1 Monat GRATIS testen, danach für nur 3,90€/Monat!
Startseite » Sicherheitsingenieur »

3D-Druck Nachhaltigkeit und Ressourcenschonnung

Bald in allen Garagen und Hobbykellern?
Öko-Aspekte beim 3D-Druck

Dr. Friedhelm Kring
Die Ver­fahren des soge­nan­nten „Addi­tiv­en Man­u­fac­tur­ing“ (AM) wer­den immer viel­seit­iger, die benötigten Geräte klein­er und leis­tungs­fähiger. Addi­tive Fer­ti­gung ver­lässt zuse­hends den Nis­chen­sta­tus und wird längst nicht mehr nur für Pro­to­typen genutzt. Neben der Indi­vid­u­al­isier­barkeit von Bauteilen und Design­frei­heit für kom­plexe Geome­trien rück­en die Chan­cen für Nach­haltigkeit und Ressourcenscho­nung in den Fokus.

AM wird oft als Syn­onym zu 3D-Druck ver­wen­det, umfasst jedoch eine Vielzahl von Tech­nolo­gien und Anwen­dun­gen. Das reicht vom pul­ver­bet­tbasierten Laser­schmelzen und Lasersin­tern über Pho­topoly­meri­sa­tion, Schicht­laminierung bis zu Extru­sionsver­fahren. In immer kürz­eren Zeitab­stän­den wer­den neue Aus­gangs­ma­te­ri­alien vorgestellt und die Zahl der Ein­satzge­bi­ete wächst und wächst. Ob Medi­zin oder Auto­mo­bil, Architek­tur oder Raum­fahrt – in fast jed­er Branche wer­den addi­tive Tech­nolo­gien genutzt. Vom Zah­n­er­satz über Lebens­mit­tel oder Kun­sto­b­jek­te bis zur Fußgänger­brücke wer­den Objek­te in nahezu jed­er Form und Größe „gedruckt“. Allen Meth­o­d­en gemein­sam ist, dass aus einem dig­i­tal­en Mod­ell schichtweise ein physis­ch­er Gegen­stand hergestellt wird.

Kostengünstige Prothesen aus Plastikabfall

Neben dem Arbeitss­chutz wird auch die Umweltverträglichkeit von AM disku­tiert und erforscht. Weltweit suchen Pro­jek­te und Ini­tia­tiv­en nach Wegen, addi­tive Ver­fahren nach­haltig einzuset­zen. Einige Ideen wur­den bere­its mehr oder weniger spek­takulär umge­set­zt, hier einige Beispiele:

  • Das Pro­jekt Pre­cious Plas­tic (wertvoller Kun­st­stoff) basiert auf Maschi­nen und Ver­fahren, die recyceltes Plas­tik zer­mahlen, schmelzen und für neue Pro­duk­te ein­set­zen. Die CAD-Mod­elle und Dateien sind kosten­los unter ein­er Cre­ative-Com­mons-Lizenz zugänglich. Auf diese Weise kon­nte eine Ham­burg­er Stu­dentin im Früh­jahr 2020 Gesichtss­chutzvisiere für Klinikper­son­al herstellen.
  • Beim Mil­lion Waves Project wird an Meer­essträn­den Plas­tik­müll gesam­melt und dann zu medi­zinis­chen Prothe­sen 3D-gedruckt. Aus 30 Flaschen wird eine Prothese zu Kosten von 45 Dollar.
  • Solar Voy­ager, ein über­wiegend aus recycel­tem Plas­tik­ab­fall gedruck­ter Gelän­dewa­gen mit Solarpan­els und Elek­troantrieb, war bere­its in der Antark­tis unterwegs.
  • Mit dem weltweit ersten 3D-gedruck­ten, kün­stlichen Koral­len­riff aus Beton hat das Start­up XtreeE im Meer vor Mar­seille einen neuen Leben­sraum geschaffen.

Klimaschutz durch Additive Fertigung

Solche inno­v­a­tiv­en Ansätze sind enorm wichtig. Denn sie deuten ein riesiges Poten­zial an, auch wenn nicht jede Idee sofort und rentabel real­isier­bar ist. Doch es gibt mehrere gute Gründe dafür, dass AM-Ver­fahren auch auf bre­it­er­er Basis einen Beitrag zu nach­haltiger Pro­duk­tion leis­ten können:

  • Ressourcenef­fizienz: Intel­li­gente Kon­struk­tion und Leicht­bauweise ers­paren Gewicht und Mate­ri­alien, die Ressourcenef­fizienz verbessert sich.
  • Abfallre­duk­tion: Es entste­ht weniger Auss­chuss und es fall­en weniger Abfälle an. Pul­ver­reste sind wiederver­wend­bar, die bei klas­sis­chen Fer­ti­gungsver­fahren (Drehen, Sägen, Bohren, Fräsen usw.) zwangsläu­fig entste­hen­den Abfall­frak­tio­nen wie Späne oder Schnit­treste fall­en bei addi­tiv­en Ver­fahren meist erst gar nicht an.
  • Weniger Schrott (ins­beson­dere Elek­troschrott): Geräte kön­nten leichter reparier­bar wer­den, wenn jed­er Nutzer defek­te Teile oder Ersatzteile im Hob­by-Keller oder Copy-Shop druck­en kann.
  • Weniger Trans­porte: Der Aufwand zum Aus­liefern von Bauteilen und Werk­stück­en fällt weg, wenn diese vor Ort hergestellt wer­den. Kon­struk­tionsvor­la­gen und CAD-Dateien benöti­gen Dat­en-Auto­bah­nen, aber keine physis­chen Straßen.
  • Geringer Lager­aufwand: Der Bedarf an Lager­fläche sinkt, wenn „on demand“ pro­duziert wird. Ersatzteile müssen nicht bevor­ratet wer­den, son­dern sind bei Bedarf gezielt „auf Knopf­druck“ herstellbar.
  • Bio-Plas­tik: Das Spek­trum der Aus­gangssub­stanzen erweit­ert sich um umwelt­fre­undlichere Mate­ri­alien. Zu den bis­lang haupt­säch­lich ver­wen­de­ten Met­allen, Kun­stharzen oder Kun­st­stof­fen kom­men biol­o­gisch abbaubare Sub­stanzen. So sind 3D-Fil­a­mente aus Mais­stärke, andere wer­den aus Zuck­er­rohr, Muschelschalen oder Weizen­abfällen hergestellt. Bio-Poly­mere wer­den nicht für jede tech­nis­che Anwen­dung nutzbar sein, aber die Chan­cen sind da, um z. B. Abfälle aus Land­wirtschaft oder Gas­tronomie effizien­ter zu nutzen.

Unterm Strich erscheint es nicht als ver­messen, dem AM das Poten­zial für ein Respon­si­ble Man­u­fac­tur­ing zuzuschreiben.

Die Zukunft des 3D-Drucks: Recycling, Upcycling, Abbaubarkeit

AM-Ver­fahren kön­nten auch der Kreis­laufwirtschaft zugutekom­men. Denn es ist möglich, Fil­a­mente aus geschred­dertem Abfall, z. B. Fehldruck­en oder nicht mehr benötigten Druck­ob­jek­ten, rück­zugewin­nen. Neben einem solchen Recy­cling zeich­nen sich auch Ansätze für ein Upcy­cling ab. Neue Geräte sollen kün­ftig in der Lage sein, die auch außer­halb der 3D-Welt am häu­fig­sten anfal­l­en­den Kun­st­stoffe zu recyceln. So entste­hen 3D-druck­bare Gran­u­late oder Fil­a­mente aus Plas­tik­müll. Die U.S. Army arbeit­et an Pro­jek­ten, PET-Flaschen und Ver­pack­ungsabfälle zu nutzen und per 3D-Druck wiederzu­ver­wen­den. Dies soll die Abhängigkeit von exter­nen Liefer­ket­ten ver­ringern und fern der Heimat sta­tion­ierten Sol­dat­en das wochen­lange Warten auf Ersatzteile ersparen.

Ob Ersatzteil oder All­t­ags­ge­gen­stand – je mehr Objek­te aus recycel­ten Mate­ri­alien stam­men und selb­st recycel­bar sind, desto nach­haltiger ist ihr Leben­szyk­lus. Umso mehr, wenn das, was irgend­wann tat­säch­lich zu „Abfall“ wird, ganz oder weitest­möglich aus biol­o­gisch abbaubaren Mate­ri­alien besteht.

Opti­mistisch weit­ergedacht müsste es irgend­wann gar keinen Plas­tik­müll mehr geben. Wer­den wir bald alle unsere Kun­st­stof­fabfälle im Keller selb­st schred­dern und uns aus den wiederge­wonnenen Pul­vern und Fil­a­menten dann Schachfig­uren, Blu­menkü­bel oder gle­ich das ganze Garten­häuschen „druck­en“?

In ein­er pes­simistis­chen Annahme nimmt dage­gen die Plas­tikver­schmutzung weit­er zu, weil es immer kostengün­stigere AM-Ver­fahren – in Hob­bykeller oder Werkhalle – vere­in­fachen, mehr und mehr Plas­tik­teile in die Welt zu set­zen. Sich­er ist nur: Es wird span­nend bleiben, die Chan­cen und Risiken des 3D-Drucks weit­er zu verfolgen.


Wo Pulver stauben, drohen Gesundheits- und Explosionsrisiken!

Die Aus­gangsstoffe für Ver­fahren der Addi­tiv­en Fer­ti­gung kön­nen in Form von Pul­ver, Gran­u­lat­en, Flüs­sigkeit­en oder Fil­a­menten vor­liegen. Je nach Ver­fahren beste­hen ther­mis­che, physikalis­che, mech­a­nis­che oder elek­trische Risiken. Sobald beim 3D-Druck Stäube auftreten, ist der Arbeitss­chützer gle­ich zweifach gefragt; denn es kön­nen zum einen Gesund­heits­ge­fährdun­gen beste­hen, zum anderen Explo­sion­srisiken. Bei­de Gefährdun­gen sind abhängig von der Art, Menge und Korn­größen­verteilung der stauben­den Sub­stanz. Chemis­che, physikalis­che und toxikol­o­gis­che Para­me­ter wie Tox­iz­ität, Ent­flamm­barkeit und Reak­tiv­ität spie­len beim Beurteilen der Gefährdun­gen zusam­men. Angesichts von immer neuen Sub­stanzen und Ver­fahren ist das Fes­tle­gen indi­vidu­eller Schutz­maß­nah­men alles andere als trivial.

Wer etwa Met­allpul­ver oder Legierun­gen ein­set­zt, wird Sicher­heits­daten­blät­ter und sicher­heit­stech­nis­che Ken­ngrößen studieren müssen. Es gilt der All­ge­meine Staub­gren­zw­ert oder ggf. stoff­spez­i­fis­che Arbeit­splatz­gren­zw­erte (AGW), eben­so die weit­eren Vor­gaben aus dem Gefahrstof­frecht wie Zusam­men­lagerungsver­bote oder die Men­gen­be­gren­zung am Arbeit­splatz auf den Tages­be­darf. Zu Schutz­maß­nah­men informiert die VDI-Richtlin­ie 3405 Blatt 6.1.


Dr. Friedhelm Kring
Dr. Fried­helm Kring; Foto: © privat

Autor: 
Dr. Fried­helm Kring
Fachjournalist

Unsere Webi­nar-Empfehlung
Newsletter

Jet­zt unseren Newslet­ter abonnieren

Webinar-Aufzeichnungen

Webcast

Jobs
Sicherheitsbeauftragter
Titelbild Sicherheitsbeauftragter 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Sicherheitsingenieur
Titelbild Sicherheitsingenieur 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Special
Titelbild  Spezial zur A+A 2023
Spezial zur A+A 2023
Download

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de