Ziel jedes Akteurs im Arbeitsschutz ist es, Gefahrenquellen mit dazugehörigen Gefährdungsfaktoren (schädigende Energie) so zu minimieren, dass sie im Falle eines Zusammentreffens mit dem Menschen zu keinen oder nur minimalen gesundheitsschädlichen Auswirkungen führen können. Gelingt das nicht, was sehr häufig der Fall ist, so sollte die Gefahrenquelle am Besten eingesperrt werden, damit sie nicht mit dem Menschen in Berührung kommen kann. Diese Barriere kann direkt an der Gefahrenquelle, also dem Ort der gefährlichen Energie ansetzen (z.B. Einhausung, Schutzgehäuse) oder zuverlässig den ausreichenden Abstand zwischen dem Ort/Energie und dem Menschen sicherstellen (z.B. Lichtvorhang, verriegelte Schutztür, Annäherungssensor). Im letzteren Fall können die Maßnahmen technologisch gelöst werden, aber auch organisatorisch – verhaltensbezogene Aufenthaltsverbote würden die Distanz sicherstellen.
Kann die „böse“ Energie doch noch näher an den Menschen herankommen, muss dieser „dick eingepackt“ werden, damit er ohne Schaden nach Hause kommt. Aufgrund der immer geringeren Distanz zwischen der Quelle und dem Menschen wird aber auch deutlich, dass schon der geringste Fehler schwerwiegende Auswirkungen haben kann.
Dennoch stellen wir in unseren Gefährdungsbeurteilungen verschiedentlich fest, dass es
- Risiken gibt, die mit technischen oder organisatorischen Maßnahmen nicht immer reduzierbar sind, z.B. Lärm auf einen Flughafenvorfeld, heiße Oberflächen in der Metallbearbeitung, etc.
- Risiken gibt, bei denen die technischen und organisatorischen Maßnahmen noch flankiert werden müssen, um zwar unwahrscheinliche, aber nicht tolerierbare Restrisiken zu minimieren. Beispiel hierzu sind der Laborkittel und die Schutzbrille im chemischen Labor oder der Sicherheitsschuh auf einer Baustelle
Um diese Risiken abzudecken, muss mit Schutzausrüstung gearbeitet werden, die von den Personen selbst getragen werden. Man spricht hier von von Persönlicher Schutzausrüstung (PSA), weil diese auf den Menschen angepasst werden muss.
Zur Persönlichen Schutzausrüstung gehört aber noch zusätzlich die auswechselbaren Ausrüstungen. Dazu zählen unter anderem Sekuranten und andere Befestigungspunkte für Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz.
Das gesamte Schutzkonzept, das mit Hilfe von Persönlicher Schutzausrüstung aufgebaut wird, sollte also funktionieren. Einen Nachweis darüber muss der Arbeitgeber plausibel darüber erbringen. In der Regel stellt das kein Problem dar, wenn die Wirksamkeit bekannt, die Unterweisungen durchgeführt und das Trageverhalten stichpunktartig kontrolliert wird.
Gefährdungsbeurteilung als Ausgangspunkt
Basis für die Festlegung der oben genannten Risiko-Lücken ist – alles andere wäre verwunderlich – die Gefährdungsbeurteilung. Bei der Umsetzung sollte man jedoch berücksichtigen, dass die Personalvertretung (Betriebsrat, Personalrat oder Mitarbeitervertretung) einzubeziehen ist. Lediglich bei eindeutigen gesetzlichen Regelungen, bei denen kein Gestaltungsspielraum besteht (z.B. Gehörschutz in Lärmbereichen über 85 dB(A)) sind die Mitspracherechte stark reduziert.
Bei der Auswahl der PSA sollten aber auch die Mitarbeiter eingebunden werden. Spätere Probleme bei der Motivation zum Trageverhalten lassen sich so reduzieren:
- Vor Festlegung eines Produkts sollten Trageversuche erfolgen
- Gegebenenfalls sollten gerade bei Passformen mit wenig Spielraum mehrere Produkte zur Auswahl stehen
- Individuell angepasste Schutzausrüstung erhöht die „Fürsorge“ für die eigene Schutzausrüstung. Dazu gehören unter anderem Otoplastiken oder optisch korrigierte Schutzbrillen
- Gleicher Effekt trifft auf persönlich zugeordnete Schutzausrüstung zu (z.B. Helm mit Namen).
Gleichzeitig kann durch einheitliche Farbgebung ein Identitätsgefühl mit dem Unternehmen geschaffen werden. Das gilt bei Hilfsorganisationen genauso wie auf der Baustelle oder beim Handwerksbetrieb.
Wichtig ist allerdings auch, keine überdimensionierte Schutzausrüstung festzulegen – die Akzeptanz und damit die Wirksamkeit würde darunter leiden.
Reinigung und Pflege
Auch die beste Schutzausrüstung ist nicht immer neu. Die Pflege und die Wartung der Persönlichen Schutzausrüstung gehört zu den Aufgaben des Arbeitgebers (§ 2, Abs. 4 PSA-Benutzungsverordnung)
Hier stellen sich sofort drei Fragen:
- Wie lange ist die „gesamte Benutzungsdauer“?
- Wie schaut eine „Wartung“ aus?
- Wer darf eine „Reparatur“ durchführen?
Zu ersterem kann meist der Hersteller Antwort geben. Selbst wenn mit Wartung nur eine Reinigung gemeint ist, ist noch lange nicht gesagt, wie gereinigt werden muss. Und wie eine Reparatur durchgeführt werden muss, damit die Schutzfunktion erhalten bleibt, ist Sache eines Fachexperten.
Bei Einwegprodukten (Gehörsschutzstöpsel, Einweghandschuhe) ist das einfach. Beim Chemikalienschutzhandschuh wird es schon schwieriger, gilt es doch Permeations- und Penetrationsverhalten zu bewerten. Bei Wartungen und Reparaturen (z.B. bei umluftunabhängigem Atemschutz, Rettungsgeschirren gegen Absturz, etc.) sind Herstellerangaben (z.B. Pflegeanleitungen, Ersatzteilvorgaben, etc.) zwingend zu beachten.
Die wichtigen Informationen aus diesen Überlegungen sollten ebenfalls in der Gefährdungsbeurteilung aufgenommen und im Rahmen der Unterweisungen vermittelt werden.
Autor: Prof. Dr. Arno Weber
Fachkraft für Arbeitssicherheit,
Professor an der Hochschule Furtwangen,
Fakultät Gesundheit, Sicherheit, Gesellschaft
Email: weba@hs-furtwangen.de
www.hs-furtwangen.de