AM wird oft als Synonym zu 3D-Druck verwendet, umfasst jedoch eine Vielzahl von Technologien und Anwendungen. Das reicht vom pulverbettbasierten Laserschmelzen und Lasersintern über Photopolymerisation, Schichtlaminierung bis zu Extrusionsverfahren. In immer kürzeren Zeitabständen werden neue Ausgangsmaterialien vorgestellt und die Zahl der Einsatzgebiete wächst und wächst. Ob Medizin oder Automobil, Architektur oder Raumfahrt – in fast jeder Branche werden additive Technologien genutzt. Vom Zahnersatz über Lebensmittel oder Kunstobjekte bis zur Fußgängerbrücke werden Objekte in nahezu jeder Form und Größe „gedruckt“. Allen Methoden gemeinsam ist, dass aus einem digitalen Modell schichtweise ein physischer Gegenstand hergestellt wird.
Kostengünstige Prothesen aus Plastikabfall
Neben dem Arbeitsschutz wird auch die Umweltverträglichkeit von AM diskutiert und erforscht. Weltweit suchen Projekte und Initiativen nach Wegen, additive Verfahren nachhaltig einzusetzen. Einige Ideen wurden bereits mehr oder weniger spektakulär umgesetzt, hier einige Beispiele:
- Das Projekt Precious Plastic (wertvoller Kunststoff) basiert auf Maschinen und Verfahren, die recyceltes Plastik zermahlen, schmelzen und für neue Produkte einsetzen. Die CAD-Modelle und Dateien sind kostenlos unter einer Creative-Commons-Lizenz zugänglich. Auf diese Weise konnte eine Hamburger Studentin im Frühjahr 2020 Gesichtsschutzvisiere für Klinikpersonal herstellen.
- Beim Million Waves Project wird an Meeresstränden Plastikmüll gesammelt und dann zu medizinischen Prothesen 3D-gedruckt. Aus 30 Flaschen wird eine Prothese zu Kosten von 45 Dollar.
- Solar Voyager, ein überwiegend aus recyceltem Plastikabfall gedruckter Geländewagen mit Solarpanels und Elektroantrieb, war bereits in der Antarktis unterwegs.
- Mit dem weltweit ersten 3D-gedruckten, künstlichen Korallenriff aus Beton hat das Startup XtreeE im Meer vor Marseille einen neuen Lebensraum geschaffen.
Klimaschutz durch Additive Fertigung
Solche innovativen Ansätze sind enorm wichtig. Denn sie deuten ein riesiges Potenzial an, auch wenn nicht jede Idee sofort und rentabel realisierbar ist. Doch es gibt mehrere gute Gründe dafür, dass AM-Verfahren auch auf breiterer Basis einen Beitrag zu nachhaltiger Produktion leisten können:
- Ressourceneffizienz: Intelligente Konstruktion und Leichtbauweise ersparen Gewicht und Materialien, die Ressourceneffizienz verbessert sich.
- Abfallreduktion: Es entsteht weniger Ausschuss und es fallen weniger Abfälle an. Pulverreste sind wiederverwendbar, die bei klassischen Fertigungsverfahren (Drehen, Sägen, Bohren, Fräsen usw.) zwangsläufig entstehenden Abfallfraktionen wie Späne oder Schnittreste fallen bei additiven Verfahren meist erst gar nicht an.
- Weniger Schrott (insbesondere Elektroschrott): Geräte könnten leichter reparierbar werden, wenn jeder Nutzer defekte Teile oder Ersatzteile im Hobby-Keller oder Copy-Shop drucken kann.
- Weniger Transporte: Der Aufwand zum Ausliefern von Bauteilen und Werkstücken fällt weg, wenn diese vor Ort hergestellt werden. Konstruktionsvorlagen und CAD-Dateien benötigen Daten-Autobahnen, aber keine physischen Straßen.
- Geringer Lageraufwand: Der Bedarf an Lagerfläche sinkt, wenn „on demand“ produziert wird. Ersatzteile müssen nicht bevorratet werden, sondern sind bei Bedarf gezielt „auf Knopfdruck“ herstellbar.
- Bio-Plastik: Das Spektrum der Ausgangssubstanzen erweitert sich um umweltfreundlichere Materialien. Zu den bislang hauptsächlich verwendeten Metallen, Kunstharzen oder Kunststoffen kommen biologisch abbaubare Substanzen. So sind 3D-Filamente aus Maisstärke, andere werden aus Zuckerrohr, Muschelschalen oder Weizenabfällen hergestellt. Bio-Polymere werden nicht für jede technische Anwendung nutzbar sein, aber die Chancen sind da, um z. B. Abfälle aus Landwirtschaft oder Gastronomie effizienter zu nutzen.
Unterm Strich erscheint es nicht als vermessen, dem AM das Potenzial für ein Responsible Manufacturing zuzuschreiben.
Die Zukunft des 3D-Drucks: Recycling, Upcycling, Abbaubarkeit
AM-Verfahren könnten auch der Kreislaufwirtschaft zugutekommen. Denn es ist möglich, Filamente aus geschreddertem Abfall, z. B. Fehldrucken oder nicht mehr benötigten Druckobjekten, rückzugewinnen. Neben einem solchen Recycling zeichnen sich auch Ansätze für ein Upcycling ab. Neue Geräte sollen künftig in der Lage sein, die auch außerhalb der 3D-Welt am häufigsten anfallenden Kunststoffe zu recyceln. So entstehen 3D-druckbare Granulate oder Filamente aus Plastikmüll. Die U.S. Army arbeitet an Projekten, PET-Flaschen und Verpackungsabfälle zu nutzen und per 3D-Druck wiederzuverwenden. Dies soll die Abhängigkeit von externen Lieferketten verringern und fern der Heimat stationierten Soldaten das wochenlange Warten auf Ersatzteile ersparen.
Ob Ersatzteil oder Alltagsgegenstand – je mehr Objekte aus recycelten Materialien stammen und selbst recycelbar sind, desto nachhaltiger ist ihr Lebenszyklus. Umso mehr, wenn das, was irgendwann tatsächlich zu „Abfall“ wird, ganz oder weitestmöglich aus biologisch abbaubaren Materialien besteht.
Optimistisch weitergedacht müsste es irgendwann gar keinen Plastikmüll mehr geben. Werden wir bald alle unsere Kunststoffabfälle im Keller selbst schreddern und uns aus den wiedergewonnenen Pulvern und Filamenten dann Schachfiguren, Blumenkübel oder gleich das ganze Gartenhäuschen „drucken“?
In einer pessimistischen Annahme nimmt dagegen die Plastikverschmutzung weiter zu, weil es immer kostengünstigere AM-Verfahren – in Hobbykeller oder Werkhalle – vereinfachen, mehr und mehr Plastikteile in die Welt zu setzen. Sicher ist nur: Es wird spannend bleiben, die Chancen und Risiken des 3D-Drucks weiter zu verfolgen.
Wo Pulver stauben, drohen Gesundheits- und Explosionsrisiken!
Die Ausgangsstoffe für Verfahren der Additiven Fertigung können in Form von Pulver, Granulaten, Flüssigkeiten oder Filamenten vorliegen. Je nach Verfahren bestehen thermische, physikalische, mechanische oder elektrische Risiken. Sobald beim 3D-Druck Stäube auftreten, ist der Arbeitsschützer gleich zweifach gefragt; denn es können zum einen Gesundheitsgefährdungen bestehen, zum anderen Explosionsrisiken. Beide Gefährdungen sind abhängig von der Art, Menge und Korngrößenverteilung der staubenden Substanz. Chemische, physikalische und toxikologische Parameter wie Toxizität, Entflammbarkeit und Reaktivität spielen beim Beurteilen der Gefährdungen zusammen. Angesichts von immer neuen Substanzen und Verfahren ist das Festlegen individueller Schutzmaßnahmen alles andere als trivial.
Wer etwa Metallpulver oder Legierungen einsetzt, wird Sicherheitsdatenblätter und sicherheitstechnische Kenngrößen studieren müssen. Es gilt der Allgemeine Staubgrenzwert oder ggf. stoffspezifische Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW), ebenso die weiteren Vorgaben aus dem Gefahrstoffrecht wie Zusammenlagerungsverbote oder die Mengenbegrenzung am Arbeitsplatz auf den Tagesbedarf. Zu Schutzmaßnahmen informiert die VDI-Richtlinie 3405 Blatt 6.1.
Autor:
Dr. Friedhelm Kring
Fachjournalist