem in den Köpfen der Ver­ant­wortlichen und Vorge­set­zten, mitunter auch in der Wahrnehmung der betrieblichen Inter­essen­vertre­tun­gen und in den Köpfen der Kol­le­gen und Kol­legin­nen, noch viel ändern müsse. Ob dies alles in naher und mit­tlerer Zukun­ft in Deutsch­lands Unternehmen angesichts der aktuellen poli­tis­chen „Zeit­en­wende“ und den damit zusam­men­hän­gen­den schwieriger wer­den­den ökonomis­chen Voraus­set­zun­gen für die Betriebe zu real­isieren ist, mag allerd­ings fraglich erscheinen.


Wichtigste Regelungen des Mutterschutzgesetzes

Der Arbeit­ge­ber hat neben der Ein­rich­tung eines Ruher­aumes ins­beson­dere fol­gende Regelun­gen zu beachten:

  • Eine Kündi­gung ist während der Schwanger­schaft sowie in der Regel bis vier Monate nach der Ent­bindung oder nach ein­er Fehlge­burt (nach der zwölften Schwanger­schaftswoche) unzulässig.
  • Schwan­gere dür­fen sechs Wochen vor dem errech­neten Ent­bindung­ster­min nicht mehr arbeiten.
  • Auch inner­halb von acht Wochen nach der Geburt gilt ein Beschäf­ti­gungsver­bot. Diese Frist kann sich nach der Geburt von Mehrlin­gen oder eines behin­derten Kindes auf zwölf Wochen verlängern.
  • Freigestellt kön­nen Schwan­gere nur wer­den, wenn der Betrieb sie nicht genü­gend vor Gefahren schützen kann.
  • Frauen sind für Vor­sorge­un­ter­suchun­gen während der Schwanger­schaft sowie für Stil­lzeit­en während der ersten zwölf Monate nach der Geburt freigestellt.
  • Nachtar­beit zwis­chen 20 Uhr und sechs Uhr ist ver­boten. Aus­nah­men kön­nen bei der jew­eils zuständi­gen Behörde beantragt werden.
  • Auch Sonn- und Feiertagsar­beit ist unter­sagt. Aus­nah­men gibt es in bes­timmten Branchen, etwa für Beschäftigte in Gas­tronomie und Hotellerie.

Dr. Joerg Hensiek
Dr. Joerg Hen­siek; Foto: © privat

Autor: 
Dr. Joerg Hensiek
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